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Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Doktor-Grad, Übersicht / Entziehung v. akad. Graden
 

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Entziehung von akademischen Graden
Beispiele und Versäumnisse

 

Nach wie vor begehrt: der Doktorgrad (im Volksmund "Doktortitel")

Wer nach mehr oder weniger langer Studienzeit und mit einer mehr oder weniger beachtlichen Leistung, meistens unbekannt, den lang ersehnten akademischen Grad eines "Doktor der (folgt Bezeichnung der Fakultät, meistens leider (legal) verschwiegen)“, erlangt hat, freut sich, besonders auch seine Eltern und andere Angehörige über den nun auch dokumentierbaren "Leistungsbeweis" und das damit erworbene lebenslang geltende besondere Ansehen eines "Doktors". Ehrgeizlinge, die das Studium scheuen, nehmen die vielerorts angebotenen Gelegenheiten wahr, den akademischen Grad (Doktor) oder Titel (Professor) zu erwerben.

Der Herr Doktor ist auch nur ein Mensch

Diese nicht nur von den Kennern des Titelwesens, sondern mittlerweile auch in der Allgemeinheit unterschiedlich bewertete akademische Verzierung ist keine Gewähr für Charakterstärke und moralisches Vorbild. In zunehmenden Maße wird von Forschern berichtet, denen ihr öffentliches Ansehen innerhalb einer Gruppe von Gleichrangigen offenbar nicht mehr genügt. Um auch internationale Wertschätzung zu erreichen, lassen Laborleiter lassen ihren Namen als Mitautoren einsetzen, obwohl sie weder praktisch noch am Bericht mitgewirkt haben. Sie veröffentlichen sogar gefälschte Forschungsberichte und Versuchtergebnisse. Das kann so weit gehen, daß die Fälschung die Ausgangsbedingungen für den Versuch umfaßt. Den jüngsten und weltweit schockierenden Fall lieferte der südkoreanische Tierarzt und Klonforscher Hwang Woo Sik. Er hat nicht nur falsche Ergebnisse über seine Arbeiten mit menschlichen Embryonen, sondern auch zum Klonen menschlicher Stammzellen vorgelegt. Das moralisch Verwerfliche an seinen Fälschungen war vor allem, daß Hwang bei Kranken die Hoffnung auf Heilung weckte. Er hat behauptet, er habe einen Durchbruch beim therapeutischen Klonen erreicht. 

Das Ombudsman-Gremium

Ulrike Beisiegel, die Sprecherin des Ombudsman-Gremiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), einer zentralen Anlaufstelle für Forscher in allen Fragen wissenschaftlichen Fehlverhaltens meinte hierzu, Spektakuläre Fälschungsskandale wie der des Hwang „könnten sich zwar auch an den deutschen Hochschulen ereignen", aber bisher hätten sie und ihre Kollegen in Hamburg weniger aufsehenerregenden Fällen zu bearbeiten. Dabei werde mehr über den Alltag im Hochschulbetrieb und seine Anfälligkeit für Lug und Betrug offenbart als im „Fall Hwang" (SZ vom 09.01.2006).

Was es so alles gibt

So gehe es mal um das Diagramm in einer Publikation oder um einen Förderantrag. Da sei der Professor, der sich über einen  Kollegen wegen von ihm übernommener Forschungsergebnisse beschwert. Oder die Mitarbeiterin an einer Uniklinik habe entdeckt, dass sich Experimente nicht wiederholen lassen und ihre Ergebnisse offensichtlich gefälscht sind.

Fälle wie diese und andere fänden sich ebenso in den Jahresberichten der drei Ombudsleute der DFG. Insgesamt mehr als 150 Mal sei das Ombudsman-Gremium bislang angerufen worden, seit es im Juli 1999 nach dem „Fall Herrmann/Brach", dem bislang größten Fälschungsskandal in der deutschen Wissenschaft, eingesetzt wurde. Die Zahl der Fälle sei kontinuierlich gestiegen, allein 2004 seien es 45 gewesen. Alle Beteiligten seien überzeugt, dass dies nur die berühmte Spitze des Eisbergs ist. Die meisten Fälle kämen aus der Medizin und der Biologie; besonders oft gehe es um Plagiate und die Autorenschaft bei Veröffentlichungen, handfeste Manipulationen von Daten seien eher selten.

