Auf dem sonst üblichen Bildungsweg (Abitur, Studium, Beruf) lagen als Folge des Krieges einige Hemmschwellen. In der 5. Klasse des humanistischen Gymnasiums kam die Anordnung, auf nach Berlin zur „Heimatflak“. Die erste Station war eine Flakbatterie mit 10,5 cm Geschützen in Ahrensfelde-Friedhof im Osten Berlins. Dort „feierte“ ich meinen 16. Geburtstag mit dem Abladen von Munition. Nach dem kleinlauten Hinweis auf meinen Sondertag schickte mich der Unteroffizier zum Kompaniechef, der mir Frei gab. Auf der „Bude“ fand ich Post von meiner Mutter vor. Ich las den Brief und ließ mir den Kuchen schmecken. Ein paar Wochen später wurden wir nach Spandau-Staaken versetzt. Die 8,8 cm Flak-Batterie und eine Scheinwerfer-Batterie lagen genau zwischen den Bahnlinien Berlin –Köln und Berlin-Hamburg, die sich nach dem Bahnhof Berlin-Spandau nach Westen verzweigten. Ein ideal gelegenes Ziel für Luftangriffe. Am 1. Tagesangriff auf Berlin am 1. März 1944 konnten wir dies eindrucksvoll erleben. Die US-Bomberstaffel kam bei klarem Wetter von Osten durch die Sonne getarnt. In Sekundenschnelle waren wir mit Splittern, Staub und Dreck bedeckt. Unser Leben verdankten wir, wie später ermittelt, dem Wind. Er hatte den Bombenteppich etwas abgelenkt und uns verfehlt. Ein nicht weit von mir gefundener ca. 50 cm langer Splitter mit scharfen Kanten und Spitzen ließ das Ausmaß einer Verletzung erahnen, der ich entgangen war. Die dritte Station bei der Luftwaffe erlebte ich westlich von Posen, neben dem Flugplatz von Schroda als Kanonier einer russischen 3,7 cm Flak. Wir hatten einen gemütlichen Unteroffizier, schönes Wetter und ich in einer nahen Kiesgrube Gelegenheit, den Salto rückwärts zu üben. Während der Zeit als Luftwaffenhelfer fand provisorischer Unterricht statt. Je nach Länge der meist spätabends oder nächtlichen Einsätze am Geschütz oder an einem der Komandogeräte begann der Unterricht morgens später oder er fiel aus. Beim Reichsarbeitsdienst (Bäume fällen) vor dem Einsatz in Berlin und danach beim dem Wehrdienst (Kriegsmarine in Kopenhagen) sowie in Gefangenschaft in Brunsbüttelkoog nördlich von Hamburg war jeweils „schulfrei“. Siehe auch
Durch die Abtretung der Ostgebiete an Polen verlor ich meine Heimat in Schlesien. In der Gefangenschaft lernte ich einen Menschenfreund kennen. Der Vater von 2 Söhnen lud mich in seine Familie ein, ohne zu wissen, ob sie noch alle am Leben waren. Sie waren es. Kurz nach seiner Entlassung kam auch ich frei. Mitte September begann somit für mich in Mülheim Ruhr ein neues Leben mit Schulbesuch und Kampf um das tägliche Brot. Mein Bruder, zuletzt in Jugoslawien im Einsatz, fand über einen Bekannten aus der Heimat in Garmisch-Partenkirchen Aufnahme bei einer Älteren Dame mit zwei Töchtern. Wir schickten unsere neuen Adressen an eine Tante in Sachsen. So fanden wir uns nach dem Krieg. Meines Bruders Gönnerin lud auch mich ein, in ihrem Haus zu wohnen. Wieder ein Neubeginn, jetzt, 1946, in Garmisch. Der „Vorsemestervermerk“ reichte auch hier für den Besuch der Abiturklasse in der dortigen Oberschule. Als ehemaliger Gymnasiast mit Griechisch und Vorteil in Latein, aber großen Lücken in Englisch. Meine aus Schlesien ausgewiesene Mutter konnte ich, erkrankt an einer zunächst falsch diagnostizierten feuchten Rippenfellentzündung nach Garmisch holen. Christian Neureuthers Vater, Chirurg am Partenkirchener Krankenhaus punktierte mich und holte 1 ltr. Flüssigkeit aus dem Rippenfell.
