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Achtung, Sprachpolizei!
 Wie unsere Sprache zensiert werden soll: mit Verboten und selbstgerechter Sprache
Von Thomas Paulwitz

Deutsche Sprachwelt AUSGABE 26 Winter 2006/07, S. 1
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der DEUTSCHEN SPRACHWELT

 

„Neusprech sollte nicht nur ein Ausdrucksmittel für die … gemäße Weltanschauung und Geisteshaltung bereitstellen, sondern auch alle anderen Denkweisen unmöglich machen. … Dies erreichte man zum Teil durch die Erfindung neuer, hauptsächlich aber durch die Eliminierung unerwünschter Wörter …Wenn Altsprech ein für allemal verdrängt worden war, würde das letzte Bindeglied zur Vergangenheit durchtrennt sein. Die Geschichte war bereits umgeschrieben worden“.

So steht es in den „Grundlagen des Neusprech“, die George Orwell in seinem Buch „1984“ niedergeschrieben hat. Der „Münchner Merkur“ meinte vor einigen Jahren, „Orwell hätte sein berühmtes Buch auch ‚2000‘ nennen können.“ Denn die Anhänger eines Neusprech treiben auch heute noch ihr Unwesen, beispielsweise in Dudens „Deutschem Universalwörterbuch“ (DUW). In der neuesten Auflage (2006) geben die Herausgeber Anweisungen, welche Wörter nicht gebraucht werden sollten.

So ist das „Unkraut“ vernichtet worden. Das Wörterbuch rät, „auf die Bezeichnungen ‚Wildkräuter‘ oder ‚wild wachsende Pflanzen‘“ auszuweichen. Es geht weiter: „Wegen der Anlehnung an die diskriminierende Bezeichnung ‚Neger‘ sollte das Wort ‚Negerkuss‘ ebenfalls vermieden und durch ‚Schokokuss‘ ersetzt werden.“ Und: Das Wort „türken“ sollte, obwohl die Wortgeschichte unklar ist, „im öffentlichen Sprachgebrauch unbedingt vermieden werden“, da es „von türkischstämmigen Mitbürger(inne)n als diskriminierend empfunden“ werde. So solle man auch nicht mehr „Mohammedaner“ sagen, sondern „Moslem“ oder „Muslim“. Das Wort „Rasse“ möge durch „Menschen anderer Hautfarbe“, „Ausländer“ durch „ausländische Mitbürger“ ersetzt werden,  so der Wille der selbsternannten Sprachpolizisten.

Die vermeintlichen Frauenrechtler in der DUW-Wörterbuchredaktion haben außerdem bereits in der Auflage des Jahres 2003 mehr als 5.000 weibliche Formen wie „Bausparerin“ und „Vizeadmiralin“ aufgenommen. Da der Umfang insgesamt nicht zunehmen sollte, mußten im Gegenzug Tausende scheinbar unwichtiger Wörter gestrichen werden. Wie nicht anders zu erwarten verzeichnet das DUW nur noch den Neuschrieb, obwohl die bewährte Rechtschreibung noch in zahlreichen Büchern und Veröffentlichungen anzutreffen ist. „Universal“ ist das Universalwörterbuch damit jedenfalls nicht.

Das Wörterbuch ist kein Einzelfall für Sprachverbote. Unter der Aufsicht des linksextremen Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) will der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), Interessenverband und Gewerkschaft der Journalisten, eine „Sprachfibel“ herausgeben, als „unverzichtbares Werkzeug für den journalistischen Alltag“ und „um die Sprache zu reinigen“. In der Fibel werden Wörter aufgezählt, die verboten sein sollen, weil sie angeblich den „Rassismus“ begünstigen. So will das DISS den Begriff der Rasse „dekonstruieren“, um mit dem Verbot des Wortes „Rasse“ „die Deutung eines gesellschaftlichen Sachverhaltes grundsätzlich zu verändern“. Auch das Wort „Gutmensch“ wollen die Gutmenschen tilgen. Gleichzeitig geben sie Meldebögen zur Denunziation aus. So können wachsame Mitbürger dem DJV die Verwendung verbotener Wörter anzeigen. Die Sprachpolizisten wollen also ein Bevormundungs- und Bespitzelungssystem errichten. Wir sollen aus Angst den Mund halten. Journalisten sollen die Schere schon im eigenen Kopf zuschnappen lassen.

Die „Bibel in gerechter Sprache“, die am diesjährigen Reformationstag veröffentlicht wurde, ist ein weiterer Anschlag der Sprachpolizei auf die deutsche Sprache. 400.000 Euro hat es gekostet, daß mehr als 50 Verfasser über fünf Jahre lang die Bibel umgeschrieben haben. Aus „Vater unser“ werden „Vater und Mutter unser“. Jesus hat nun – historisch falsch – nicht nur Jünger, sondern auch Jüngerinnen. Er verkündet in der Bergpredigt nicht mehr „Ich aber sage euch“, sondern ganz bescheiden und unverbindlich: „Ich lege euch das heute so aus“. Die Propheten dürfen, aus Rücksicht auf die Gefühle der heutigen Juden, Israel nicht mehr ein Strafgericht Gottes androhen: Statt „reif zum Ende“ ist das Volk Israel nur noch „reif“. Aus Gott, dem Herrn, wird „die Heilige“ und „die Ewige“, aus dem Heiligen Geist die „Heilige Geistkraft“. Das „Forum Lebendige Kirche“ bezeichnet diese Entstellung des Gotteswortes denn auch als „Bibel in selbstgerechter Sprache“.

Die sogenannte „Political Correctness“ will Probleme lösen, indem sie Bezeichnungen aus dem Verkehr zu ziehen oder zu verändern versucht. Diese Wortverleugnung erschwert aber das Denken und Sprechen über diese Probleme, so daß sie nicht gelöst, sondern verdrängt werden, bis schließlich das böse Erwachen kommt. Die „Bibel in gerechter Sprache“ mag lächerlich wirken; die Idee jedoch, die dahintersteckt, darf man nicht unterschätzen. Letztlich handelt es sich um den Versuch einer Minderheit, die Mehrheit umzuerziehen.

Was tun? Es ist wichtig, Bestrebungen, unsere Sprache zu manipulieren, sofort im Keim zu ersticken. Das geht nur durch tätigen Widerstand. Die Vernichtung Tausender deutscher Wörter durch die zahllosen Getrenntschreibungen der Rechtschreibreform konnten die Befürworter der traditionellen Rechtschreibung gerade noch abwehren. Sollten Sprachpolizisten versuchen, ein Wort durch Stigmatisierung zu verbieten, sollten wir es erst recht verwenden; nicht nur, um das Wort zu retten, sondern auch, um das Denken über schwierige Sachverhalte weiterhin zu ermöglichen. Das ist gut für Neger, Zigeuner, Ausländer und Gott, den Herrn.

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