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Patentwesen / Artikel Übersicht / 90-Jahre DPA
 

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DAS DEUTSCHE PATENTAMT 1877 – 1945 
Festvortrag anläßlich des 90 jährigen Bestehens des Deutschen Patentamts
Von Norbert Fischer

gehalten am 18. Juli 1967

Norbert Fischer ist Leiter der Bibliothek des Deutschen Patentamts

Neunzig Jahre - ein ehrwürdiges Alter, am Leben eines Menschen gemessen, Neunzig Jahre Deutsches Patentamt? Das scheint auch noch recht beachtlich; aber das Alter einer Behörde ist relativ, man muß es in den geschichtlichen Zusammenhängen sehen. Es gibt Patentämter, die wesentlich älter sind als das deutsche, in Ländern, die schon früh einen gesetzlichen Patentschutz und entsprechende Einrichtungen entwickelt hatten. Das älteste Patentgesetz findet sich im Jahre 1474 in der Republik Venedig. Bald danach gab es in einigen anderen Ländern, auch in deutschen, Regelungen, die der Historiker als Vorläufer der heutigen Patentgesetzgebung ansehen könnte. Der eigentliche Ursprung des modernen Patentschutzes indes liegt in England, in dem "Statute of Monopolies", das 1624 verkündet wurde. Vom Ende des 18. Jahrhunderts an folgten die jungen Vereinigten Staaten und dann rasch aufeinander die europäischen Länder. Daß es in Deutschland länger dauerte, lag an den politischen Verhältnissen. Erst die spät erfolgte staatliche Einigung Deutschlands machte ein einheitliches deutsches Patentrecht und damit ein deutsches Patentamt möglich. Vorher hatten die einzelnen Länder des nur lose zusammenhängenden Deutschen Bundes ihre eigenen patentrechtlichen Verfahren und Vorschriften, die noch recht unvollkommen und vor allem sehr uneinheitlich waren.

Die Notwendigkeit einer einheitlichen deutschen Patentgesetzgebung wurde zwar seit Beginn des 19, Jahrhunderts in steigendem Maße erkannt, aber es fehlten nach der Auflösung des Alten Reiches die staatsrechtlichen Voraussetzungen. Der Zollvereinsvertrag von 1833 sah zwar eine allgemeine patentrechtliche Vereinbarung für die beteiligten deutschen Staaten vor, aber es blieb bei der Theorie. Die Nationalversammlung in Frankfurt setzte 1849 in ihrem Entwurf einer Reichsverfassung fest, daß alle Erfindungspatente ausschließlich von Reichs wegen auf Grundlage eines Reichsgesetzes erteilt werden sollten. Aber diese Verfassung trat nie ins Leben.

1862 arbeitete eine von der Deutschen Bundesversammlung eingesetzte Kommission den Entwurf eines deutschen Patentgesetzes aus, der auf den Widerspruch mehrerer Länderregierungen stieß und ebenfalls nur auf dem Papier blieb.

Erst die Bismarcksche Reichsgründung machte die Bahn frei. Die neue Reichsverfassung von 1871 bestimmte in Artikel 4, daß "die Erfindungspatente der Beaufsichtigung seitens des Reiches und der Gesetzgebung desselben" unterlägen. Der Verwirklichung dieser Verfassungsbestimmung stellten sich noch Schwierigkeiten entgegen, von denen man sich heute kaum mehr eine Vorstellung machen kann.

