Im Tantra, speziell im Höchsten Yogatantra, wird das Bewusstsein in drei Ebenen eingeteilt, die unterschiedlich subtil sind: das grobe, das feine (subtile) und das äußerst subtile Bewusstsein. Die ersten beiden sind vorübergehender Natur; sie entstehen und vergehen. Ein grobes Bewusstsein wie die Sinneswahrnehmung beispielsweise entsteht im Kontakt mit einem äußeren Objekt. Verschwinden die Objekte und Umstände, vergeht das Bewusstsein, das sie wahrnimmt. Nehmen wir ein Sehbewusstsein, das eine Blume beobachtet: Es besteht, solange das Objekt, die Blume, da ist; außerdem gehört zu der Wahrnehmung, dass es ein Sinnesorgan gibt, in diesem Fall das Augenorgan, das auf die Blume gerichtet ist, und einen vorhergehenden Moment von Bewusstsein. Sind diese Faktoren komplett, entsteht das Sehbewusstsein, das die Blume erkennt. Fehlt ein Faktor, zum Beispiel die Blume oder der Blick, der darauf gerichtet ist, dann vergeht dieses Sehbewusstsein wieder.
Auch subtile Bewusstseinsarten wie Zustände von Begierde, Hass usw., die wir im Buddhismus als Geistesplagen bezeichnen, sind flüchtiger Natur. Sie entstehen unter bestimmten Umständen, etwa wenn wir auf spezielle Objekte treffen, die als Auslöser fungieren. Außerdem müssen innere Anlagen vorhanden sein, damit solche Geisteszustände aufkommen können. Fehlt das Objekt oder sind die Gedanken auf etwas anderes gerichtet, vergehen diese Emotionen wieder. Das heißt, sowohl die groben Bewusstseinszustände, also hauptsächlich Sinneswahrnehmungen, als auch die subtileren Zustände des geistigen Bewusstseins sind wechselhaft und besitzen keine dauerhafte Existenz. In den tantrischen Schriften werden 80 konzeptuelle Bewusstseinsarten auf der subtilen Ebene aufgezählt, wobei es sich um begriffliches Bewusstsein handelt. Sie sind allesamt vorübergehender Art.
Im Höchsten Yogatantra wird als drittes das äußerst subtile Bewusstsein genannt, das "Klare-Licht-Bewusstsein". Dieses ist nicht dem üblichen Werden und Vergehen anderer Bewusstseinszustände unterworfen; insofern besteht es dauerhaft. Im Todesprozess wird das Bewusstsein immer subtiler. Die letzten vier Ebenen heißen "Leere", "Große Leere", "Völlige Leere" und "Absolute Leere" (sie werden manchmal auch als "Weiße Erscheinung", "Rote Zunahme", "Schwarzes Nahes Erreichen" und "Klares Licht" bezeichnet, Anm. des Übersetzers). Letztere ist gleichzusetzen mit dem "Klaren Licht", dem natürlich anwesenden Bewusstsein. Dieses kommt nicht auf Grund vorübergehender Bedingungen zustande, und es vergeht auch nicht, wenn diese Bedingungen fehlen. Das subtilste Bewusstsein existiert zu jeder Zeit und wird niemals unterbrochen. Alle gröberen Bewusstseinsebenen gehen aus diesem Bewusstsein des Klaren Lichts hervor und lösen sich auch wieder in dieses auf. Das Bewusstsein des Klaren Lichts bildet also nach dem Tantra die Grundlage für jede Art von Bewusstsein.
Bewusstsein kann nicht aus Materie entstehen.
Bewusstsein ist aus buddhistischer Sicht in seinem Wesen klar und erkennend. Aus diesem Grund kann auch seine Grundlage nicht materieller Art sein; .......
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