Nach dem Abitur begann eine ereignisreiche Zeit bei den Amerikanern. Für deren Armeeangehörige in Deutschland betrieben sie in Garmisch ein Erholungszentrum Recreation Center). Dort fand ich schnell eine Anstellung. Als Verkäufer am Gemüse- und Früchtestand der Commissary hatte ich viel Gelegenheit, mit den Ladys zu sprechen und mein Rückstand in Englisch aufzuholen. Mit den ersten Verdiensten begann ich in München an der Technischen Hochschule (TH) das Studium der Elektrotechnik. Die Semestergebühren wurden mir nur einmal, im ersten, erstattet. Danach lernte ich aus Zeitmangel nur auf Sparflamme (16 Stunden täglich .... Mit dem Hinweis auf das Studium konnte ich schnell die Beschäftigungen wechseln. Fahrer, Heizer, Gärtner, Schneeschippen, Page (bell boy) im Hotel. Die Vordiplomprüfung bestand ich nach dem 4. Semester. Ein besonderes Ergebnis ist mir nicht in Erinnerung.Nur ein sehr positives. Wir Neulinge in diesem riesigen Gebäude der TH kannten uns überhaupt nicht mit dem Lehrprogramm aus. Welche Vorlesungen sollten wir belegen? Deshalb waren wir glücklich über einen vor jedem Semester erhaltenen Belegungsvorschlag, siehe Studienbuch, den wir einfach übernahmen. Die entsprechende Stundenzahl diente auch für die Ermittlung der Semestergebühren.
Im Eibseehotel unterhalb der Zugspitze konnte ich sofort wieder anfangen und bald zum Portier (desk-clerk) aufsteigen. Allerdings verlängerte dies die Fahrzeiten nach München. Der Hotelbus von und nach Garmisch fuhr nur für Gäste. Da ich ja alle kannte, fuhr ich immer als ihr „Gast“ mit. Ein Zeittausch mit einem Kollegen im Hotel machte es möglich, den Studienplan wenigstens teilweise zu erfüllen. 48 Stunden verteilt auf Freitag (24 St.), Samstag (16) und Sonntag (8). Der Freitag fiel somit als Studientag regelmäßig aus. Am Montag schlief ich während der Vorlesungen mit Weckauftrag an den Nachbarn immer wieder ein.
Wieder bangen um das Ergebnis der Diplom-Hauptprüfung Doch eine Spritztour in die Schweiz lenkte ab. "Note 2,6", erfuhr ich später, also gerade noch bestanden. Sofort begann ich die Diplomarbeit (Herstellen einer HF-Kopplung), und 3 Monate später, am 1.9.1953 saß ich in der Fernmeldeabteilung der Fa. Siemens & Halske. Gehalt DM 450.-. Mein Arbeitsgebiet: Projektierung von Wählernebenstellenanlagen im Raum Mittelamerika. Bei der Beratung durch einen Mitarbeiter der Siemens-Patentabteilung wegen einer privaten Erfindung fand ich Interesse am Patentwesen. Die Erfindung lag auf dem elektroakustischen Gebiet. Ich erfand eine Methode, um den Verlauf der Amplitude von z. B. auf dem Klavier gespielten Tönen umzudrehen. Dazu war kein spezielles Gerät erforderlich, sondern nur, das Musikstück rückwärts zu spielen. Die Tonaufnahme musste dann rückwärts abgespielt werden. Damals gab es Tonbandgeräte, die das zuließen. Der Melodieverlauf entsprach nun dem Original, aber jeder einzelne Ton war „verdreht“. Der Effekt war besonders bei Perkussionsinstrumenten deutlich, wo die Töne jeweils schnell laut und langsam leiser werden. Das an sich neue Verfahren endete im Patentgericht. Ich hätte den Patentantrag in gegenständlicher Fassung stellen müssen, wie es bei Spieluhren mit ausgestanzten Noppen üblich ist. Die
Meine Bewerbung im Deutschen Patentamt war erst im Jahre 1961 erfolgreich. Bis dahin lernte ich das Patentwesen bei Siemens von der Anmelderseite kennen, Hier landeten die „Erfindungen“ aus der Technik als Idee, mitgeteilt in zwei/drei Sätzen auf der „Erfindungsmeldung“. Der Stand der Technik war den Erfindern meistens bekannt. Doch beim Ausarbeiten der Patentanmeldung stellte sich oft heraus, dass die Idee zwar gut und erfolgversprechend, aber noch nicht realisierbar war. Außerdem lernte ich hier nicht nur den Aufbau einer Patentanmeldung kennen, wie sie laut Patentgesetz und den Anmeldebestimmungen vorgeschrieben ist, sondern auch den wichtigsten Teil zu formulieren, den Patentanspruch und gegebenenfalls weitere (Unter-)Ansprüche. Das Training nützte mir sehr für meine spätere Arbeit als Prüfer im Deutschen Patentamt. Und jetzt begann die Bekanntschaft eines Diplomierten mit promovierten Kollegen.
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