Auf dem historischen Wege zum Reichspatentamt hatte es nämlich nicht nur die erwähnten politischen Hindernisse gegeben. Es waren vielmehr sowohl in Wirtschaftskreisen als auch bei Regierungsstellen ganz erhebliche Widerstände und Vorurteile zu überwinden. Hauptgegner eines gesetzlichen Patentschutzes waren die Anhänger der damals weitverbreiteten Freihandelslehre von Adam Smith, die der Ansicht waren, daß alle Früchte der Geistesarbeit ohne weiteres der Allgemeinheit zugute kommen müßten und daß es kein individuelles Recht an Erfindungen gäbe. So hatte zum Beispiel die preußische Regierung, die selber gegen einen Patentschutz eingestellt war, im Jahre 1853 eine Enquete bei 47 Regierungen, Handelskammern usw. durchgeführt, wobei sich 37 Stellungnahmen g e g e n den Patentschutz ergeben hatten. (U.a. lehnte die Leipziger Handelskammer ein Patentgesetz mit dem Argument ab, daß "eine Einigung über das Patentwesen vor allem die Einsetzung einer gemeinsamen Patentbehörde und den Wegfall der Trennung in Vereins- und Landespatente erheische".) Noch 1872 beantragte die preußische Regierung beim Bundesrat die Abschaffung des Erfinderschutzes, da dieser der Gewerbefreiheit widerspräche.

Was man sich in diesen Kreisen unter einer Lösung der Patentfrage vorstellte, geht u.a. aus einem Gutachten der Kölner Handelskammer hervor, in dem es wörtlich hieß: "Erfindungspatente dürfen in Zukunft in Deutschland nicht mehr erteilt werden. Die bestehenden erlöschen nach Ablauf der vorgesehenen Dauer, jedenfalls aber nach 5 Jahren. Aus gemeinsamen Mitteln werden jährlich angemessene Beträge zur Belohnung für wichtige Erfindungen ausgesetzt. Mit Prüfung der letzteren und mit Zuerkennung der Prämien wird eine ständige Behörde beauftragt."

Dabei zeigte, im Widerspruch zu den Argumenten der Patentgegner, die Entwicklung in den Staaten mit fortgeschrittenem Patentschutz ganz offensichtlich dessen Vorteile. Viele deutsche Erfinder, darunter der äußerst fruchtbare Wilhelm bzw. William Siemens, ein Bruder von Werner von Siemens, gingen zum Schaden der deutschen Wirtschaft nach England oder den USA, um dort ihre Erfindungen unter gesetzlichem Schutz auswerten zu können.

Vorkämpfer des deutschen Patentschutzes war vor allem der im Jahre 1856 gegründete verein Deutscher Ingenieure, ferner das Kollegium der Berliner Kaufmannsältesten unter Werner von Siemens und die Deutsche Chemische Gesellschaft. Diese Institutionen leisteten mit Memoranden, Druckschriften und Gesetzentwürfen wertvolle Vorarbeit. Einen gewissen Rückschlag ihrer Bestrebungen verursachte die schroff ablehnende Haltung des Kongresses der Deutschen Volkswirte 1863.

Der Internationale Patentkongreß in Wien 1873 blies aber wieder frischen Wind in die Segel. Im Jahre 1874 sammelten sich die Verfechter des Patentschutzgedankens im "Deutschen Patentschutzverein" unter Führung von Werner vor. Siemens. Die Entwürfe dieses sehr aktiven Gremiums bildeten dann die Grundlage des Reichspatentgesetzes, das 1876 vom Reichskanzleramt dem Bundesrat vorgelegt wurde. Am 3. Mai 1877 wurde es vom Reichstag, am 9. Mai vom Bundesrat angenommen. Seine Durchführung wurde einem mit Wirkung vom 1. Juli 1877 ins Leben gerufenen Kaiserlichen Reichspatentamt übertragen.

Die Eröffnungssitzung des neuen Reichspatentamts fand am 11. Juli 1877 im Reichskanzleramt in Berlin unter der Leitung des ersten Vorsitzenden, Ministerialdirektor Dr. Jacobi, statt, der in seiner Ansprache das neue Patentgesetz und die Gründung des Patentamts als einen "Ausdruck nationaler Einheit" bezeichnete.

