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Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Das deutsche Titelwesen XXXXXXXXXXXXXXXX / Der Fall 'Köhler'
 

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Der Fall „Kristina Köhler"

 Dr. phil., 2009, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

 

Wäre sie doch nur „einfache“ Abgeordnete geblieben, dann hätte die junge Frau Doktor der Philosophie (32), in ihrem Wahlkreis seit Februar 2009 weiterhin mit dem Nimbus einer Promovierten (weiß, kann und leistet mehr) auftreten können. Doch nun, nach dem überraschenden Aufstieg in die hohe Betätigungsebene einer Ministerin sieht sie sich plötzlich einer Diskussion ausgesetzt, die alles andere als imagefördernd ist. Die näheren Umstände beim  Erwerb des Doktortitels haben Spekulationen über eventuell unerlaubte Hilfe ausgelöst.

So schrieb Thorsten Denkler in der SZ vom 30.11.2009 über

“Das schwarze Netz von Frau Doktor“

„Ohne ihr Netzwerk aus Uni, Politik und privatem Umfeld wäre die Ministerin nicht Frau Doktor.“

Weiter schrieb Denkler

„Im Februar war Köhler noch eine eher unbedeutende Bundestagsabgeordnete der CDU. Eine Hinterbänklerin mit Nachwuchsstatus. Sie fiel zuweilen durch harte Islamkritik auf sowie durch die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus. Hervorgetan hat sie sich als Obfrau der CDU im BND-Untersuchungsausschuss. In der Manier einer radikalen Oppositionellen hat sie ihren damaligen Koalitionspartner und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Ausschuss "gegrillt", wie Teilnehmer berichten.“

So richtigen Wirbel in der Zeitungswelt bewirkte ein Schreiben der international tätigen Anwaltskanzlei „White & Case“ vom 22.12. an Herrn Kai Diekmann von der Bildredaktion, worin in vorauseilender Abwehr auf das nicht zu beanstandende Promotionsverfahren von Frau Köhler hingewiesen und vor einer „nicht rechtskonformen Berichterstattung“ gewarnt wird. Es war wohl mehr als ein Zufall, dass der Verlobte von Frau Köhler, Ole Schröder, in dieser Kanzlei bis zu seiner Ernennung zum Staatssekretär im Innenministerium tätig war.

Der ziemlich überraschte Kai Diekmann schrieb der so massiv in Schutz genommenen Frau Köhler am 29.12.2009 mit einer Anrede, bei der nicht erkennbar ist, ob sie devot oder ironisch gemeint ist:

Sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Frau Dr. Köhler,

da weiß ich nun wirklich nicht mehr, was wir diesmal falsch gemacht haben: Da bitten wir im Zusammenhang mit der Entstehung Ihrer Doktorarbeit ganz ordnungsgemäß im Ministerium um eine Stellungnahme,  bekommen auch eine ordentliche Antwort, Sie machen sich dann sogar selbst die Mühe, mich noch einmal direkt anzurufen - und jetzt das? Kurz vor Weihnachten? Dem Fest der Liebe? Dieser Brief? Ein Anwalt der uns droht?

Ich zitiere mal kurz: “Wir machen Sie bereits jetzt darauf aufmerksam, dass wir beauftragt wurden, mit allen rechtlichen Mitteln, einschließlich einer Gegendarstellung, gegen eine unzulässige, rechtswidrige oder tendenziöse Berichterstattung vorzugehen. Dies schließt insbesondere die Geltendmachung von Schmerzensgeld ein, dessen Höhe - wie Ihnen bekannt sein durfte - inzwischen durchaus höhere sechsstellige Beträge erreichen kann.”

Aha. Nun gut, Frau Ministerin. Wenn das so ist, eine kleine Bitte: einfach beim nächsten Mal nicht mich, sondern gleich die Rechtsabteilung anrufen. Und zum nächsten Interview schicken wir dann lieber Juristen, statt Journalisten. Einverstanden?

