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Sprache / Rechtschreibreform / Berichte 2004/1-6 / 24. Tagesgespräch im BR
 

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Tagesgespräch im Bayerischen Rundfunk 
 zur Rechtschreibreform


Anlaß: Tagung der Kulturministerkonferenz (KMK) am 3. und 4. Juni .   

Die Sendung wurde am 2. Juni 2004, also einen Tag vor der Konferenz, im Radio (BR2 radio) und im Fernsehen (BR alpha) übertragen.

Thema: Letztes Gefecht um die Rechtschreibreform, halten Sie sich an die neuen Regeln?

Aus dem Studio Nürnberg als Gast zugeschaltet:

Theodor Ickler, Professor und Leiter des germanistischen Instituts an der Universität Erlangen, einer der aktivsten Gegner der Rechtschreibreform.

Ickler: "Die Schande liege darin, etwas so Abseitiges und Absurdes gegen jede Vernunft durchzuboxen."

Der Moderator Achim Bogdahn führte zunächst in die Sendung „Letztes Gefecht um die Rechtschreibreform“ ein, die Rechtschreibreform werde im Jahr 2005 verbindlich .........

Er forderte zu Beginn des Gesprächs Herrn Ickler auf, die Wörter Delphin und Thunfisch zu buchstabieren, und folgerte aus der genannten Buchstabenfolge, Ickler sei seit vielen Jahren erbitterter Gegner der neuen Schreibung. Das stimme zwar, so Ickler, aber um die Schreibung von Wörtern, wie die genannten, ginge es nicht. Seine Kritik entzünde sich an grammatikalischen Fehlern, die durch die Neuschreibung zwangsläufig entstünden, vor allem bei der Groß- und Kleinschreibung sowie bei der Getrennt- und Zusammenschreibung. Als Beispiele nannte Ickler bei der Großschreibung: leid tun, recht haben, pleite gehen. Da sei neuerdings Großschreibung vorgeschrieben, und die ist einfach grammatisch falsch. Das ließe sich linguistisch einwandfrei nachweisen, und die Bevölkerung habe auch nie daran gezweifelt. Bei der Getrennt- und Zusammenschreibung nannte er „sogenannt“ oder die zwangsweise Getrenntschreibung von Zeitwörtern mit einem Zusatz wie „hinunterschlucken“. Das solle ja geändert und morgen bei der KMK beraten werden.

Angesprochen als Unterrichtender von „Deutsch als Fremdsprache“ bemerkte Ickler, die Reform habe auch jetzt schon große Schäden angerichtet. Daß läge vor allem daran, daß die Lehrwerke für „Deutsch als Fremdsprache“ auffällig fehlerhaft seien und dadurch die Gewißheit der ausländischen Lernenden und Lehrenden, daß die Reform ihr erworbenes Wissen entwertet habe und in Zukunft noch einmal geändert werden solle. Das habe eine sehr große Verunsicherung hervorgerufen und auch Kosten verursacht, die gerade für Deutsch im Ausland sehr schädlich seien.

Auf die Frage Bogdahns nach dem Prozentsatz der Deutschen, die sich an die neuen Schreibregeln hielten, meinte Ickler, die amtlichen Regeln von 1996 seien ja unter den Hand durch exklusive Beratung der Rechtschreibkommission mit den Wörterbuchverlagen schon wieder geändert worden, so daß alle aktuellen Wörterbücher erhebliche Abweichungen aufwiesen und niemand sagen könne, was die gültige Rechtschreibung zur Zeit sei.

Davon abgesehen, meinte Ickler, gäbe es fast niemand, der die neuen Regeln beherrsche, weil sie viel zu kompliziert seien.

Ein Deutsch- und Lateinlehrer an einem Gymnasium in Niederbayern lobte Ickler wegen seines unermüdlichen Einsatzes gegen die Reform und wünschte sich mehr Beteiligung am Widerstand seitens seiner Lehrerkollegen und aller Germanisten. Er sei durch die Reformer in die Schizophrenie getrieben worden. Privat halte er sich nicht oder nur teilweise an die Anweisungen der Reform, sage zu Freunden und Bekannten, die ihn verzweifelt fragen: "Vergeßt den Quatsch!", vor allem bei älteren, die nicht mehr in der Ausbildung seien. Andererseits müsse er vor seiner Klasse die Regeln verkünden und dazu sagen, daß er nicht dahinterstehe oder daß die Regeln falsch seien.