Vom gleichen Tage bereits, dem 11. Juli 1877, datiert eine von Dr. Jacobi gezeichnete Veröffentlichung im Deutschen Reichsanzeiger betr. Bestimmungen über die Anmeldung von Erfindungen.

Die großen Aufgaben des neuen Amtes wurden zur Zeit seiner Gründung noch nicht erkannt. So hatte der Aufbau des Amtes zunächst einen recht provisorischen Charakter. Außer dem Vorsitzenden der Anmelde-Abteilung gab es nur 3 ständige, dazu 18 nichtständige Mitglieder, ferner 4 Büro- und 2 Kanzleibeamte und 3 Kanzleidiener. Die nichtständigen Mitglieder waren nebenamtlich tätig. Es waren höhere Beamte aus anderen Behörden sowie angesehene Fachleute aus Technik und Industrie. Unter ihnen befand sich Werner von Siemens, der in Anbetracht seiner Verdienste um das Zustandekommen des Patentgesetzes vom Kaiser für fünf Jahre zum Mitglied des Reichspatentamts ernannt worden war.

Das erste von dem jungen Reichspatentamt ausgestellte Patent, das D.R.P. Nr. 1, ist auf den 2. Juli 1877 datiert und betrifft ein "Verfahren zur Darstellung einer roten Ultramarinfarbe°". Es ist also die Chemie, die den Auftakt zur Arbeit der Behörde gab. Die Patente wurden im Reichsanzeiger bekanntgegeben, außerdem erschien schon damals wöchentlich das "Patentblatt" im Verlag Heymann. Im ersten Halbjahr des Bestehens des Kaiserlichen Patentamts war bereits ein Eingang von 3 212 Patentgesuchen zu verzeichnen. Schon in den Anfangsjahren häuften sich die Klagen über Arbeitsüberlastung und ganz besonders über die Untragbarkeit der nebenamtlichen Prüfertätigkeit. Auch das Büropersonal war stark überfordert.

Zunächst war das Amt in einem reichseigenen Gebäude in der Wilhelmstraße untergebracht. Der zunehmende Arbeitsanfall und die notwendig werdenden Neueinstellungen erforderten schon im April 1879 eine Verlegung des Amtes in Mietshäuser an der Königgrätzer Straße. Im März 1882 wurde eine erneute Verlegung in andere Gebäude derselben Straße notwendig. Im März 1891 wurde ein Neubau in der Luisenstraße bezogen, zu dem bald wieder einige angrenzende Häuser hinzugemietet werden mußten.

Das Personal des Amtes war zu diesem Zeitpunkt auf 237 Mitarbeiter angewachsen, von denen 107 dem höheren Dienst angehörten.

Bezug des Gebäudes in der Luisenstraße wurde einem seit langem geäußerten Wunsche Rechnung getragen und die Bibliothek des Patentamts der öffentlichen Benutzung zugänglich gemacht. Sie war aus kleinen Anfänger, mit der Gründung des Amtes entstanden und umfaßte 1891 bereits an die 43 000 Bände. Neben 60 000 deutschen Patentschriften waren schon etwa 100 000 ausländische vorhanden. 400 Zeitschriften wurden laufend gehalten. Seit 1890 stand die Bibliothek unter der Leitung eines fachlich geschulten Bibliothekars, was damals in Behördenbibliotheken noch eine Seltenheit war.

Zu einem Markstein in der Geschichte des Kaiserlichen Patentamts wurde das im April 1894 verabschiedete neue Patentgesetz. Es brachte bedeutsame Neuerungen für die Organisation des Patentamts und für die patentamtlichen Verfahren. Nunmehr lag der Schwerpunkt der Arbeit in den Händen hauptamtlicher, auf Lebenszeit angestellter Mitglieder. Die Vorprüfung wurde eingeführt, die für das internationale Ansehen des deutschen Patents von so großer Bedeutung werden sollte. Auch die Beschwerdeabteilungen entstanden.

