ZEIT vom 17.02.2005
Wie Manuel J. Hartung berichtete, steige in Deutschland die Zahl der Studienabbrecher. Das sei das ernüchternde Ergebnis einer Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS). Demnach verlasse jeder vierte Student die Hochschulen ohne Abschluß, das seien zwei Prozentpunkte mehr als bei der Vorläuferstudie im Jahr 2002. Die aktuelle Untersuchung befasse sich mit den Studenten, die sich Mitte bis Ende der neunziger Jahre erstmals eingeschrieben haben.
Allerdings sei die Zahl der Abbrecher nicht in allen Fächern gestiegen - in manchen sei sie auch deutlich gesunken. Studiengänge mit diffusem Profil und unklarer Struktur schnitten schlechter ab, reformierte kämen besser weg. Am auffälligsten sei die Veränderung im Fach Jura: Die Abbrecherquote sei von 27 auf 16 Prozent gesunken. Die Reformen im Jurastudium griffen mittlerweile. Früher würden die Juristen im Staatsexamen mit Leistungsanforderungen konfrontiert, die sie während des ganzen Studiums nicht kennen gelernt hätten, sage der HIS-Experte Ulrich Heublein. Nun hätten Zwischenprüfungen und der „Freischuß genannte Freiversuch „die in dieser Stärke überraschenden Verbesserungen herbeigeführt. Auch in der Pharmazie habe sich die Abbrecherquote „durch eine klare Studienstruktur von 17 auf 12 Prozent verringert.
In den Sprach- und Kulturwissenschaften, darunter fielen etwa Germanistik, Geschichte, Gräzistik, so Hartung weiter, bleibe die Lage desolat: 45 Prozent der Studienanfänger kämen nicht zu einem Abschluß, vier Prozentpunkte mehr als bei der vorangegangenen Untersuchung. Schuld daran trügen nicht nur die Hochschulen, die ein freies, aber unstrukturiertes Studium anbieten. Die Studenten seien schlecht informiert: Sie studierten Germanistik, weil sie Hesse-Zitate wunderbar fänden, sage Heublein, und dann müßten sie etwas über die Lautverschiebung vom Alt- zum Mittelhochdeutschen lernen. Dasselbe Phänomen zeige sich auch bei Informatikstudenten, bei denen zwei von fünf Anfängern auf der Strecke blieben. Da gebe es viele ungeeignete Leute - sie studierten Informatik, weil sie gut Computer spielen könnten, sage Heublein.
In Chemie sei die Abbrecherquote von 23 auf 33 Prozent gestiegen, in Mathematik von 12 auf 26. In den Naturwissenschaften sei zudem die Schwundquote besonders hoch. Sie erfasse die Fachwechsler, wenn etwa ein Mathematiker kein Mathe-Diplom mache, sondern einen Magister in Germanistik. „Verheerend, nenne das Heublein, »denn wir brauchen Naturwissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt.«
Überraschend schlecht sei das Abschneiden der Fachhochschulen. Hier sei das Studium meist stark verschult und praxisnah, manchen Unireformern würden die FHs daher als Vorbild gelten. Dennoch brächen dort 22 Prozent ihr Studium ab - nur vier Prozentpunkte weniger als an den Unis. Besonders in den nachgefragten Wirtschaftswissenschaften stehen die Fachhochschulen schlecht da. Offenbar gelänge es ihnen nicht, ihre Stärken auch auszunutzen, kritisiere Heublein.
Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) wolle nun mehr Struktur ins Spiel bringen, insbesondere mit der Umstellung auf Bachelor und Masterstudiengänge: Das werde sich positiv auswirken, mit geringeren Zahlen bei den Studienabbrechern.
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