Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Sprache / Deutsche Sprachwelt DSW / Ein „würde“volles Reden / Ein „würde“volles Reden L
 

  < zurück erweiterte Suche Seite drucken
 

Ein "würde"volles Reden
 Wer ständig „ich würde“ sagt, verläßt die Realität - Von Ulrich Werner

Deutsche Sprachwelt AUSGABE 30 Winter 2007/08, S. 12
Abdrucke mit freundlicher Genehmigung der DEUTSCHEN SPRACHWELT

Die deutsche Gesellschaft hat sich in eine „würde“-Gesellschaft verwandelt. Würden Sie das nicht auch meinen? Oder würden Sie sagen, daß Sie das noch nicht bemerkt haben. Die Leute befinden sich ständig im „würde“-Zustand, würde ich sagen. Im Jahre 1965, also vor mehr als 40 Jahren schrieb Rene Drommert in der Wochenzeitung „Die Zeit“:

„In unserer Sprache, der mündlichen zumal, der Sprache der Grünen Tische, Konferenzen und Frühschoppen, hat sich die Wendung ‚Ich würde sagen‘ schon längst eingenistet. Sie besagt nicht mehr, was sie besagen sollte, nicht das Unbestimmte, Infragegestellte, das an Bedingungen Geknüpfte, nicht eigentlich den Konditionalis, wie die Grammatiker sich ausdrücken. Sie taucht auch dort auf, wo ein ‚Es ist so und so‘ oder allenfalls ein dezidiertes ‚Ich meine‘ am Platze wäre.“

Und 1976 hieß es im Ortsblatt von Bad Aibling: „Seit wann die Würde-Seuche grassiert, ist schwer zu sagen. Feststeht vielmehr, daß bis jetzt noch niemand das Übel an der Wurzel fassen und es ausrotten konnte. Wenn ich etwas zu sagen haben würde, würde ich sagen, daß es ein richtiger Schmarrn ist mit dem würde. Ich würde meinen, es würde nicht unter der Würde sein, mit dem Würde-Unfug Schluß zu machen!“

Die „Würde-Seuche“ grassiert weiter

Hat sich seitdem im Würde-Verhalten der Deutschen etwas geändert? Nein, im Gegenteil. Be-würde-te Fragen und Antworten bilden mittlerweise einen wesentlichen Teil der täglichen Sprachverhunzung. Mit der Verbreitungskraft der Funkmedien wird in Gesprächsrunden mit (eventuell prominenten) Teilnehmern die Würdefloskel den Zuhörern eingehämmert, die mit der Nachahmung glauben, auf der Höhe der Sprech-Zeit zu sein.

Ein auffälliges Beispiel bietet das täglich vom Bayerischen Rundfunk ausgestrahlte „Tagesgespräch“. Deren Moderatoren beginnen ihre Fragen regelmäßig mit Wendungen wie „Was würden Sie dazu sagen?“ und „Was würden Sie vorschlagen?“ Und die Gefragten, ob es sich um geladene oder angerufene Fachleute oder zugeschaltete Hörer handelt, be-würde-n ihre Antwort ebenfalls und glauben, damit sprachgewandt zu antworten. Mein Vorschlag, die Verben „möchten“ und „wollen“ (ich möchte/will sie fragen) zu verwenden oder die Floskel ganz wegzulassen, wird nicht beachtet. Ob bei Günther Jauch oder Jörg Pilawa, die Kandidaten entscheiden sich nicht für eine Antwort, sie würden sich entscheiden – und tun es doch sofort.

Ein Blick in die Grammatik

Grammatikalisch gesehen handelt es sich bei „würde“ um den Konjunktiv II als Zeichen dafür, daß der Sprecher seine Aussage nicht als Aussage über wirkliches, über tatsächlich Existierendes verstanden wissen will, sondern als eine gedankliche Konstruktion, als eine Aussage über etwas nur Vorgestelltes, nur möglicherweise Existierendes. In diesem Sinne ist der Konjunktiv II ein Modus der Irrealität und Potenzialität; man spricht auch vom Coniunctivus irrealis oder Coniunctivus Potentialis (Duden Grammatik 1998).

Kostenloses Probeexemplar der Zeitschrift

zum Buchdienst der Deutschen Sprachwelt



zum Seitenanfang < zurück Seite drucken