In den folgenden Jahren kamen neue, wichtige Aufgaben auf das Amt zu. Mit Erlaß des Gesetzes zum Schutze von Gebrauchsmustern und Modellen vom 1.6.1891 wurde der Gebrauchsmusterschutz dem Reichspatentamt übertragen. Mit einem Gesetz vom 12.5.1894 folgte als drittes großes Arbeitsgebiet der Warenzeichenschutz. Gleichzeitig wurde das "Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen" begründet.

Die lawinenartig zunehmende Arbeitsfülle und die damit verbundene Überbelastung der Amtsangehörigen schlug sich in einer Denkschrift von 1896 nieder, in der es unter anderem heißt: "Da die Kräfte der Kanzlei bei weitem nicht genügten, das Schreibwerk während der Dienststunden zu bewältigen, so hat in sehr erheblichem Maße zur Inanspruchnahme der entgeltlichen häuslichen Arbeit übergegangen werden müssen".

Mit der fortschreitenden Entwicklung des Amtes erwiesen sich die Dienstgebäude, besonders die stark frequentierte Auslegehalle, bald wieder als viel zu. klein. Im September 1905 erfolgte der Umzug in einen Neubau an der Gitschiner Straße nahe dem Halleschen Tor.

Für den Diensteifer der damaligen Amtsangehörigen spricht eine Legende, wonach während des Umzugs sogar im Inneren der Möbelwagen noch weitergearbeitet worden sei.

Das neue Haus an der Gitschiner Straße war ein imposantes Gebäude,. das wohl noch manchem von Ihnen als alten Berlinern in guter Erinnerung ist. Es umfaßte damals rund 700 Dienstzimmer, 12 Sitzungssäle, 11 Kassenräume, mehrere Säle für die Kanzlei sowie die große Auslegehalle. Die Bibliothek war in einem besonderen Gebäudeteil in 6 Stockwerken untergebracht. Sie galt bis in die Fünfziger Jahre als die größte technische Bücherei Deutschlands.

Trotz seiner großzügigen Anlage wurde auch dieses Haus bald wieder zu eng und mußte im Laufe der Jahre immer wieder erweitert werden.

Der Personalbestand betrug im Jahre 1901: 18 hauptamtliche rechtskundige Mitglieder, 71 hauptamtliche technische Mitglieder und 28 nebenamtliche technische Mitglieder. Im Ganzen waren es 729 Beamte und Hilfskräfte, die sich bis zum Kriegsausbruch 1914 auf etwa 1000 vermehrten.

Die Zahl der Patentanmeldungen erreichte in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ca. 50 000 jährlich, die Anmeldungen von Warenzeichen betrugen ca. 10 000 pro Jahr.

Über die Arbeitsverhältnisse in diesen Jugendjahren des Patentamts ist aus den Erinnerungen ehemaliger Mitarbeiter einiges Interessante zu entnehmen:

Ein juristischer Beamter äußerte sich sehr befriedigt darüber, daß die Tätigkeit im Patentamt für einen Juristen damals besonders reizvoll gewesen sei, da "es sich um ein Gebiet handelte, das noch nicht durch eine Jahrhunderte alte Rechtsprechung verbaut war, sondern auf dem man bei hinreichender freier Auffassung in Wahrheit geistiges Neuland bebauen konnte".

Ein seinerzeitiger Oberregierungsrat schrieb aus der Zeit um die Jahrhundertwende folgendes: "Die technischen Hilfsarbeiter von damals, mit den späteren gar nicht zu vergleichen, waren eine außerordentlich bunt zusammengesetzte, verwegene Gesellschaft. Alles war unter ihnen vertreten, nur der Bürokrat nicht ....".