Der Fall Herrmann/Brasch

Lange Zeit hätten die Universitäten Manipulationen und Mogeleien nicht ernst genommen,. Das habe sich erst mit dem „Fall Herrmann/Brasch“ geändert. Diese beiden Hoffnungsträger der deutschen Krebsforschung hatten in den neunziger Jahren mit mehr als 90 manipulierten Studien Ruhm, Fördergelder und Professuren ergattert. Seitdem seien die Unis diesem Thema gegenüber offener und selbstkritischer geworden.

Der Fall Guido Zadel

Einen anderen Fall lieferte der Bonner Chemiker Guido Zadel. Er hatte 1994 mit seiner Doktorarbeit aufsehen erregt, worin er behauptet hatte, bei chemischen Synthesen lasse sich mit einem starken Magnetfeld bestimmen, in welche Richtung sich die entstehenden Moleküle drehen, links- oder rechtsherum.

Angesichts der gewaltigen medizinischen Folgen dieser Entdeckung galt Zadel sogar als „nobelpreiswürdig“. Doch seine Versuchsergebnisse ließen sich nicht wiederholen. Bonner Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, Zadel habe seine Versuchsergebnisse manipuliert, was die Universität veranlaßte, Zadel den Doktorgrad abzuerkennen.
Der juristische Kleinkrieg um den Doktorgrad dauerte bis Februar 2004. Das OVG Münster ließ Zadels Berufungsklage nicht zu, und er verlor endgültig seine akademische Verzierung.

Der Fall Jan-Hendrick Schön

Nicht weniger auffällig war der Fall, der sich an der Universität Konstanz ereignete. Der Streit um die Entziehung des Doktorgrades des ehemaligen Starphysikers Jan-Hendrick Schön dauert nun schon 1 ½ Jahre. Ihm waren in 16 Studien, in den USA verfaßt, umfangreiche Manipulationen nachgewiesen worden. Ein Entscheidung über die Entziehung seines Doktorgrades dürfte so schnell nicht fallen. Es handele sich um juristisches Neuland, weil die Manipulationen erst nach Verfassen der Doktorarbeit aufgetreten seien.

Ärzte arbeiten für die Tabakindustrie

Die Zahl der Menschen, die jedes Jahr in Deutschland an den Folgen des Rauchens sterben, wurde in den siebziger Jahren mit 140.000 angenommen. Bei der Berechnung griff man auf von der WHO verbreitete Daten und Fakten zurück. Kritik aus Kreisen der Wissenschaft, die nicht immer frei von Verbindungen zur Tabakindustrie war, ließ später die "amtliche" Zahl auf 90.000 sinken. Die Epidemiologen und Sozialmediziner Ulrich John und Monika Hanke aus Greifswald belegten mit ihrer Studie, dass hierzulande jährlich mindestens 140.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums sterben. Durch Passivrauchen sterben jährlich ca. 3.300 Menschen.

Ausgerechnet in dem Berufsstand, der sich um die Gesundheit der Menschen bemühen sollte, kassierten Mediziner stattliche Beträge nicht etwa zum Aufklären über die Gefährdung der Gesundheit, sondern dafür, daß sie in sog. Gutachten das Rauchen verharmlosen und sogar die Gutachten der Kollegen als falsch hinstellen, die die Gefährlichkeit des Rauchens wahrheitsgemäß dokumentieren.

Im Würgegriff der Industrie

Mediziner wurden finanziert, kritische Untersuchungen unterdrückt:

In ungeahntem Ausmaß habe die Zigarettenbranche, so eine Studie, führende Institutionen des Gesundheitswesens manipuliert.