Seine Schüler seien verunsichert und reagierten ergeben; sie hätten genügend andere Schwierigkeiten. Sie durchschauten nicht, welche Kulturschande hier im großen Stil angerichtet würde. Sie würden als Versuchskaninchen mißbraucht. Er korrigiere immer noch teils mit Bleistift, was nicht offiziell sei oder was er für Quatsch halte, und das andere mit roter Tinte.

Seine Bewertung als Kulturschande begründete der Lehrer damit, daß die Reform vollkommen inkonsequent und inkohärent sei. Die Regeln stimmten nicht. Es seien z. T. Willkürregeln, die auch untereinander nicht zusammenpaßten und grammatisch schlicht falsch seien. Ein Begriff wie „Leid tun“ - oder für ihn als Lateinlehrer besonders störend - die Ableitung fremdsprachiger Wörter wie Mesner mit einem „s“, bei dem nachgewiesen sei, daß es von einem lateinischen Wort mit einem „s“ komme und jetzt mit „ss“ geschrieben werden solle, in der Annahme, die Schüler würden weniger Fehler machen im Glauben, das Wort komme von „Messe“. Oder der „Tolpatsch“, der ganz toll herumpatsche, obwohl das Wort aus dem Ungarischen komme (= einfacher Fußsoldat). Das Perverse dabei sei, neben der sachlichen Aufklärung müsse er den Schülern auch sagen, was im Gegensatz dazu die Regeln erforderten, die sie beachten müßten.

Ickler gestand, er habe als Sprachwissenschaftler ein Jahr dazu gebraucht, um das neue Regelwerk zu verstehen. Der damals tätige Arbeitskreis habe Hals über Kopf eine Regelung in die Welt gesetzt, nachdem seine früheren Blütenträume alle zunichte geworden waren. Die Reformer wollten jahrzehntelang etwas völlig anderes und hätten dann, nachdem alles, was von den Politikern und auch von der Sprachgemeinschaft zurückgewiesen worden war, diese Neuregelung geschaffen, die sehr unzulänglich durchdacht sei. Man habe geglaubt, die Inkonsequenzen ignorieren zu können, und jetzt werden sie offenbar. In der Praxis, wo die Lehrer leider gezwungen seien zu gehorchen, ließe sich die Inkonsequenz dieses Regelwerks nicht mehr verheimlichen.

Als Beispiele nannte Ickler das Wort "Stängel", das deshalb mit „ä“ geschrieben werden solle, weil es von "Stange" käme. Die normale Wiedergabe des kurzen offenen "e" sei jedoch „e“ und nicht „ä“. Außerdem sei man nicht konsequent vorgegangen, siehe „Spengler“, das von "Spange" komme, "kentern" (von "Kante") und "Eltern" (von "alt"), Wörter, die nicht geändert worden seien.

Ein anderer Anrufer wies auf die Literatur hin, die in der bisherigen Rechtschreibung verfaßt sei und nun neben neueren Schreibbildern vorläge. Es sei schade um das scharfe „s“, das als Einleitung eines Nebensatzes besser aussähe und jetzt an den Rand gedrängt würde, die Menschen seien Gewohnheitswesen und ungern bereit, etwas Neues zu lernen, zumal z. Zt. dringendere Reformen bei uns anstünden. Nicht einmal in den USA schreibe man „Tip“ mit „pp“, wir sollen es nun.

Ein anderer Anrufer schloß sich den Kritiken an und verwies auf das Beispiel „ein Mal“ statt früher „einmal“ mit der Frage, ob bei „ein Mal“ ein Denkmal gemeint sei.