Es scheint wohl auch, mindestens gelegentlich, ein ziemlich scharfer Wind im Hause geweht zu haben, von oben her. Das geht aus einer Mitteilung desselben Gewährsmannes hervor, wonach sich die technischen Hilfsarbeiter eines Tages "allesamt eines gemeinsamen Vergehens schuldig gemacht" hätten. Sie seien einige Male im Zimmer eines Kollegen zusammengekommen, um, wie es heißt, ihre persönlichen Angelegenheiten zu besprechen. Das wurde als "Mißbrauch der Dienstzeit und des Dienstraumes" angesehen und eine strenge Untersuchung durchgeführt. Wie der Erzähler berichtet, "kam das Gros der Sünder, von Ausnahmen abgesehen, noch glimpflich davon, doch kehrten einige Kollegen, und darunter nicht die schlechtesten, dem Amte freiwillig den Rücken".

In jener Zeit, als das Patentwesen noch frischer Ackerboden war, konnte auch die juristische Amtstätigkeit sich gelegentlich noch ungewöhnlicher und reizvoller Methoden bedienen. So wurde einmal ein Patent auf eine Sicherheitsnadel von den zuständigen Prüfern mit dem Hinweis angefochten, daß sich im Berliner Kunstgewerbemuseum bereits eine gleiche Vorrichtung aus vorgeschichtlicher Zeit befinde. Der als Zeuge vernommene Direktor des Museums, Geheimrat Lessing, soll nicht wenig über ein solches Beweisthema erstaunt gewesen sein. In dem Streit um das Lanolin-Patent wurden vom Nichtigkeitskläger Stellen aus der Naturgeschichte des Plinius und aus den Werken des antiken griechischen Arztes und Naturforschers Dioskorides angezogen, während die Gegenseite mit einer Stelle aus Ovids "Amores" operierte.

Schon in seinen frühen Jahren erfreute sich das Reichspatentamt eines hohen internationalen Ansehens. Zahlreiche ausländische Besucher und Delegationen kamen, um die Einrichtungen des Amtes als Vorbild kennen zu lernen. Von einem solchen ausländischen Besuch erzählte der ehemalige Präsident Carl Hauss folgende bezeichnende Anekdote:

Eine aus acht bis zehn Herren bestehende Abordnung eines auswärtigen Staates studierte eingehend das Vorprüfungssystem und dessen Durchführung, man hatte seine Vorzüge gegenüber dem Registrierverfahren sehr deutlich erkannt. Beim Abschied nahm der Delegationsführer den Präsidenten zur Seite, um noch eine ganz diskrete Frage zu stellen. "Ihr System", sagte er, "ist doch nur durchzuführen, wenn Sie der Verschwiegenheit aller Beamten und ihrer Unzugänglichkeit gegenüber äußeren Beeinflussungsversuchen absolut sicher sind. Wodurch schaffen Sie diese Gewähr?" Präsident Hauss hatte Mühe, seine Heiterkeit zu unterdrücken und erwiderte, daß in dieser Richtung nichts geschehe, weil man der Treue aller Beamten absolut sicher sei. Der Besucher schüttelte nachdenklich das Haupt und verabschiedete sich mit dem Bemerken: "Ihr System ist bei uns nicht durchzuführen".

Mit dem Jahre 1914 ging der erste große Lebensabschnitt des Patentamts, gewissermaßen seine Jugendzeit, zu Ende. Ausbruch und Verlauf des Ersten Weltkriegs machten einschneidende Veränderungen notwendig, besonders in personeller Hinsicht. Zahlreiche Mitarbeiter - etwa 500, also die Hälfte - wurden zum Kriegsdienst einberufen. Dadurch wurden gesetzliche Vereinfachungsmaßnahmen erforderlich. die zum Teil auch nach dem Kriege bestehen blieben. Die Prüfung der Patentanmeldungen und die Patenterteilung wurden Einzelprüfern übertragen. Die Beschwerdeabteilungen wurden verkleinert.