Unter dieser Überschrift berichtete Udo Ludwig im Spiegel (49/2005) über Fritz Kemper, langjähriger Professor der Universität Münster. Er gelte international als begnadeter Toxikologe, versierter Berater und renommierter Publizist und sei einer der ganz Großen in der deutschen Medizin.

„Seine wissenschaftlichen Leistungen und die Mitarbeit in höchsten Medizinergremien belohnte die Bundesärztekammer mit ihrer wertvollsten Auszeichnung, der Paracelsus-Medaille. Der Geehrte habe sich um das deutsche „Gesundheitswesen in hervorragender Weise verdient gemacht", lobten die Laudatoren. Bundespräsident Johannes Rau verlieh Kemper 2002 das Große Verdienstkreuz mit Stern.“

Der emeritierte Professor, mit 78 Jahren immer noch Herausgeber und Präsident verschiedener Fachzeitschriften und Gesellschaften, hätte hochdekoriert seinen Ruhestand genießen können, wenn da nicht Thilo Grüning wäre. Der Berliner Forscher sei Hauptautor einer vergangene Woche im „American Journal of Public Health" erschienenen Studie über den Einfluss der Tabakindustrie auf die deutsche Medizinerelite.

Und die Autoren lassen Professor Kemper nun in ganz anderem Licht erscheinen: Er sei ein wichtiger Verbündeter der Zigarettenmultis in der Wissenschaftsszene, heiße es. Er habe Hand in Hand mit Firmenmanagern gearbeitet. In einem Jahr habe er laut interner Dokumente 20.000 Dollar vom Reynolds-Konzern kassiert, die er über Aktivitäten deutscher Wissenschaftler und Politiker informiert habe. Man mochte sich: Ein Reynolds-Gesandter habe laut der Studie nach einem Besuch dem „lieben Fritz" ganz „ungeheuer" für das Essen gedankt.

Kemper könne sich heute, so Ludwig, nur noch an eine „befristete Beratungsvereinbarung" mit R. J. Reynolds (Camel) erinnern, in der es „um toxikologische Fragestellungen" gegangen sei. Er habe nie ein „persönliches Verhältnis zu Firmen der Tabakindustrie" gehabt und unterstütze zudem alle Bestrebungen, um die Öffentlichkeit über „Schäden des Tabakrauchens" zu informieren.

Die Kooperation von Medizinern mit „Big Tobacco" sei lange effektiv gewesen. Mit „ungeheurem Erfolg" habe es die Tabakindustrie über Jahrzehnte geschafft, renommierte deutsche Wissenschaftler in großer Zahl zu finden, die in ihren Veröffentlichungen die Beweise für die tödlichen Auswirkungen des Qualmens „manipulieren und verdrehen“, lautet das Resümee der Grüning-Studie.

Mindestens 80 zumeist hochrangige Klinkprofessoren hätten sich „im Würgegriff der Tabakindustrie“ befunden , weil sie Forschungsgelder annahmen. ... Weiter im Spiegel, S. 48. Gäbe es hier nicht eine Reihe von Kandidaten zum Entziehen der akademischen  "Würde"

Voraussetzung für die Entziehung des Doktorgrades

Es erscheint unverständlich, bei wissenschaftlichen Verfehlungen zu unterscheiden zwischen solchen, die im Zusammenhang mit einer Dissertation aufgetreten sind und solchen, die nachher bekannt worden sind. In beiden Fällen ist das in Art. 89 BayHSCHG angeführte Kriterium für das Entziehen des Doktorgrades erfüllt, nämlich zum Führen des Grades unwürdig zu sein. Andere Bundesländer dürften analoge Bestimmung haben.  Wenn man bedenkt, wie schnell und konsequent Verfehlungen jeder Art bei Beamten und Angestellten außerhalb des Universitätsbereiches zu disziplinarischen und finanziellen Folgerungen führen, muß sich über die großzügige und milde Beurteilung seitens der Vorgesetzten von „Kollegen“ wundern. Eine wesentliche Rolle spielt wohl die Angst von Zeugen vor Nachteilen in der Karriere, die es ratsam erscheinen läßt zu schweigen.  

