Noch heute treten österreichische Fußballer keine Ecke, sondern schießen eine „Corner, der „Goalkeeper hält dann den Ball oder nicht, und wenn es zu „Hands, also einem Handspiel im Strafraum kommt, gibt es einen „Penalty, einen „Strafstoß. In der deutschen Bundesliga sind diese englischen Ausdrücke hingegen völlig unbekannt. Wie kommt das?
Schuld daran ist der Braunschweiger Gymnasiallehrer Konrad Koch. In der Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins veröffentlichte er im Jahr 1903 den Artikel „Deutsche Kunstausdrücke des Fußballspieles, in dem er dazu aufrief, „englische Kunstausdrücke von den Spielplätzen zu verbannen. Daneben gab er gleich eine Liste von Verdeutschungen an, in der er „abseits für „offside, „Anstoß für „kick-off, „Strafstoß für „penalty kick oder „Ecke für „corner vorschlug. Die Begriffe setzten sich durch, das Spiel war auch in der Sprache des Volkes angekommen.
„Der Einfluß des Englischen auf die deutsche Fußballsprache ist bis heute recht gering geblieben, stellt der Sprachwissenschaftler Armin Burkhardt fest. Der Germanistikprofessor hat pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft ein „Wörterbuch der Fußballsprache veröffentlicht. Obwohl das Spiel aus England nach Deutschland gelangte, liegt der Englisch-Anteil am deutschen Fußballwortschatz bei nur einem Prozent, hat Burkhardt herausgefunden, der auch dem Hauptvorstand der Gesellschaft für deutsche Sprache angehört.
Er unterscheidet zwischen der Fußballfachsprache, also der Sprache der Regelbücher (Seitenlinie, Eckstoß, Feldverweis), dem Fußballjargon, also der Sprache der Fußballspieler (Pille, Fliegenfänger, versemmeln), und der Sprache der Fußballberichterstattung (Fußballgott, Rumpelfußball, Fahrstuhlmannschaft). Dazu kommt die Sprache der eingefleischten Fußballanhänger (Allesfahrer, Blockfahne). In der Praxis vermischen sich diese vier Bereiche freilich.
Ein Seminar über „Sprache und Sport, das Burkhardt an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hielt, war der Auslöser für das Wörterbuch. „Ich dachte schon, daß 200 Begriffe zusammenkommen, aber dann hat mich die Vielfalt, der Umfang der Fußballsprache doch überrascht, gesteht Burkhardt. 2.200 Stichwörter sind es letztlich geworden, von A wie abblocken bis Z wie Zweitligist. Als Quellen für die Belege dienten verschiedene Zeitungen und Sportzeitschriften und Netzseiten, die über Fußballspiele berichten.
Beim Schmökern in den Einträgen gehen dem Leser einige Lichter auf. Wußten Sie zum Beispiel, woher der Ausdruck „Kantersieg stammt? Es handelt sich um eine Metapher aus dem Reitsport. Der „Canterbury gallop war die Gangart der nach Canterbury reitenden Pilger: ein kurzer, leichter Galopp. Ein Kantersieg ist also ein müheloser Sieg.
Die Einträge sind nach einem durchgängigen Grundsatz aufgebaut: Vor der Beschreibung der eigentlichen Bedeutung eines Wortes schreibt Burkhardt erst einmal, was es nicht bedeutet, also: „einnicken; keine Folge von Müdigkeit, sondern: den heranfliegenden Ball durch einen Kopfstoß ins Tor befördern, oder: „köpfen; nicht die Arbeit des Henkers, sondern: den Ball mit dem Kopf so stoßen, daß er seine Flughöhe oder richtung ändert, oder: „sich bedanken; kein förmliches Anerkennen einer Wohltat, aber: Fehler gegnerischer Spieler ausnutzen. Diese Art des Aufbaus tut dem Buch gut. Es ist dadurch nicht nur lockerer zu lesen, sondern weckt auch Bezüge zu anderen möglichen Bedeutungen und macht auf diese Weise die Vielfalt und Kraft der deutschen Sprache bewußt. Fremdsprachlern bietet das Buch den Vorzug, daß es Wörter erklärt, deren Bedeutung in den üblichen Wörterbüchern nicht verzeichnet ist.
Wer Anregungen für den Sprachwissenschaftler hat oder Begriffe in dessen Wörterbuch vermißt, kann sich mittels elektronischer Post an ihn wenden: armin.burkhardt@gse-w.uni-magdeburg.de
Armin Burkhardt, Wörterbuch der Fußballsprache, Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2006, 360 Seiten, 14,90 Euro.
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