Ickler erläuterte, die Idee der Reform sei schon in den frühen siebziger Jahren entstanden und sollte den Kindern aus der sog. Unterschicht den Einstieg in die höheren Bildungsgänge erleichtern. Man dachte, wenn man die Regeln verändere und das Schreiben einfacher mache, dann könnte man etwas für diese „unterprivilegierten Kinder“, wie man damals sagte, tun. Das sei aber, wie man inzwischen wisse, ein Irrtum gewesen. Man tue nichts für diese Kinder, wenn man die Anforderungen herabsetze. Und so hoch seien die Anforderungen bei der bisherigen Schreibung auch nicht. Das Traurige sei, daß die Grundidee der damaligen Reformer, im wesentlichen die Einführung der Kleinschreibung, über die man sehr wohl vernünftig hätte reden können, abgelehnt und durch diese an den Haaren herbeigezogenen Neuregeln ersetzt worden sei, die man nur deshalb in die Welt gesetzt habe, damit etwas zu geschehen schien. Die Kommission, die damals die Reform betrieb, habe sich jahre- und jahrzehntelang hin und wieder getroffen, und irgendwann hätten die Kultuspolitiker gesagt, jetzt müsse Schluß sein. Zwischen 1993 und 1994 sei dann überstürzt geregelt worden, was keiner Regelung bedürfe, z. B. die Getrennt- und Zusammenschreibung. Die sei zwar bisher amtlich nicht geregelt gewesen, aber es hatte sich ein Schreibbrauch eingestellt (sogenannt, auseinandersetzen, tiefgreifen usw.). Da wußte jeder, wie man es schreibt. Es war vollkommen unsinnig, hier Neuerungen einzuführen, nur um des Neuerns willen.

Der Verlagsleiter von Hoffmann & Campe, Rainer Moritz, von der Redaktion des Tagesgesprächs angerufen, wollte nicht als Befürworter der neuen Schreibung gelten. Unabhängig von seiner Meinung und der der Lektoren im Hause gelte intern die pragmatische Regelung, z. B. Übersetzungen in der neuen Rechtschreibung zu drucken, andererseits auf Wunsch in der bisherigen Rechtschreibung. So habe beispielsweise Siegfried Lenz, Mitunterzeichner von Erklärungen gegen die Reform erklärt, er wolle den Verlag verlassen, wenn man ihn zwingen würde, die neue Rechtschreibung zu übernehmen. So habe der Verlag Bücher in neuer Rechtschreibung und in solcher aus den sechziger Jahren herausgegeben. Man müsse auch unterscheiden zwischen Texten von abhängigen Schreibern wie Übersetzern und Redakteuren von Zeitungen, die die neue Schreibung übernommen haben, und freien Autoren. Erstere haben ihr Schreibprogramm auf dem PC auf die neue Schreibung umgestellt. Das nähme er hin, obwohl ihm die Reform für unnötig, zu teuer und in vielen Details sinnlos erscheine. „Im Gegensatz zu vielen Schulbuchverlagen mußten wir nicht automatisch umstellen.“

Paradox sei ja, so der Verlagsleiter, daß viele Schriftsteller, die sich von der bisherigen Rechtschreibung keinesfalls trennen wollten, diese selbst nicht beherrschten.

Ickler berichtete von seinen Recherchen bezüglich der Anwendung der neuen Rechtschreibung. Er habe im Verlauf der letzten Jahre mehrere hundert Bücher gelesen und dabei kein einziges gefunden, in dem sie korrekt umgesetzt sei. Ferner seien die Textprogramme, die angeblich auf die neuen Regeln eingestellt seien, längst überholt, so daß die auf dem PC geschriebenen Manuskripte ein sehr buntscheckiges Bild lieferten.

Ickler berichtete auch von der Süddeutschen Zeitung, die eine billige Reihe von klassischen Romanen herausgebe. Die ersten 10 Bände waren bis auf zwei Ausnahmen in der neuen Rechtschreibung gedruckt, was zu Protesten der Verlage geführt habe. Die SZ habe sich verpflichten müssen, die Reihe in der gewohnten Rechtschreibung fortzusetzen und „dieses Verbrechen an den Texten“ nicht mehr zu begehen.