Die sichtbarste Veränderung aber war wohl der erstmalige Einzug von Frauen in das Patentamt. Die Lücken, die der Krieg in die bis dahin rein männlichen Mitarbeiterreihen gerissen hatte, wurden, wenigstens zum Teil, durch weibliches Personal ausgefüllt. Das ging nicht ganz reibungslos vor sich. In jener Zeit war Frauenarbeit, besonders in Behörden, noch etwas Ungewohntes und manche älteren Beamten konnten sich mit dem Einbruch des weiblichen Elements in die Welt der Männer nur schwer oder gar nicht abfinden. Aber es wird aus diesen Tagen auch berichtet, daß sich die weiblichen Kräfte sehr rasch und gut in ihre neuen Aufgaben einlebten und, wie auf so vielen anderen Gebieten, so auch im Patentamt ihren Mann stellten. Heute könnte man sich das Patentamt, oder überhaupt eine Behörde, wohl kaum mehr ohne Frauen vorstellen. Inzwischen haben Frauen an zahlreichen Stellen, auch in höheren Regionen ursprünglich rein männlicher Tätigkeiten, ihre Konkurrenzfähigkeit unter Beweis gestellt und manche Sektoren des Dienstbetriebes haben sie ganz für sich erobert. Darüber hinaus haben sie in die nüchterne Atmosphäre des Amtes eine Note gebracht, die nicht mehr wegzudenken ist und die wir auch nicht missen möchten.

Als für die Amtsgeschichte wichtiges Faktum wäre noch zu erwähnen, daß während des Ersten Weltkrieges, nämlich im Jahre 1917,,das Patentamt aus dem Geschäftsbereich des Reichsamtes für Inneres in `den des Reichsjustizamtes überging.

Während der Revolutionswirren 1918/19 erlebte das Patentamt einige turbulente Tage. Zeitweise wurde das Amtsgebäude als Stützpunkt bzw. als Angriffsziel in die Straßenkampfhandlungen einbezogen. Die diensteifrigen Amtsangehörigen mußten sich unter dem Knattern der Maschinengewehre und dem Platzen der Handgranaten auf Umwegen an das Amt heranpirschen, um dann in ihren Dienstzimmern zerschossene Fensterscheiben und von Kugeln durchlöcherte Akten vorzufinden. Ein Vierteljahrhundert später sollte es freilich noch viel schlimmer kommen.

In den Jahren nach 1918 trat ein starkes Anschwellen der Patentanmeldungen und Gebrauchsmusteranmeldungen ein. Dadurch wurden die Prüfungsstellen erheblich überbelastet und die Verfahrensdauer verlängerte sich in untragbarer Weise. Schließlich wurde zwischen 1929 und 1932 diesen Mißständen durch gründliche Maßnahmen gesteuert. 180 Akademiker wurden damals neu eingestellt, die Prüfungsstellen vermehrt und die Patentverwaltungsstelle unter juristischer Leitung neu gebildet. Die Beschwerdesenate erfuhren eine Aufgliederung nach technischen Fachgebieten. Ein Zahlenbeispiel möge den Umfang der Arbeit in dieser Zeit dokumentieren: Im Jahre 1930 waren 78 400 Patentanmeldungen zu verzeichnen, denen eine ungefähr gleiche 'Zahl von Erledigungen gegenüberstand. Die Warenzeichenabteilung weitete sich so aus, daß für sie sogar entfernt liegende Gebäude hinzugemietet werden mußten.

In einer Veröffentlichung des Jahres 1927 finden wir einen interessanten Vergleich über die Entwicklung der Kapazität des Reichspatentamts. Betrug die Zahl der Anmeldungen 1891 nur ein Drittel derjenigen Englands und ein Fünftel der USA, so stiegen sie bis Ende der Zwanziger Jahre auf das Vierfache der englischen und auf das Doppelte der amerikanischen. Ein erstaunliches Faktum, wenn man bedenkt, daß England das Ursprungsland des Patentwesens ist und daß von den angelsächsischen Ländern die Hauptimpulse für die moderne Technisierung und Industrialisierung ausgegangen waren.

