Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Doktor-Grad, Übersicht / Unwesen: deutsch
 

  < zurück erweiterte Suche Seite drucken
 

Zwischenruf: Unwesen, deutsch
 Antwort auf Aktion gegen die "Bedokterung" des Namens nach deutscher Art

DEUTSCHES ALLGEMEINESSONNTAGS BLATT
UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR POLITIK WIRTSCHAFT KULTUR
Hamburg, den 14. Juli 1977
 

Sehr geehrter Herr Werner,

da ich nicht weiß, ob Sie Leser des DEUTSCHEN ALLGEMEINEN SONNTAGSBLATT sind, möchte ich Ihnen auf diesem Wege mitteilen, daß wir uns über die unkonventionelle Art, mit der Sie gegen die "'Verdokterung' des Namens nach deutscher Art" ankämpfen, sehr gefreut und sie zum Anlass genommen haben, anhand Ihres Materials zu diesem Thema einen "Zwischenruf" zu veröffentlichen. Da ich selbst Träger eines Doktor-Titels bin, fiel die Wahl des Autors auf mich, wobei Sie aus dem anliegenden Artikel unschwer meine Meinung über dieses deutsche Unwesen ersehen können. Sollte Sie dies in Ihrem Kampfesmut bestärken, würde es mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Dirk Bavendamm

Der Artikel von Dirk Bavendamm:

Zwischenruf: Unwesen, deutsch

Herr Doktor" hier, „Frau Professor" da - die Schwäche der Deutschen für Titulaturen, die nur noch von der Titel-Verliebtheit der Österreicher übertroffen wird („Frau Oberkommerzienrat"), ist sattsam bekannt und vielfach als Ausdruck eines angeknacksten Selbstbewußtseins vor der vermeintlichen oder echten Autorität akademischer Würdenträger (und ihrer zumeist titellosen Ehehälften) gedeutet worden. Dabei weist Herr Ulrich Werner aus Ismaning bei München in einem Rundschreiben „an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, den Präsidenten des Deutschen Bundestages, die Rundfunkanstalten und Zeitungen sowie andere, betr. die „Verdokterung des Namens nach deutscher Art" mit Recht darauf hin, daß akademische Grade nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) weder Bestandteile des Namens noch Berufsangaben seien.

Ausgangspunkt dieser Ein-Mann-Bürgerinitiative des Herrn Werner, der damit „die Bildner öffentlicher Meinung" auffordern will, „der Rechtslage entsprechend zu handeln", ist ein Vorfall in der Stadt G. (wie Göttingen), der schon einige Jahre zurückliegt: Während das Geburtsbuch der Stadt G. die Geburt des Kindes A.G. mit dem Zusatz vermerkte, es handele sich bei der Mutter um die „Ehefrau des Arztes, Doktor der Medizin, W.G.", trug der zuständige Standesbeamte in die Geburtsurkunde den Vater lediglich mit dessen Vor- und Familiennamen, Religionsbekenntnis und Wohnort, nicht aber mit dem Doktor-Titel ein. Als der standesbewußte Mediziner dagegen Widerspruch erhob, unterbreitete der aufrechte Beamte die Sache dem Amtsgericht, das die Fassung der Geburtsurkunde für Rechtens erklärte.

Nachdem die Stadt G. als Aufsichtsbehörde dagegen Beschwerde beim Landgericht Göttingen eingelegt hatte, da ein Interesse an einer obergerichtlichen Entscheidung bestehe", verpflichtete dieses den Standesbeamten, die Geburtsurkunde so umzuändern, daß darin auch der akademische Grad des Vaters erscheine. Gegen diesen Beschluß legt die Stadt G. wiederum beim Oberlandesgericht Celle eine Beschwerde ein, das nun dem Standesbeamten recht gab - eine Entscheidung, der schließlich auch der VI. Zivilsenat des BGH beitrat.

Gleichwohl zeugt sich das deutsche Titel-Unwesen munter fort. Obschon ein einmal erworbener akademischer Grad, wie Herr Werner bis zum Beweis des Gegenteils unwiderlegbar bemerkt, „nichts über die gegenwärtige Qualität hinsichtlich Leistung, Charakter etc. seines Trägers aussagt", wird einer solchen Hoch- oder Überschätzung durch die „Verdokterung" der Namen doch zumindest unterschwellig Vorschub geleistet. Umgekehrt, auch das sieht Herr Werner gar nicht falsch, wird ein schlichter Herr Müller, der keinen Doktorgrad vorweisen kann, von seiner Mitwelt „zunächst höchstens als Durchschnitt" eingeschätzt - ebenfalls bis zum Beweis des Gegenteils. Kurzum, es gelte den Mißstand zu beklagen: „Die öffentliche Verdokterung des Namens fördert Klassen- und Standesdünkel."

Obwohl Herr Werner zu Recht auf die Inflationierung der Doktortitel hinweist, die heute schon käuflich zu haben sind, kommt er fast resignierend zu dem Schluß: Von Ihren Trägern sei keine Abhilfe zu erwarten, weil sie „verständlicherweise keine Veranlassung" hätten, „diesen für sie günstigen Zustand zu ändern". Wie aber, wenn sie dies wollten, die lieben Mitmenschen sie aber nicht ließen? Unterzeichneter, der selbst keinen Wert auf die Anrede „Herr Doktor" legt, weiß ein Lied davon zu singen (vgl. Impressum).

Das deutsche Titelwesen 



zum Seitenanfang < zurück Seite drucken