Im 19. Jahrhundert war die buntscheckige Rechtschreibung ein Grund für das Streben nach einer Einheitsorthographie gewesen. Die sei dann durch Duden und andere Orthographen der damaligen Zeit erreicht worden. „Wir hatte diese einheitliche Rechtschreibung hundert Jahre lang und jetzt haben wir einen Zustand der Hausorthographien, wie wir ihn damals gern los geworden sind. Ist das der Sinn einer solchen Reform?

Eine 81-jährige Anruferin monierte das allgemeine Verschweigen von Südtirol, wo doch auch deutsch gesprochen werde, und wies auf den Unterschied zwischen dem Neulernen der neuen Rechtschreibung und dem Umstellen auf sie hin. Das eine sei leicht, was anrufende Kinder bestätigten, das andere dagegen fiele schwer. Der Vertreter Südtirols habe in Wien in der Annahme unterschrieben, daß die Rechtschreibreform eine Verbesserung wäre.

Ickler erklärte den Grund für die wenigen Schwierigkeiten beim Neulernen der Schreibung. So sei der Wortschatz an der Grundschule noch ziemlich beschränkt. Von Getrennt- und Zusammenschreibung und Groß- und Kleinschreibung und anderen Tücken der neuen Schreibung wären die Grundschüler noch nicht betroffen.

Ein weiterer Anrufer erinnerte an die Klagen, man verhunze die Sprache von Goethe und Schiller, ohne deren Schreibung zu kennen. Er zitierte Goethe mit: „Mir war die konsequente Rechtschreibung immer ziemlich gleichgültig. Wie dieses oder jenes Wort geschrieben wird, darauf kommt es doch eigentlich nicht an, sondern darauf, daß die Leser verstehen, was man damit sagen wollte.“(Siehe den Artikel "Sprachpflege - Sprechpflege - Schreibpflege")
Laut Ickler habe sich die "alte" Rechtschreibung bei manchen Leuten zu Unrecht einen schlechten Ruf erworben. Der Grund läge beim Duden. Der habe nämlich im Laufe vieler Jahre die vielen Fragen von Sekretärinnen und Lehrern immer wieder beantwort und dabei für viele Wörter Einzelfestlegungen getroffen. Im Wörterverzeichnis des Duden waren Hunderte und Tausende von Einzelschreibungen festgelegt, die als Antworten auf solche Anfragen zu verstehen seien. Das eigentliche Grundgerüst, das Regelwerk des alten Duden war sehr liberal und grammatisch richtig. Diesen Wildwuchs von Einzelwortregelungen hätte man mal ausmisten müssen. Er habe daher versucht, in einem eigenen Wörterbuch (Das Rechtschreibwörterbuch, Leibniz Verlag) die bisherige Rechtschreibung einfacher darzustellen, auch so, daß sie für einen Schüler faßlich sei. Da zeige es sich, daß sie wesentlich einfacher sei, als die neue und vor allem auch richtiger.

Eine Abiturientin (19) aus München berichtete, sie seien lediglich schriftlich über die neuen Regeln informiert worden, ohne sie zu lernen. Und jetzt fühle sie sich unsicherer und wisse nicht, wie „man die Sachen jetzt schreibe“. Vorher habe sie nie Probleme gehabt.

Der Moderator stellte das Durcheinander beim Schreiben fest. Jeder schriebe so, wie es ihm passe.

Nach Ickler würde der 4. Bericht der Rechtschreibkommission, der seit Dezember vergangenen Jahres vorliege und der zunächst wegen seiner Mängel zurückgewiesen wurde, morgen bei der KMK-Sitzung in Mainz gebilligt werden. Es solle diese nochmals veränderte Neuregelung nach vielen unter der Hand vorgenommenen Veränderungen nun tatsächlich endgültig verbindlich werden, ohne daß der Einspruch der Experten außerhalb dieser Rechtschreibkommission überhaupt in Erwägung gezogen worden wäre. Das sei nun das Ärgerliche, daß alles nochmal neu gemacht werden müsse, alle Rechtschreibwörterbücher müßten neu gedruckt, die Software müsse umgestellt werden usw. Niemand könne sagen, daß dies schon die letzte Änderung sei, denn weitere Änderungen seien ins Auge gefaßt und würden wahrscheinlich dann nach 2005 sehr bald kommen.

