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Der Lackmustest und der digitale Rundfunk

 im Artikel „Goldene Antenne“

SZ vom 8.7.2010, S. 15

Der Lackmustest im Artikel „Goldene Antenne“, SZ vom 8.7.2010, S. 15

Sehr geehrter Herr Reimers,

mit Ihrem Ausspruch „Das ist jetzt der Lackmustest“, vorausgesetzt, das Zitat ist in  der richtig wiedergegeben, verwenden Sie einen Fachbegriff, dessen Bedeutung Sie offenbar nicht kennen. Das pflegen Halbgebildete zu tun, die sich mit Fachausdrücken brüsten wollen. Denn dieser Begriff bezeichnet einen in der Chemie gebräuchlichen Test des pH-Werts einer Substanz mit Hilfe des Farbstoffes Lackmus. Der pH-Wert ist ein Maß für die Stärke der sauren bzw. basischen Wirkung einer wässrigen Lösung. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der „Lackmustest“ eine typische Laien-Metapher wie der „Quantensprung“ für einen großen Fortschritt (Meilenstein).

Ich halte es für bedenklich, Spezialbegriffe aus der Naturwissenschaft für völlig sachfremde Situationen zu verwenden. Die Nachahmung ist garantiert. besonders wenn sie von einem Fachmann benutzt werden. Meistens merken die Metapheristen nicht, welche semantischen Purzelbäume sie schlagen. Im vorliegenden Fall ist es ein besonders großer. Die Säurewirkung einer Substanz mit dem digitalen Rundfunk zu vergleichen ist absurd. Analog könnten Löcher in einem Balken als Lackmustest für die Tätigkeit von Holzwürmern bezeichnet werden. Oder ganz krass: Die Häufigkeit derartiger Verwendungen von Metaphern wie „Lackmustest“ und „Quantensprung“ ist ein Lackmustest für den Bildungsmangel eines „Gebildeten“. Der Ausdruck “Test“ klingt zwar banal, er wäre aber eindeutig und richtig. Nachdem Ich Ihre akademischen Grade, Titel und Leistungen erfahren hatte, konnte ich nur den Kopf schütteln.

Informationen zum Lackmustest: http://www.sprache-werner.info/index.php?id=31707.

Mit freundlichen Grüße

Ulrich Werner
am 10.7.2010

Herr Reimersantwortete am 14.7.10:

Sehr geehrter Herr Werner,

ich danke ihnen für Ihre freundliche E-Mail. Ich gestehe allerdings, dass ich mich über Ihre Wortwahl ein wenig wundere. Begriffe wie „Halbgebildete“ kommen mir nur sehr schwer über die Tastatur – schon deswegen, weil ich nicht weiß, wie schmal das Bildungsniveau derer sein mag, die sich selber als Gebildete identifizieren möchten. Wo beginnt, wo endet Bildung? Und über einen anderen Menschen den Kopf zu schütteln, ist auch nicht mein Ding – schon gar nicht , wenn ich diesen anderen Menschen in der Vielfalt seiner Eigenschaften und Verhaltensweisen nicht kenne und nur ein einziges Wort der Anlass für diese Kopfschütteln sein könnte.

Ich bin nicht Leser der Süddeutschen Zeitung und weiß daher nicht, was Sie dort lesen konnten.

Der Lackmustest ist mir allein schon deshalb wohlbekannt, weil ich als glücklicher Besitzer eines Gartenteiches dessen pH-Wert regelmäßig überprüfe.

Mit besten Grüßen,

Ulrich Reimers

Prof. Dr.-Ing. Ulrich H. Reimers
Institut fuer Nachrichtentechnik
{Institute for Communications Technology}
Technische Universitaet Braunschweig
{Braunschweig Technical University}
Schleinitzstrasse 22
38106 Braunschweig
Germany

Meine Antwort am 17.7.2010

Sehr geehrter Herr Reimers,

es spricht für Sie, dass Sie meinen kritischen Brief mit so freundlichen Worten beantwortet haben, obwohl er Sie auch noch unangenehm berührt hat. Beleidigen wollte ich Sie keinesfalls. Offenbar deuten Sie einige Begriffe anders als Ich. 

Sie „wundern sich über meine Wortwahl“. Wundern? Nichts anderes meinte ich mit dem Ausdruck „Kopfschütteln“, als ich den Fehlgriff mit dem Lackmustest vor dem Hintergrund ihrer akademischen Laufbahn betrachtete. „Sich wundern „ und „Kopf schütteln“ bedeuten dasselbe (lt. Wörterbücher von Duden, Bertelsmann und Wahrig). Kopfschütteln ist eine Geste des Sich-wunderns. Man könnte auch sagen, wer sich wundert, schüttelt gedanklich der Kopf.

Ihre Hemmung, den Ausdruck „Halbgebildete“  zu verwenden, ist unbegründet. Nach allgemeinem Sprachgebrauch sind dies Menschen, die nur über ungenügende Bildung oder über unverarbeitetes Wissen verfügen (aus Wahrig Deutsches Wörterbuch). Von solchen Leuten wimmelt es in unserem  Land, ob mit niedrigem (das meinen Sie doch statt schmalem?) oder mit hohem Bildungsniveau. Gleich, welches Bildungsniveau der Beurteilte erlangt haben sollte, als Anlass für „sich wundern“ (= Kopfschütteln) dient in der Regel ein spezielles Fehlverhalten oder schon nur ein einziges unpassendes Wort, nicht gleich die Person insgesamt. So auch Im vorliegenden Fall. Meine Verwunderung galt also der Verwendung des Wortes „Lackmustest“ von jemanden, dessen nachträglich festgestellter akademischer Werdegang ein überdurchschnittliches Bildungsniveau vermuten ließ. Ich halte es für legitim, das Verhalten eines Gebildeten mit dem eines Halbgebildeten zu vergleichen und zu bewerten. Da spielt es keine Rolle, wo Bildung anfängt und wo sie aufhört, wie Sie fragen.

In der genannten Ausgabe der SZ vom 8.6.2010 werden Sie im 3. Absatz wie folgt zitiert:

„Das ist jetzt der Lackmustest“, sagt KEF-Mitglied Ulrich Reimers. Entweder terrestrisches digitales Radio komme bald – oder gar nicht mehr.

Ich halte es für unwahrscheinlich, dass der Autor des Artikels, Simon Feldner, Ihnen den Ausdruck Lackmustest angedichtet hat. Da Sie einräumen, den Begriff zu kennen, fühle ich mich in meinen im 2. Absatz der E-Mail geäußerten Bedenken bestätigt. Benutzer einer „Ignorantenmetapher“ (sie kennen die Bedeutung der Metapher und verwenden sie irreführend) fördern sogar bewusst das Sprechblasen- und Floskeldeutsch.

Es freut mich für Sie, durch einen Gartenteich die Lebensqualität verbessern zu können. Enttäuscht bin jedoch über den Mangel an Bereitschaft, künftig Metaphern  mit Bedacht zu wählen. Vielleicht wagen Sie doch einmal einen Blick in die Website eines normalen Hochschulabsolventen (Suchbegriff bei Google: sprache werner.

Bitte helfen Sie mit, die Ausdruckskraft und die Differenzierungsmöglichkeiten der deutschen Sprache zu erhalten.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Werner



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