Wenn oft bemängelt wurde, daß das Patentamt in seinem eigenen hause sich wenig von dem Fortschritt in Büro und Verwaltung zu eigen mache, so verdient in ihrer Vorbildlichkeit unter den technischen Einrichtungen des Amtes die Lichtbildstelle eine besondere Erwähnung. Als kleine Werkstatt bestand sie schon vor dem Ersten Weltkrieg und war unter der Kuppel des Amtsgebäudes untergebracht. 1930 wurde sie gründlich modernisiert und erweitert. Fünf Siemens-Umkehrapparate, das Modernste, was es damals auf diesem Gebiete gab, wurden aufgestellt. Ihre Verteilung auf die einzelnen Stockwerke der Bibliothek ermöglichte eine sehr rasche Erledigung der Aufträge. In Verbindung mit mehreren anderen Einrichtungen trug das vorbildlich entwickelte Ablichtungswesen des Patentamts sehr zu seinem guten Ruf als einer öffentlichkeitsfreundlichen Institution bei.

1936 wurden ein neues Patentgesetz und eine Verordnung über das Reichspatentamt erlassen. Die neuen Vorschriften brachten einige Verbesserungen, besonders auf dem Gebiet des Gebrauchsmusterschutzes, aber im allgemeinen keine wesentlichen Veränderungen.

Darf ich an dieser Stelle einen kurzen Überblick über Umfang und Gliederung des Deutschen Patentamts kurz vor dem Zweiten Weltkrieg einschalten. 1937 bestand das Amt aus 16 Patentabteilungen, 3 Warenzeichenabteilungen I. Instanz sowie der Gebrauchsmusterstelle, 12 Beschwerdesenaten, 1 Warenzeichen-Beschwerdestelle und 2 Nichtigkeitssenaten. Dazu kam die Markenstelle für die internationale Markenregistrierung des Unionsbüros für den gewerblichen Rechtsschutz in Bern. Das Personal umfaßte ca. 600 Kräfte des höheren Dienstes und rund 1 000 sonstige Beamte und Hilfskräfte. In den folgenden Jahren steigerte sich die Gesamtzahl der Mitarbeiter auf 1 919 Beamte, Angestellte und Handwerker. Nach der Zahl der Beamten des höheren Dienstes stand das Patentamt an der Spitze der deutschen Justizbehörden. Im Reichsgebiet verteilt befanden sich SO Auslegestellen.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges begann für das Amt eine Zeit des Niedergangs und schließlich der Katastrophen. Einberufungen zum Wehrdienst oder zu Dienstleistungen in Kriegswirtschaftsstellen zogen nicht nur viele Amtsangehörige, sondern auch zahlreiche Fachleute aus der Patentanwaltschaft und der Wirtschaft ab. Dafür kamen allerdings Ersatzkräfte, meist Frauen, vielfach auf dem Wege der Dienstverpflichtung, in das Amt. Auch mancher ehemalige Mitarbeiter wurde aus dem Ruhestand geholt. Verordnungen über außerordentliche Maßnahmen im Patent- und Gebrauchsmusterrecht wurden erlassen und Verfahrensvereinfachungen, ähnlich wie im Ersten Weltkrieg, durchgeführt. Infolge der zunehmenden Bombenangriffe mußten wesentliche Teile des Amtes aus Berlin herausgenommen werden. So konnten wertvolle Bestände der Bibliothek, ca. 250 000 Bände, durch Verlagerung in das Salzbergwerk Heeringen a. d. Werra gerettet werden. Die Geheimabteilung und mehrere Patentabteilungen zogen nach Striegau in Schlesien in ein Gebäude, das ehemals Kloster und Strafanstalt war.

