Am 31. Oktober klopfte es so heftig an meiner Tür, daß ich dachte, es würden 95 Thesen an sie genagelt genau 490 Jahre nach dem folgenschweren Ereignis in Wittenberg. Als ich die Tür öffnete, rief man mir „Hallo Wien oder so ähnlich zu und „trick or triet. Nachdem ich erwiderte, weder der genannte Herr zu sein noch ihn zu kennen, erklärte man mir, was es mit dem ganzen „Zauber auf sich habe.
So so, das ist also aus dem Reformationstag geworden! Abgelöst, wie andere Bräuche auch, durch Halloween. Doch auch die Sprache wird durch diesen angelsächsischen Totenkult ausgehöhlt wie die vielen Kürbisköpfe. Damals schuf Luther die moderne deutsche Sprache, indem er dem Volk aufs Maul schaute dem deutschen, nicht dem englischen! Er schuf Sprichwörter wie „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein und prägte Redewendungen wie „auf eigene Faust oder „für immer und ewig. Heute jedoch werde ich beim Halloween-Event von unseren Kids mit trick or treat begrüßt wahrhaftig keine kulturelle Bereicherung! Ob die Kinder (und ihre Eltern) wissen, was sie da tun? Und die Kirche? Sie jedenfalls sollte „ihr Scherflein dazu beitragen (auch ein Luther-Wort!), dem Spuk ein Ende zu bereiten.
Doch da kommen leichte Zweifel in mir auf, ist es doch die Kirche, die sich besonders von dieser Sprache hat einwickeln lassen. So ist zu befürchten, daß am Heiligen Abend nicht das Christkind kommt, sondern es wieder an der Tür klopft, und der Coca-Cola-Weihnachtsmann oder Santa Claus stehen davor und wünschen mir „Merry X-mas, während Rudolph the red-nosed Reindeer im Wettstreit mit Miss Christmas „Jingle Bells trällert.
Um dem zuvorzukommen, wünschen Ihnen die Mitarbeiter der DEUTSCHEN SPRACHWELT schon jetzt ein glückliches neues Jahr, Gesundheit und alles Gute!
Ihr Anglizismenmuffel Wolfgang Hildebrandt
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