Sehr geehrter Herr Gast, seien Sie bedankt für Ihre schnelle Antwort. Auch Ihre Einsicht ehrt Sie. Herr Walter hat sich nicht geäußert. Ob er wenigstens einen Blick in meine Webseite riskiert hat, bezweifle ich.
Physiker und technische Laien haben sicher unterschiedliche „Sichtweisen, wenn sie das Wort Quantensprung lesen oder hören, und zwar abhängig von Bildung und Kenntnisstand. Nichtphysiker wissen meistens nicht, was mit einem Quant gemeint ist. Auch den Ereignisort kennen die Quanten-springer nicht, geschweige denn, was ein Quantensprung ist. Aus der Silbe Sprung wird zwangsläufig auf einen großen Sprung geschlossen. Schon gar nicht ist das Quant als unvorstellbar kleine Größe bekannt. Der Physiker dagegen kennt den Ort der Begriffsentstehung, nämlich den subatomaren Bereich und weiß um die Relation der Maße, vor allem, dass der Wert unvorstellbar klein ist.
Bei Ihrem Hinweis, womit Sie offensichtlich Herrn Walters von mir kritisierte Sichtweise bei der Verwendung des speziellen Ausdrucks Quantensprung in Ihrem Artikel zu rechtfertigen versuchen, übersehen Sie die Konsequenzen für die Umgangssprache. Da der Spezialausdruck dort leichtfertig jeweils in völlig anderen Situationen angewendet wird, als sie bei seiner Entdeckung vorlag, halte ich Ihre Sichtweise für bedenklich. „Gewaltige Veränderungen gibt es vielfältig in allen Bereichen von Mensch und Technik. Besonders im privaten Bereich ist die Beurteilung einer „Gewaltigkeit eine höchst persönliche Angelegenheit. Da kann schon mal das Abitur eines Lernbehinderten als Quantensprung empfunden werden oder nach jahrelangen Versuchen, bei der SZ einen Artikel unterzubringen, seine plötzliche Veröffentlichung. Bei der Übertragung des Ausdruckes gibt es keine Grenzen. Die Natur ist voller Quantensprünge. Wir sehen sie nur nicht.
Auf meiner Webseite erhalten Sie einen Eindruck, wo überall gesprungen wird. Auffällig ist das Beispiel aus der AZ/München vom 12.9.2001. Dort wurde der unbegreifliche und grausame Terroranschlag in den USA als "Quantensprung im Terrorismus" bezeichnet. Je öfter Physiker und Scheinspezialisten den Begriff auf andere Sachverhalte übertragen, desto leichter verleiten sie Laien zum Nachplappern. Und je öfter diese Metapher unwidersprochen benutzt wird, desto zahlreicher werden die Anwendungen (Vulkanausbrüche, Erdbeben, Tsunamis, sportliche Leistungen usw.) und desto bedenklicher und absurder die Vergleiche. Wie weit sind wir entfernt davon, die Massen-vergewaltigungen in Indien als Quantensprung bei Gewalt gegen Frauen zu bezeichnen? Absurd ist es auch, von einer Steigerung der Qualität von Folterungen (Morden, Überfällen) zu sprechen. Ein ähnlich missbrauchter Ausdruck ist der „Lackmustext. Auch hierfür finden Sie Erläuterungen auf meiner Webseite. Vielleicht kann ich Sie wenigstens nachdenklich stimmen. Gerade bei Sprachschöpfungen von Experten besteht die Gefahr, dass sie in der Umgangssprache übernommen und wenig später vom Duden als Standardredewendungen geadelt werden.
Nochmals Herr Gast, bitte helfen Sie mit, die Ausdruckskraft und die Differenzierungsmöglichkeiten der deutschen Sprache zu erhalten. Danke.
Alles Gute und freundliche Grüße
Ulrich Werner, am 12.4.2013
C/Herrn Patrick Illinger, SZ Resortleiter Wissen Herrn Walter, MPI
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