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Die Schweiz geht voran
 Die Eidgenossen bauen den Neuschrieb weiter zurück

Deutsche Sprachwelt AUSGABE 28 Sommer 2007, S. 4 (AdsPA/SOK/pau
Abdrucke mit freundlicher Genehmigung der DEUTSCHEN SPRACHWELT

Schon bisher haben große Schweizer Zeitungen wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) nur einen Teil der Rechtschreibreform umgesetzt. Die Schweizer Medien bauen die Rechtschreibreform nun weiter zurück. Das folgt aus der dritten Tagung der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK), die am 7. Mai in Zürich im Hotel Greulich stattfand. Ausgerichtet wurde die Tagung durch den Sprachkreis Deutsch (SKD). Die Leitung hatte Nationalrat Filippo Leutenegger (FDP). Unter den Gästen waren Nationalrätin Kathy Riklin (CVP) und Mitglieder des Rates für deutsche Rechtschreibung. In der SOK arbeitet neben Vertretern aus bedeutenden Redaktionen und Verlagen (Neue Zürcher Zeitung, St. Galler Tagblatt, Basler Zeitung, Schweizer Monatshefte, Münchner Merkur) auch die Schweizer Depeschenagentur (SDA) mit. Für die DEUTSCHE SPRACHWELT nahm ihr Schweizer Berichterstatter Reimuth Maßat teil.

SDA, die wichtigste Schweizer Nachrichtenagentur, veröffentlichte kurz nach der Tagung neue Richtlinien zur Rechtschreibung, die zum Teil im Widerspruch zu den Regeln der reformierten Rechtschreibung stehen. So heißt es nun auf der Netzseite der SDA (www.sda.ch): „In einigen Fällen verwendet die SDA gemäß den Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz die neue Rechtschreibung nicht. Dies betrifft Fremdwörter, ä-Schreibungen, ‚volksetymologische‘ Herleitungen, geographische Ableitungen und Ableitungen von Personennamen, Fälle der Groß-/Kleinschreibung sowie die Einzelfälle rauh, Jäheit, Roheit, Zäheit, As, Mop, Step[tanz], Tip.“

Die SDA geht damit weiter als alle anderen deutschsprachigen Nachrichtenagenturen. Diese haben am 21. Mai eine Hausorthographie veröffentlicht, die zum 1. August dieses Jahres in Kraft treten soll. Sie hält sich zwar den Wünschen der Kunden folgend möglichst dicht an die bewährte Rechtschreibung, bewegt sich aber im Rahmen dessen, was die Rechtschreibreform zuläßt. Der Spielraum entstand durch das Variantenwirrwarr, das die letzte Überarbeitung der Reform von 2006 erzeugte. So gibt es rund 3.000 Wörter, deren Schreibweise nicht eindeutig festgelegt ist, da die Kultusminister bewährte Schreibungen wieder erlaubten, die reformierten jedoch nicht abschaffen mochten

Nach Ansicht der SOK hat der Rat für deutsche Rechtschreibung ein Regelwerk vorgelegt, das bloß ein politischer Kompromiß, aber keine Grundlage für eine sprachrichtige und einheitliche Rechtschreibung ist. Dadurch herrsche heute in Kernbereichen der Rechtschreibung ein Wirrwarr, wie wir ihn zuletzt im 19. Jahrhundert hatten. In diesem Durcheinander biete die SOK einen festen Halt.

Im Hotel Greulich (!) wurde gezeigt, daß es nötig sei, an Unterscheidungen wie gräulich (Farbe) und greulich (Gefühl) festzuhalten. Neu empfiehlt die SOK, auch in vorerst vier Teilbereichen der neuen Groß- und Kleinschreibung nicht zu folgen. Sie geht dabei vom Grundsatz aus, daß Gleiches möglichst gleich behandelt werden soll, und folgt der modernen Rechtschreibung, die im Unterschied zum 19. Jahrhundert den kleinen Buchstaben vorzieht. Die SOK empfiehlt daher ohne weiteres, des weiteren (nicht: ohne Weiteres, des Weiteren) und der eine, der erstere (nicht: der Eine, der Erstere). Sie empfiehlt, das längst übliche Wort jedesmal (nicht: jedes Mal) zu verwenden und auch in Fügungen wie Modus vivendi den großen Buchstaben sparsam zu setzen (nicht: Modus Vivendi).