Zum Entziehen von akademischen Grade lautet die Bestimmung in Art. 89 BayHSCHG:

(1) Der von einer bayerischen Hochschule verliehene akademische Grad kann unbeschadet des Art. 48 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes entzogen werden, wenn sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat. Über die Entziehung entscheidet diejenige Hochschule, die den Grad verliehen hat.

(2) Unter den in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen kann die zuständige Behörde eine von ihr erteilte Genehmigung zur Führung eines ausländischen akademischen Grades widerrufen und bei allgemein erteilter Genehmigung (Art. 88 Abs. 1 Satz 4 Nrn. 2 und 4) den Widerruf auch für den Einzelfall aussprechen.

Ausnahmen für die Geltung des Gesetzes?

Die im BayHSCHG herausgestellte Eigenschaft, zum Führen eines akademischen Grades als würdig zu sein, kann und darf nicht auf wissenschaftliche Bereiche beschränkt bleiben. Es umfaßt nach Sinn und Zweck des Gesetzes auch alle anderen Wissensbereiche, die Gegenstand eines Hochschulstudiums sind und Promotionen anbieten, vor allem aber auch besonders Politiker, von denen auf Grund ihrer Funktion als Volksvertreter und Machtinhaber ein vorbildlich moralisches Verhalten erwartet wird.

Ein Bundeskanzler, universell immun?

Ein Mann, der sich über viele Jahre unwürdig zum Führen des Doktorgrades gezeigt hat, ist der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl. Es ist erstaunlich, daß auch seine politischen und persönlichen Gegner nie auf den Gedanken gekommen sind, bei der Uni Heidelberg die Entziehung seines Doktorgrades zu beantragen. Den Bestimmungen nach hätte dies innerhalb eines Jahres nach Bekanntwerden der Verfehlungen geschehen müssen.  

Seine Verstöße wie permanenter Verfassungsbruch“, „fortgesetzter Amtseidbruch“ und „Mißachtung des Parteispendengesetzes“ sind bei dem zweithöchsten Rangträger in der Bundesrepublik Deutschland, dem Bundeskanzler, als so gravierend anzusehen, daß es keiner besonderen Begründung bedurft hätte, das Kriterium der Unwürdigkeit zum Führen des Doktorgrades zu erfüllen und die Entziehung des akademischen Grades zu rechtfertigen. Beantragt hat es niemand. Kohls Verfehlungen sind derart schwerwiegend, daß sie auch nicht durch seine von ihm überschätzten Verdienste um die deutsche Einheit ausgeglichen werden können.

Ungeachtet seiner diversen schwerwiegenden Verfehlungen wurde Helmut Kohl von verschiedenen Seiten in festakten öffentlich geehrt

Kohl erhielt im September 2005 den "Franz Josef Strauß-Preis" verliehen. Kurz vorher war er für den Savigny-Preis vorgesehen. Wegen der Proteste dagegen lehnte er ihn ab.

Seine Geburtsstadt Ludwigshafen verlieh ihm am 2. September 2005 die Ehrenbürgerwürde.

In Münster wurde "der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem Preis des Westfälischen Friedens des Jahres 2000 ausgezeichnet. Der Preisträger nahm die Auszeichnung im Rathaus der Stadt Münster aus der Hand von Dr. Horst Annecke, dem Vorsitzenden der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe e.V. (WWL), entgegen." (Leserbrief)

Urteile

VGH Mannheim, Art: U vom 18.11.1980 Az.: IX 1302/78 Fundstelle: KMK-HSchR 1981 0143
Inhalt: Entziehung des Doktorgrades wegen Plagiats u. Entziehung des durch Täuschung erworbenen Doktorgrades u.a.

Verstoßen und vergessen -  Mehr als 2000 Akademikern wurde im Nationalsozialismus der Doktortitel aberkannt. Mit der Rehabilitierung haben sich manche Universitäten bis heute Zeit gelassen Von Thomas Röbke DIE ZEIT Nr. 31 vom  27.07.2006

 



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