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Sprache / Rechtschreibreform / Berichte 2004/7 - 12 / 75. Das richtige Wort
 

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Das richtige Wort im Rat für Rechtschreibung 

 

Di. Ulrich Werner Denninger Str. 104 81925 München Tel 089/9240 1114 Fax /9240 1115
@n: post@sprache-werner.info Homepage: www.sprache-werner.info


Herrn Dr. h.c. Hans Zehetmair
Hanns-Seidl-Stiftung

Ihr Schreiben vom 7. Dezember 2004

Sehr geehrter Herr Zehetmair,

Respekt! Sie haben mir geantwortet, obwohl Sie meine Hinweise auf sprachliche Unebenheiten als „Belehrung“ verstandenen und als Zumutung empfunden haben. Blieb Ihnen denn wirklich verborgen, daß ich Ihnen in Sorge um die deutsche Sprache so ausführlich und sachlich begründet geschrieben habe? Die auffällig zunehmende Verflachung und besonders die durch die Rechtschreibreform verursachte Misere der deutschen Sprache ist auffällig. Deshalb scheint es mir unangemessen, meine Darlegungen als „nach sprachlicher Rechthaberei klingende Mitteilungen“ zu bezeichnen. Ihre unsachliche und unbegründete Abwertung meiner Ausführungen veranlaßt mich zu zweifeln, ob ich Ihnen weiterhin Kompetenz in Sachen Sprache zubilligen kann.

Ihre Bitte, ausgerechnet ich solle über die Floskel „ich gehe davon aus“ nachdenken, ist absurd. Schon oberflächliches Lesen meines Briefes und der Blick auf die auffällig gestalteten Links auf meine Homepage, lassen ohne weiteres erkennen, daß ich dort keine Werbung, etwa für Waschmittel, bereit halte, sondern Sprachinformationen anbiete. Auf den Seiten meiner Homepage werden nicht Sprechblasen erzeugt, sondern es wird deren Gebrauch erläutert und kritisiert. Schablonendenken, das Sie offenbaren, mag Diskussionen verkürzen oder verhindern, Erkenntnisse vermittelt es nicht. Informationen dagegen, z. B. über das Internet leicht zu erhalten, können das Denken versachlichen. Wer diese Quelle nicht nutzt, ist ein Ignorant, überheblich oder vom Stand der Technik unberührt.

Meine Nachdenkperiode über die deutsche Sprache begann 1962. Und die Ihre? In meiner Homepage hätten Sie erfahren können, wie intensiv ich über die Sprache „nachgedacht“ habe, zunächst 30 Jahre lang als Prüfer im Deutschen Patentamt. Dort benutzte ich die Sprache als wichtiges Werkzeug, um Ausschließungsrechte zu formulieren. Unklare Ausdrücke, Begriffe und Sätze konnten sehr unangenehme finanzielle Folgen für den Patentinhaber und die Öffentlichkeit haben. Weitere 12 Jahre befaßte ich mich mit dem Verfassen und Pflegen meiner Sprachseiten im Internet. Speziell der Verflachung und der Verhunzung der Sprache galt und gilt meine Aufmerksamkeit. Hierzu gehört, sogar wegen der Häufigkeit im Gebrauch in Favoritenstellung die von Ihnen unbedenklich benutzte Floskel „ich gehe davon aus“. Eine Sprechblase, die einst von Politikern ausgegangen ist (diesmal stimmt das Verb), vergleichbar mit Gerüchen und Lärm, die von einer Stelle ausgehen. Die schnelle Ausbreitung im Sprachgebrauch führte inzwischen zu einer Ausgeh-Epidemie. Sogar Schätzungen betragen nicht mehr (einen bestimmten Wert), nein, sie gehen von bestimmten Werten aus. Ist Ihnen denn diese Nivellierung der Sprache noch nicht aufgefallen? Alle Medien sind voll von Ausgehberichten. Meine Bemühungen werden durch den Duden erschwert, der sich nicht um grammatikalische und semantische Richtigkeit schert, sondern nur die im Sprachgebrauch verwendeten Wörter zählt und nach einer gewissen Zeit im aktuellen Wörterbuch als „gutes Deutsch“ adelt.

Ihren Ausführungen in der F.A.Z. vom 3. Dezember 2004 nach führe die „neue Getrennt- und Zusammenschreibung zum Verlust der semantischen Differenzierungsmöglichkeit und der Ausdrucksvielfalt der Sprache“. Diese Tatsache ist als wesentliches Argument gegen die Rechtschreibreform seit vielen Jahren bekannt (u. a. durch Prof. Ickler und diverse Sprachvereine). Wenn Sie diese Feststellung, der ich zustimme, ernst meinen und wenn sie keine Sprechblase sein soll, warum kanzeln Sie jemanden ab, der sich für die von Ihnen so hoch gehaltenen Eigenschaften der Sprache einsetzt? Warum verteidigen Sie dann eine Schwammfloskel, die nicht nur viele informative Ausdrücke ersetzt, sondern auch meistens einen Sachverhalt vortäuscht, der nicht vorhanden ist? Wenn Sie die semantische Bedeutung der Ausgeh-Floskel zu meiner Überraschung nicht kennen und trotz der Erläuterungen meiner Homepage nicht erkennen wollen oder können, dann weiß ich keinen Rat mehr. Nicht einmal der Duden könnte Ihnen helfen. Dort werden Sie darüber erst recht nicht ausgeklärt.

Weiter schrieben Sie in der F.A.Z.: „Denn die Sprache ist die wichtigste Kommunikation des Menschen, um Kultur zu schaffen und zu leben. Daher sollte auch nicht in Fragen der Schreibung geschludert werden“. Der Schreibung? Stimmt. Die rechte Schreibung kann jedoch ein falsches Wort nicht in ein richtiges verwandeln. Außerdem, zuerst lernt der Mensch sprechen. Beim Sprechen ist es unwichtig, ob „auseinandersetzen“, um Ihr Beispiel zu nennen, zusammen oder getrennt geschrieben wird. Der Sinn geht aus der Betonung und/oder aus dem Kontext hervor. Auch die Worttrennung (Ihr Beispiel „A-bend“) ist beim Sprechen ohne Bedeutung. Dagegen verschleiert „davon ausgehen“, im unpassenden Zusammenhang benutzt, was meistens der Fall ist, beim Sprechen und beim Schreiben den mitzuteilenden Sinn.

Meine „(wirklich (?) nennenswerten Sorgen“, von denen Sie mich irrtümlicherweise verschont glauben, sind die Schlampereien und Sprechblasen in Wort und Schrift, die sich nicht zuletzt durch das Politikerdeutsch ausgebreitet haben. Ich wünsche Ihnen, sehr geehrter Herr Zehetmair, keine unnötigen Sorgen. Doch in Ihrer hoffentlich erfolgreichen Funktion als Vorsitzender des Rates für Rechtschreibung möchte ich Ihnen meine deutlich mitgeteilten Sorgen um die deutsche Sprache ohne Reue zumuten.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Werner

 



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