Berufsschullehrer Manfred Riebe aus Schwaig b. Nürnberg, Vorstandsmitglied des „Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“, der auch im Internet gegen die Reform auftritt, schloß sich den Feststellungen der Anrufer, die sich gegen die Reform ausgesprochen hatten und vor allem von Theodor Ickler an. Er beklagte die Fehlinformation in den Medien, die neue Schreibung wäre ab 2005 für alle verbindlich. Auch Bogdahn habe sie in der Anmoderation erwähnt. Sogar die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung erwecke diesen Eindruck. Dadurch werde eine völlig überflüssige Torschlußpanik erzeugt. Nur Schulen und Behörden seien von dieser Anweisung betroffen. Die Sprachspaltung würde auch nach 2005 fortbestehen, weil 90 % der Bevölkerung so weiterschrieben wie bisher. Riebe wies ferner auf die Beliebigkeitsschreibung in den Zeitungen hin. Steuergelder würden verschwendet, die für das Bildungswesen dringend benötigt würden. Er habe sich vorzeitig pensionieren lassen, um besser gegen die unsinnige Rechtschreibreform kämpfen zu können.

Ickler konnte keine genauen Daten über die Kosten der Reform nennen, kannte aber die Aussagen von Schulbuchverlegern, wonach sie bei der ersten Auflage von Schulbüchern ca. ½ Milliarde DM ausgeben mußten. Danach seien weitere Druckwerke hergestellt worden. Die Kosten dürften sich daher im Milliardenbereich bewegen, die sich allerdings auf Steuern und privates Volksvermögen verteilten. Noch ärgerlicher empfinde Ickler jedoch die Vergeudung von Wissen und Kompetenz sowie die Ungewißheit, in die alles geraten sei. Die Rechtschreibung wäre geregelt gewesen und sie bedurfte keiner Bearbeitung. Die Schande liege darin, etwas so Abseitiges und Absurdes gegen jede Vernunft durchzuboxen.

Menschen, ob Lehrer oder Schüler, die bewußt das objektiv Falsche und grammatisch Fehlerhafte unterrichten oder auch praktizieren müßten, bei denen könne sich nur ein Mißmut einstellen sowohl über die Politiker, die ihnen das eingebrockt hätten als auch über die Sprache, der sie sich entfremdet fühlten. Das könne nicht gutgehen. Das habe er immer hervorheben wollen. Es ginge nicht um Einzelheiten dieser oder jener Schreibung, die man eventuell reparieren könnte, sondern dies sei ein Angriff auf die sprachliche Intuition. Es bildeten sich ja beim Schreiben und vor allem beim Lesen Intuitionen über die grammatischen Ordnungen und Klassen der Wörter. Man habe dann für alles ein Gefühl, wie das alles organisiert sei. Und diese Intuition werde von Grund auf zerrüttet, wenn man Tag für Tag gezwungen sei, das Falsche zu lesen oder zu schreiben oder gar zu unterrichten. Die Lehrer seien ja in der allerschlimmsten Lage, weil sie gehorchen müßten. Die Hochschullehrer (wie er) könnten sich die Freiheit nehmen, mit der bisherigen Schreibung weiter zu arbeiten und auch von den Studenten verlangen, daß sie die bisherige Schreibung verwenden.

Wenn also ab August 2005 für Schulen die neuen Regeln gelten, dann hofften die Reformgegner auf gerichtliche Klagen bei folgenschweren Beurteilungen wegen Nichtbeherrschung der neuen Regeln. Richter müßten die Frage beantworten, könne jemand z. B. deshalb durchfallen, weil er so schreibe, wie unsere Schriftsteller schrieben und alle seriösen Bücher gedruckt würden?

Die Frage Bogdahns am Ende der Sendung „Ist eine Reform der Reform noch vorstellbar? beantwortete Ickler:

„Nein, auf der Grundlage der Reform ist keine Verbesserung und keine durchgreifende Korrektur möglich. Man muß einfach von der bisherigen Rechtschreibung ausgehen und versuchen, sie in einer möglichst faßlichen Weise darzustellen und im Vertrauen darauf, daß das Bessere siegen wird, weiter zu praktizieren.“

 



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