Über die ungewöhnliche Androhung von Schmerzensgeld bis zu einer Höhe im sechsstelligen Bereich berichtete die SZ berichtete Thorsten Denkler am 29. und 30.12. unter den Titeln

"Köhler gegen Diekmann – Frau Doktor hat Ärger mit „Bild“  bzw

„Frau Doktor schickt den Anwalt“ – Streit wegen einer Recherche von „Bild“ zum akademischen Titel der Ministerin Köhler (Thorsten Denkler).

Da hatte wohl „Bild“ etwas zu viel recherchiert und einiges herausgefunden, wovon so mancher Dissertant nur träumen kann. Für ihre 303 Seiten lange Dissertation mit dem Titel „Gerechtigkeit als Gleichheit? Eine empirische Analyse der objektiven und subjektiven Responsivität (Erklärung unten) von Bundestagsabgeordneten" ließ sich Frau Köhler mit Billigung ihres Doktorvaters Jürgen Falter durch durch einen seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter entlasten, den sie für einige Hilfsdienste bezahlte. Das Anlegen von Inhaltsverzeichnissen, das Setzen von Fußnoten und das Vollenden des Quellenverzeichnisses sei zwar rechtlich unstrittig, aber es stimmt schon nachdenklich zu erfahren, dass Frau Köhler für ihre Untersuchung 5 Jahre lang eine erheblich Zahl von CDU-Abgeordneten und CDU-Mitgliedern zum Thema befragen musste, inwieweit die Wertevorstellungen der Gruppen übereinstimmen, und das neben ihrer Tätigkeit als Abgeordnete, die sich auch noch um ihre Wähler kümmert. Da war eine Fragebogenaktion der Bundestagsgeschäftsstelle der CDU höchst willkommen.

Die öffentliche Diskussion setzte sich auch in der Frankfurter Rundschau – online.de am 16.2. mit dem Artikel „Dr. Kristina Köhler und ihre Helfer“ von Matthias Thieme fort. Dort zitierte Thieme

die Süddeutschen Zeitung: „Das sei eingekaufter Luxus, von dem andere Doktoranten nur träumen könnten“

und den Deutschlandfunk: „Köhler habe eine mustergültige Typ-II-Arbeit vorgelegt, also ein Werk, das weniger vom Interesse an der wissenschaftlichen Arbeit, sondern mehr von dem Wunsch nach einem akademischen Titel geprägt ist".

Nach zwei Tagen waren in der FR knapp 50 Kommentare zum Thema eingestellt, denen ich am 18.1. folgenden anfügte:

Frau Köhler, Dr. …

Solange die zwei Buchstaben „Dr.“ vor dem Namen in weiten Kreisen der Bevölkerung noch immer als lebenslanges Zeichen für besondere Kompetenz in fast allen Bereichen des Lebens gilt (weiß mehr, kann mehr, leistet mehr), obwohl akademische Grade kein Bestandteil des Namens sind und mangels Angabe der Fachrichtung nicht einmal das Studienfach bekannt ist, werden sich die Menschen auch mit auffälligen wissenschaftlichen Kennzeichen, vor allem dem Doktorgrad (–titel) zu schmücken versuchen. Dazu werden nicht nur legale, sondern nicht selten auch unlautere Mittel (Bestechung, Bezahlung, Betrug, Verschleierung) angewendet.

Der immer wieder angeprangerte Missbrauch würde schnell aufhören, wenn der Doktorgrad nicht nur, wie von Schäuble vor zwei Jahren vorgesehen und von Beckstein verhindert nicht mehr im Pass in der Namenszeile angeführt würde, sondern vor allem auch öffentlich verwendete akademische Grade grundsätzlich hinter dem Namen, und zwar vollständig, sowie mit Angabe der verleihenden Universität, dem Jahr des Erwerbs und der Fundstelle der Veröffentlichung genannt werden müssten.

Denselben Text schickte ich auch als Leserbrief an die Frankfurter Runbdschau FR-online.de.

Ulrich Werner

Responsibiltät = "Rückkopplung des politischen Handelns... der Repräsentanten an die Interessen der von ihnen... repräsentierten Menschen".

Links:
Titelwesen in Deutschland
Macht und Schein der Titel

 



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