Stefan Stirnemann vom Sprachkreis Deutsch sagte auf der Konferenz: „Wir sind Spielleute, die versuchen, heillos verstimmte Instrumente zu stimmen, damit sie wieder zusammenspielen können.“ Es gehe nicht um Politik oder die Schule, sondern um das dritte amtliche Regelwerk, welches sachlich zu prüfen sei, ob es seinen Anspruch erfüllt.

„Warum ist die SOK erst im letzten Jahr gegründet worden?“ fragte Stirnemann und antwortete gleich: Man mußte erst die Arbeit des Rechtschreibrates abwarten. Immer wieder sei versprochen worden, die Fehler und Mängel der Rechtschreibereform würden korrigiert. „Doch was haben wir jetzt?“ fragt Stirnemann: „Mehrere Wörterbücher mit unterschiedlichen Auslegungen und etliche sogenannte Hausorthographien. Die Rechtschreibung ist nicht mehr einheitlich.“ Anschließend erläuterte Stirnemann anhand zahlreicher Beispiele, man sei wieder in die Zeit zurückgefallen, bevor Konrad Duden eine einheitliche deutsche Rechtschreibung geschaffen hatte. Der Rechtschreibrat „habe es für gut befunden, Varianten zu häufen.“ Das Reformwerk „steht in Widerspruch zur Rechtschreibung und zur Entwicklung unserer Sprache.“

Das in Kernbereichen unbrauchbare Regelwerk widerspreche der Sprache. Es könne daher nicht als Grundlage dienen. Früher habe man sich im Zweifel nach dem Sprachgefühl richten können und mußte keine willkürlichen Wörterlisten oder an den Haaren herbeigezogene „Regeln“ auswendig lernen, sagte Stirnemann sinngemäß und schloß: „Zur Rechtschreibung gehört Sprachbewußtsein und nicht das Auswendiglernen von Regeln.“

Die nächste Tagung der SOK ist auf den 8. November geplant. Die Arbeitsgruppe der SOK wird dann weitere Empfehlungen zur Groß- und Kleinschreibung, sowie zum Bindestrich und weiteren Bereichen vorlegen.


Was ist die SOK?

Die Schweizer Orthographische Konferenz (SOK) wurde von Sprachwissenschaftern und Praktikern der Presse und der Verlage gegründet, um die von der Rechtschreibreform beschädigte Einheitlichkeit und Sprachrichtigkeit der Rechtschreibung in Presse und Literatur der Schweiz wiederherzustellen.

Die SOK erarbeitet Empfehlungen, die sie an Tagungen zur Diskussion stellt. An ihrer ersten Tagung vom 1. Juni 2006 verabschiedete sie den Grundsatz „Bei Varianten die herkömmliche“. Eine Arbeitsgruppe der SOK, gebildet aus Sprachwissenschaftern und Praktikern, hat Wörterlisten für Fälle ausgearbeitet, in denen die Anwendung des Grundsatzes zu keiner Entscheidung über die Schreibweise führt. An weiteren Tagungen stellte die SOK Empfehlungen vor, wo die schulamtliche Rechtschreibung nicht verwendet werden sollte.

Die Arbeitsgruppe besteht aus Dr. Urs Breitenstein (Verleger Schwabe-Verlag und Präsident des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbandes), Stephan Dové (Chefkorrektor der NZZ und Mitglied des Rates für deutsche Rechtschreibung), Peter Müller (Direktor der Schweizerischen Depeschenagentur SDA), Stefan Stirnemann (Sprachkreis Deutsch), Prof. Dr. Rudolf Wachter (Sprachwissenschaftler, Universitäten Basel und Lausanne) und Peter Zbinden (Präsident des Sprachkreises Deutsch). Die SOK steht allen Personen offen, die die Ziele und Empfehlungen der Gesellschaft unterstützen.

Schweizer Orthographische Konferenz (SOK), Sekretariat, Frau Verena Widmer, Länggaßstraße 7, CH-3012 Bern, verena.widmer@sda.ch, Telefax +41-(0)31-3093091, www.sok.ch

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