In der letzten Phase des Krieges trat eine fortschreitende Lähmung des Dienstbetriebes ein. Im Februar 1945 entstanden am Berliner Amtsgebäude schwere Bombenschäden. Schließlich ging im Zuge der Besetzung Berlins noch eine Menge wertvollen Materials verloren. Von den in Striegau befindlichen Mitarbeitern gelang es den meisten, mit einem Teil des Aktenmaterials vor den anrückenden Russen zu fliehen.

So brachte die größte Katastrophe der deutschen Geschichte auch das vorläufige Ende des Deutscher Patentamts.

Zurückblickend, kann gesagt werden, daß sich das Reichspatentamt in dem Zeitraum von 1877 bis 1945 aus einem bescheidenen Provisorium zu einem der größten Ämter Deutschlands entwickelt hatte. Seine Leistungen hatten dem deutschen Patent eine hohe Weltgeltung eingetragen. Bereits im Jahre 1895 war von einem Amerikaner das Wort geprägt worden: "Dein eigenes Patent hat nur Wert, wenn du den Besitz des deutschen Patents nachweisen kannst", ein Ausspruch, der 1926 durch Edison erneut bekräftigt wurde. Und Richard Spencer hatte noch im Februar 1949 im "Journal of the Patent Office Society" folgendes geschrieben: "Es kann nicht bestritten werden, daß das deutsche Patentwesen das vortrefflichste der Welt war. Auf eine neue Erfindung ein deutsches Patent zu erhalten, bedeutete ebenso viel, wie eine Versicherungsprämie auf die Erfindung."

Wenn kürzlich als eine wesentliche Tugend des Bibliothekars gefordert wurde, daß er ebenso Klammer zwischen auseinanderstrebendem Spezialistentum sein müsse wie Brücke zwischen der Vergangenheit, dem gegenwärtigen Geschehen und dem sich anbahnenden Neuen, so glaube ich mit diesem Bericht zu unserem heutigen Festtage diese Aufgabe erfüllt und den Bogen geschlagen zu haben, zu dem was Sie überwiegend als Mitarbeiter des Amtes in München miterlebt haben und zu dem, was uns alle an Planungen und Entwicklungsproblemen bewegt.

L i t e r a t u r - H i n w e i s e
Bluhm, Hans: Die Entstehung des ersten gesamtdeutschen Patentgesetzes. In: GRUR. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Jg. 54. 1952. Nr. 8/9.

Dambitsch, Ludwig: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen. Berlin 1910.
Deutsche Justiz. (Ztschr.). 1937, S. 1009.( Ausschnitt)

Eylau, H.: Zur Geschichte des Reichspatentamts.
In: Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen. Hrsg. vom Dt. Patentamt. Jg. 51. 1948-49. Sonderheft zur Eröffnung des Deutschen Patentamts. ä. 14 ff.

Grothe, Hermann: Das Patent-Gesetz für das Deutsche Reich, Mit Erl. Eingel. durch e. Gesch. d. Dt. Patentgesetzes. Berlin 1877.
Hauptstadt Berlin und Patentamt. Hrsg. vom IHB Arbeitskreis Industrie und Handwerk, Berlin 1957

Jacobi: Bericht über die Thätigkeit des Kaiserlichen Patentamts für das erste Halbjahr vom 1. Juli - 31. December 1877, erstattet an den Herrn Reichskanzler. Berlin 1878.

Norddeutsche Allgemeine Zeitung. Berlin. Ausg. v. 12.7.1877. (Ausschn.)

Reden bei der Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Reichspatentamts am 1. Juli 1927. Sonderbeilage d. Ztschr. "Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht". Berlin 1927.

Das Reichspatentamt 1877 - 1927. Rückblick auf sein Werden und Wirken. Hrsg. vom Reichspatentamt. Berlin 1927.

Techniker und Juristen. Erinnerungen und Betrachtungen dem Reichspatentamt zum fünfzigjährigen Jubiläum dargebracht von ehemaligen Mitgliedern. Berlin 1927.

 



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