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Küchengirl wollte nicht
 Wie sich ein Pferd gegen Denglisch wehrte - Von Klemens Weilandt

Deutsche Sprachwelt AUSGABE 30 Winter 2007/08, S. 12
Abdrucke mit freundlicher Genehmigung der DEUTSCHEN SPRACHWELT

2007 richtete Deutschland die Weltmeisterschaft der Springreiter aus. Das verstärkte noch die ohnehin zugeschriebene Favoritenrolle der deutschen Mannschaft, die Equipe heißen mußte, weil zu ihr als besonderer Aktivposten (oder – postin?) Meredith Michaels-Beerbaum gehörte, aus den USA stammend, aber durch Heirat Deutsche geworden. Mannschaft – das wäre dieser zierlichen, gleichwohl formidablen Reiterin denn doch nicht gerecht geworden.

Sie sattelte Shutterfly für die Umläufe. Das klingt wie Donnerhall. Die sprachliche Konsequenz dieser Kombination von Pferd und Reiterin ist einsichtig, und ebenso konsequent wurde Meredith auf Shutterfly dann auch Weltmeisterin. Ganz anders verhielt es sich mit Marcus Ehning aus dem beschaulichen Borken im Münsterland, dem „Stilisten“ unter den Reitern, wie es immer wieder heißt. Er ritt ein Pferd mit dem ziemlich unauffälligen Namen Küchengirl.

Tatsächlich: Küchengirl! Auch das ist eine Kombination, eine sprachliche, aber keine besonders konsequente. Sprachkritiker nennen so etwas Denglisch, nicht ohne den Hauch eines Vorwurfs. Küchenmaid, Küchenmädchen, Küchenmagd, Küchenfee, Küchengeist – das wäre ja alles möglich gewesen. Aber das wäre noch unauffälliger als Küchengirl gewesen, einigermaßen provinziell sogar, zu sehr an das Münsterland erinnernd. Ein bißchen auffallen darf sein, und Denglisch ist in Mode, und schließlich leben wir im Zeitalter der Globalisierung, wir sind global players geworden, im Reitsport allemal. Alles Provinzielle gilt es abzulegen. Da kommt Denglisch gerade recht, und Küchengirl heißt schließlich noch nicht jedes Pferd.

Der Anglist in mir fragt sich allerdings, wie Briten und Amerikaner und die übrigen global players wohl den deutschen Bestandteil des Namens werden artikulieren wollen oder können. Einfach ist das für sie nicht, noch dazu in Verbindung mit Girl! Es ist sogar vertrackt, denkt man an ü und ch und an ihre Kombination.

Küchengirl also sollte Marcus Ehning über die Hindernisse, darunter veritable Kombinationen, zur Goldmedaille tragen, im Galopp, den Zügelhilfen des Reiters gehorchend, vielleicht auch seinen Sporen, jedenfalls im angemessenen Rhythmus mit vorberechneter Zahl von Galoppsprüngen, wie uns die wortgewandten Reporter des Pferdesports zu vermitteln trachten. Küchengirl sollte. Küchengirl wollte aber nicht!

Im Kopf dieser sprunggewaltigen Stute muß sich etwas abgespielt haben, was schließlich tragisch-dramatische Züge annahm, die selbst ein so sensibler Reiter wie Marcus Ehning nicht zu zügeln vermochte, schon gar nicht über die Zügel:

Ich, ein deutsches Pferd, soll jetzt helfen, die Goldmedaille für Deutschland in Deutschland zu erringen. Ich soll meinem geschätzten Reiter Marcus zu einem Null-Fehler-Ritt verhelfen, damit ein Millionenpublikum ausrufen kann, wir, die Deutschen, haben „Gold gewonnen“.
Ich soll das, ich, Küchengirl? Aber warum haben sie mich dann „Küchengirl“ getauft? Das ist doch allenfalls zur Hälfte deutsch, eigentlich ist es überhaupt nicht deutsch. Ich werde es ihnen heimzahlen. Ein paar Hindernisse werde ich „nehmen“, und dann ist Schluß mit lustig, dann will ich nicht mehr! Sollen sie sehen, wo sie ein Girl herbekommen, das den Ritt fortsetzt.

Und Küchengirl tat, was in seinem (ihrem?) Kopf abgelaufen war – Küchengirl verweigerte einen Sprung, ausgerechnet oder sehr konsequent „in einer Kombination“. Küchengirl verweigerte den Sprung nicht einmal, nein dreimal, und Marcus Ehning war „draußen“, er lieferte das „Streichresultat“.

Daß die deutsche Equipe dennoch „auf dem Treppchen“ stand, tut hier nichts zur Sache. Küchengirl hatte allen gezeigt, wie man sich gegen sprachliche Zumutungen, gegen primitives Denglisch zu wehren hat: durch Verweigern. Küchengirl, unter dem Stilisten Marcus Ehning, stilisierte sich zum Prototypus des Verweigerers, der nicht mehr jeden sprachlichen Blödsinn (Strandshopping, …) mitmacht. Küchengirl setzte Maßstäbe. Jetzt gilt es nur noch, dem Vorbild Küchengirls nachzueifern. Man muß nicht jeden Ritt über die Müllhalden und die Schrotthaufen der deutschen Sprache akzeptieren!

Anmerkung der Schriftleitung: „Noltes Küchengirl“, so der vollständige Name des Pferdes, verdankt seinen Namen einem  zahlenden Taufpaten, dem Küchenkonzern Nolte. Zuvor hieß die Stute „Lord’s Classic“.

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