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Sprache / Deutsche Sprachwelt DSW / D.Scharz-Rot-Gold
 

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Schwarz-Rot-Gold tut gut
 Fußball-WM: Wie eine Anglizismuswelle im Fahnenmeer verebbte
von Thomas Paulwitz

Deutsche Sprachwelt AUSGABE 24 Sommer 2006, S. 1
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der DEUTSCHEN SPRACHWELT

 

Deutschland ist Weltmeister; und das in gleich zwei Wettbewerben: beim Verwenden von Anglizismen und beim Feiern in Nationalfarben. Diesen Eindruck haben die vergangenen Wochen vermittelt, in denen die Fußballweltmeisterschaft über das Land gekommen ist. Diese beiden Weltmeistertitel könnten keine unterschiedlicheren Auswirkungen haben. Während auf der einen Seite die Flut dümmlicher Anglizismen ein schier unerträgliches Maß an Sprachverleugnung offenbarte, öffnet das neue Bekenntnis zu Schwarz-Rot-Gold auf der anderen Seite ein Tor, endlich dem deutschen Sprachkummer zu entkommen.

Bevor jedoch die Fahnen der Deutschen flatterten, hämmerten die üblichen Verdächtigen in beispielloser Wucht mit Dummdenglisch auf das Volk ein. „It’s your Heimspiel“ erklärte Coca Cola den Deutschen. Kick-Offs (Einführungsveranstaltungen) bereiteten deutsche Volunteers (Freiwillige) auf den Ansturm von Fußballfreunden aus aller Welt vor. Für deutsche Fans gab es überall Shirts zu kaufen, auf denen die Schriftzüge Germany und Football prangten, und mit denen sie sich dann zum Fußballgucken in Public Viewing Areas (Öffentliche Schauplätze) begeben sollten, denn über das Ticketing (Kartenverkauf) gelangten ohnehin nur Auserwählte in die Stadien. Die Welt zu Gast bei Anglizismenfreunden, konnten die Gäste denken, teils spöttelnd, teils gleichgültig, teils verwundert, aber sicher nicht bewundernd.

Iris Hanika beklagte am 13. Juni in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, daß die Herzogenauracher Sportartikelhersteller Adidas und Puma weder Deutsch noch Englisch richtig können. Adidas werbe in falschem Englisch mit „impossible is nothing“, Puma in falschem Deutsch mit „Willkommen zum Fußball“ – Puma scheint zuerst auf englisch zu denken („welcome to“), um es dann in schlechtes Deutsch zu übertragen: Besser wäre „Willkommen beim Fußball(spiel)“ gewesen. Hanika rätselte: „Vermutlich steht hinter dieser Werbeparole nicht der Gedanke, daß Ausländer sowieso immer falsch Deutsch sprechen, sondern, ganz im Gegenteil, der, daß es Ausländern gegenüber anmaßend wäre, richtig Deutsch zu sprechen, wo das denen doch solche Schwierigkeiten bereitet.“

Was mögen wohl die 100.000 englischen Fußballanhänger, die sich nach Deutschland aufgemacht hatten, über diese Sprachpanschereien gedacht haben? Viele Engländer hatten sich vor ihrem Besuch mühsam ein paar Brocken Deutsch angeeignet, sogar mit der Unterstützung zahlreicher Boulevardblätter. Dies ist beachtlich, da 62 Prozent der Engländer keine Fremdsprachenkenntnisse besitzen, wie eine Untersuchung vor kurzem herausfand.

Die Sprecher in Hörfunk und Fernsehen mühten sich unterdessen, möglichst weltmännisch aufzutreten. So nahmen sie sogar die Gefahr in Kauf, sich die Zunge zu verknoten, nur um Tobago möglichst englisch als „Toubäigou“ auszusprechen. Eine Veranstaltung in Bochum mit Großbildleinwand trug den provinziellen Titel „Feel the Spiel“.

Doch irgendwann kippte das alberne Bild, das die Deutschen der Weltöffentlichkeit boten. Es begann zunächst ganz unverdächtig mit dem üblichen Dummdenglisch: „City Dressing“ hieß plötzlich das Zauberwort – nein, es handelte sich nicht um eine neue Salatsoße, sondern um das Schmücken der Städte mit Fahnen. Wehten zunächst im Viertel nur die zwei einsamen Deutschlandfahnen, die dort immer hingen, so zeigte allmählich ein Haus nach dem anderen die Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold. Die Farbenpracht griff über auf zahllose Fahrzeuge, an denen stolze Besitzer ihre Fähnchen befestigten. In unbekümmertem Selbstbewußtsein bekannten die Deutschen auf einmal Farbe – für andere Länder selbstverständlich, für Deutschland außergewöhnlich.

Was hat die Wiedergeburt von Schwarz-Rot-Gold mit der deutschen Sprache zu tun? Wenn sich Deutschland aus seiner nationalen Verkrampfung löst, dann hat das Vorteile für die gesamte deutsche Sprachgemeinschaft. Wer ohne Scheu seine Farben zeigen kann, der kann auch ohne Furcht zu sich selbst und seiner Sprache stehen. Sicher werden nach der Fußball-WM fast alle Fahnen wieder eingepackt; doch ein unsichtbarer Bann scheint dauerhaft gebrochen worden zu sein.

Eine weitere Erkenntnis bleibt: Nicht die Medien, nicht die Wirtschaftsunternehmen, nicht die Politiker haben diese Normalisierung bewirkt, sondern der gemeine Bürger. Während die Sprachbeeinflusser ihren Englischwahn munter weitertrieben, hat das Volk begonnen, zu seiner Identität zu finden. Das wird der deutschen Sprache guttun. Nicht heute, aber vielleicht morgen.

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