Beim Jungvolk
Mit 10 Jahren war die Mitgliedschaft beim Jungvolk Pflicht. Ein- bis dreimal Dienst pro Woche brachte eine gewisse Ordnung in den Wochenablauf. Um den religiös orientierten Jugendlichen, besonders den Katholiken den Besuch des Gottesdienstes am Sonntag zu erschweren, war der Dienst am Tag des Herrn schon um 9 Uhr angesetzt. War wieder nichts mit dem längeren Schlafen, das wir uns während der Schulzeit, auch am Samstag, immer wünschten. Wir gingen also in Uniform zur Messe und gleich danach zum Dienst. Unangenehme Erinnerungen an die „Hitlerzeit sind mir dennoch nicht bewußt. Wahrscheinlich haben wird im Sommer bei schönem Wetter gejammert, weil wir nicht ins Schwimmbad gehen konnten. Irgendwie hat uns das ganze Theater aber Spaß gemacht. Wir waren mit Freunden aus der Klasse und der Nachbarschaft zusammen. Es wurde Sport getrieben, Zeltlager in relativ weiter Entfernung vom Wohnort aufgeschlagen, nicht ohne das erste Heimweg als Siebenjähriger zu erleben. Geländespiele fanden statt und Stammappelle, an bestimmten Gedenktagen der „Bewegung" mit Fackeln. An diesen Abenden im November hoffte jeder mit glänzenden Augen, befördert zu werden. Schüler einer höheren Schule hatten da bessere Chancen als Volksschüler.
Stottern
Ausgerechnet jetzt, im Alter von 12 Jahren, fing ich an zu stottern. Als Rottenführer mußte ich die Pimpfe meiner Rotte benachrichtigen, wenn es einen neuen Termin für den nächsten Dienst gab. Telefon gehörte nicht zur Standardausrüstung einer Familie. Vor jeder Wohnungstür hatte ich Angst, stockte meine Stimme. Doch was erleichterte den Beginn der Rede? Ausgerechnet der "Deutsche Gruß". Dieses "Heil Hitler" war mein Erlösung. Leider konnte ich in der Schule Antworten nicht auf gleiche Weise beginnen. Mein Bedürfnis, mich mit dem bekannten Fingerschnippen zu melden, wurde immer geringer. Im Notfall, also bei Aufruf brummte ich ein wenig, um das erste Wort herauszubringen, der Rest des Satzes sprudelte dann normal heraus. 40 Jahre später fand eine Neurologin in München im Zusammenhang mit Angsträumen, die mich plagten, die Erklärung: Es war der autoritäre Onkel, der auch noch den älteren Bruder zum Lieblingsneffen erkoren hatte. Seit die dieser Erkenntnis habe ich keine Angstträume mehr.
Bei der Hitlerjugend (HJ) Nach vier Jahren Jungvolk wurden wir als 14-Jährige in die Hitlerjugend (HJ) übernommen, die analog dem Jungvolk organisiert war. Mein Stottern verschwand so plötzlich wie es gekommen war, ohne Therapie. Der Aufstieg in die höhere Altergruppe war zwangsläufig mit innerer Genugtuung verbunden. In der Wikipedia heißt es zwar, die Aufgabe der Hitler-Jugend habe darin bestanden, „die Kinder bzw. Jugendlichen im Sinne der herrschenden nationalsozialistischen Ideologie zu erziehen und zu beeinflussen. Entweder waren wir so blöd, um das zu merken, oder es fand in der Kleinstadt von 30 000 Einwohnern nicht statt. Auch den „Alltag in der Hitler-Jugend, als „militärisch organisiert bezeichnet, empfanden wir nicht so unangenehm, wie es die Bezeichnung vermuten läßt. Es gab keinen „täglichen Stundenplan, wie in Wikipedia ausgeführt wird. Exerzieren, Sport, Schießübungen, Fahnenappelle, Geländemärsche und Zeltlager lagen meistens im Ermessen der einzelnen „Führer und fanden jedenfalls bei uns in Hirschberg ziemlich selten statt.
Politik? - Technik
An eine politische Beeinflussung kann ich mich nicht erinnern. Im Gegenteil, das Interesse vieler Jugendlicher für die Technik wurde durch das Angebot spezieller fachlich ausgerichteter Abteilungen innerhalb der HJ geweckt und befriedigt. Reiter-, Motor-, Flieger- und Nachrichten-HJ, auch Spielmannzüge für die Musikalischen fanden regen Zulauf. In diesen Gruppen standen die Technik und fachtypische Ausbildung im Vordergrund. Meine Begeisterung für die Marine, also für alles, was mit der Schiffahrt zu tun hat, veranlaßte mich, mit Gleichgesinnten die „Marine-HJ zu gründen, inmitten der Berge. Freudig fuhr ich auf einen 14-tägigen Lehrgang zum Schlesiersee bei Glogau, wo wir morsen, blinken, signalisieren (Flaggen schwenken) und vieles andere lernten, was ein künftiger Seemann wissen muß, auch "pullen", wie das Rudern in der Fachsprache genannt wird.
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