Der Brief eines Arztes mit E-mail v. 31.5.2014
Sehr geehrter Herr Werner,
mit Interesse habe ich Ihre Beiträge gelesen. Ich darf mich kurz vorstellen, ich bin Arzt aus Berlin. Sie haben recht, dass der Doktorgrad nicht Namensbestandteil ist und der Träger keinen rechtlichen Anspruch auf die Verwendung des Grades in der Anrede hat. Ich bin auch offen dafür, dass die Eintragungsmöglichkeit in Dokumente wie Pass und Ausweis gestrichen wird. Nur ich möchte Ihnen folgende Frage stellen. Wieso haben Sie ein derart ausgeprägtes Interesse daran, dass der Doktorgrad möglichst keinerlei Erwähnung finden soll? Sie haben soviele Artikel und Beiträge gesammelt, die den Doktorgrad als zurückgeblieben, mittelalterlich und wertlos erachten. Mich interessiert, wie Sie zu dieser ablehnenden Haltung gegenüber dem Doktorgrad gekommen sind. Haben Sie sehr schlechte persönliche Erfahrungen mit Promovierten gemacht? weiter ...
Meine Antwort: am München, den 30.6.2014
Sehr geehrter Herr T.,
in Ihrem Brief bestätigen Sie die seit über 50 Jahren bekannte Rechtsprechung (BVG, 1957 und BGH, 1962) zu akademischen Graden. Die gerichtliche Feststellung, dass akademische Grade kein Bestandteil des Namens sind, bedeutet für viele Promovierte eine Einschränkung von Ansehen und Macht. Titelträger haben auch keinen rechtlichen Anspruch auf die Verwendung des Grades in der Anrede und ihre Eintragung in Dokumenten wie Pass und Ausweis. Die formale Abwertung der Titel durch die Gerichte bedeutet für die zahlreichen Titelträger ein psychisches Desaster. Für Frau und Herrn Doktor sind damit Ansehen und Würde in großer Gefahr.
Bestanden schon bisher Zweifel, ob das lebenslange Führen des Titels, verbunden mit einem ungewöhnlich hohen Ansehen nur aufgrund einer in der Regel unbekannten Leistung (s. Die Geheimhaltung) gerechtfertigt ist, so fehlt nunmehr auch noch der Rechtsanspruch auf die offizielle Verzierung des Namens durch einen als akademische Leuchtboje wirkenden Doktortitel. Mir war anfangs bewusst, dass ich mich auf ein ziemlich heißes Eisen gesetzt habe, wenn ich behaupte,
das traditionelle Ansehen des lebenslang geltenden Doktorgrades ist unbegründet hoch.
In Verteidigung des Besitzstandes, hier in Form des hohen Stellenwertes des Titels, wird jeder Anschein des Zweifels an der Bedeutung des akademischen Grades oder gar an der Berechtigung, ihn als Namensvorsatz zu führen, als Majestätsbeleidigung aufgefasst. Besonders dann, wenn wie im vorliegenden Fall ein (nur) diplomierter Akademiker Schatten auf die grell beleuchtete Titellandschaft wirft. Der anfangs (zu Beginn der Webseite) naheliegende mir geltende Vorwurf des Titelneids verstummte in dem Maße, wie, auch für mich überraschend, die Zahl der meine Meinung stützenden Artikel, Berichte und Argumente zunahm. Daraus zu folgern, dass ich den Doktorgrad grundsätzlich ablehne, wie Sie es deuten, Herr T., ist abwegig. So soll ich behauptet haben, „der Doktorgrad solle möglichst keinerlei Erwähnung finden“. Tatsächlich empfahl ich: den Doktorgrad hinter den Namen zu setzen, und zwar vollständig, mit Angabe der Fakultät, möglichst mit Jahr und Ort der Verleihung. Schon 2005 hatte ich vorgeschlagen, Klarheit über die wissenschaftliche Substanz von Diplomarbeiten und Dissertationen zu schaffen, indem diese Dokumente auf einfache Weise für jedermann im Internet abrufbar sind. (Erst vor kurzem wurde dieser Vorschlag im Zusammenhang mit einer Plagiatsaffäre in Serbien erhoben. Florian Hassel schrieb in „Turbo-Doktor“ (SZ vom 16.6.2014) am Ende des Artikels.
„Eine andere geforderte Neuerung würde wohl etliche Bomben im Wissenschaftsgebiet hochgehen lassen: sämtliche Diplom- und Doktorarbeiten aller Hochschulen online für jedermann verfügbar zu machen.“)
Mit unwahren Behauptungen zerstört ein Kritiker seine Glaubwürdigkeit. Trotz Ihrer Zustimmung zur Rechtslage wage ich die Diagnose „Betroffenheit“ als Auslöser für Ihr Fehlverhalten zu stellen. Die unbestechliche Suchfunktion auf meiner Webseite ist auf jeder Seite verfügbar und hätte Sie auch davor bewahrt zu behaupten, ich habe den Doktorgrad als „zurückgeblieben, mittelalterlich und wertlos“ bezeichnet, statt Fakten zu beachten: Das Wort „mittelalterlich“ benutzte ich im Zusammenhang mit dem Wort Lederhose, die anderen zwei Begriffe überhaupt nicht. So soll ich auch behauptet haben, „der Doktorgrad solle möglichst keinerlei Erwähnung finden“. Tatsächlich empfahl ich: den Doktorgrad hinter den Namen zu setzen, und zwar vollständig, mit Angabe der Fakultät, möglichst mit Jahr und Ort der Verleihung. Der Glanz der zahlreichen Dissertationen mit brauchbaren bis ausgezeichneten oder sogar außergewöhnlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen fiele somit auf die akademischen Lern- und Arbeitsstätten zurück.
Obwohl sich viele Promovierte durch meine zahlreichen Berichte hätten getroffen fühlen müssen, hat sich bisher niemand darum bemüht, mich von der Wichtig- und Notwendigkeit der Titel für die Gesellschaft zu überzeugen. Dagegen erhielt ich immer mehr Anhalte für das Aufbauschen und den Missbrauch von akademisch angehauchten Artikeln - auch zum unredlichen Erlangen von akademischen Graden.
Einige Beispiele: Zur harmlosen Sorte zählt da noch eine Arbeit mit dem Titel „Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern“. Fälle aus anderen Sachgebieten liefert Achim Schwarze in seinen Büchern über die „Dünnbrettbohrer in Bonn“ - Aus den Dissertationen unserer geistigen Elite – Eine Materialschlacht der Dummheit, und die Berichte über die Doktorfabrik in Würzburg.
Ihr Sammelsurium, Herr T., von unsachlichen und unverständlichen Bemerkungen sowie unwahren Behauptungen überdeckt den anfangs von Ihnen erweckten positiven Endruck. Der Verlust an Glaubwürdigkeit schadet nicht nur Ihnen, sondern auch ihrem Berufsstand, den Sie so vehement zu verteidigen versuchen. Auch Ihre Vorabbitte, ich solle „Ihre Meinung nicht wegen didaktischer oder grammatikalischer Fehler diskreditieren“, ist überflüssig. Denn mit Ihrem unredlichen Verhalten besorgen Sie das schon selbst. Hoffentlich gehen Sie mit Ihren Patienten redlicher um.
Mit freundlichen Grüßen Ulrich Werner
Brief eines Freundes mit jahrelanger Erfahrung in der Ausbildung von Technikern
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