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Leser/Hörer-Briefe / LB Sprache Übersicht / HB Bayer. Rundf.Übers. / Der Bayerische Rundfunk / BR und der Doktorgrad
 

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Der Bayerische Rundfunk und der Doktortitel

 Das BGH-Urteil wird verschwiegen oder ignoriert

Ein Hörerbrief wird nicht beantwortet. Ist das Thema zu brisant?


Bayerischer Rundfunk                                                                                 
Herrn Thomas Meyerhöfer

Akademische Grade sind kein Bestandteil des Namens
Unterdrückt auch der BR Informationen darüber?
                                                                                                                         16.4.2011

Sehr geehrter Herr Meyerhöfer,  

die Mehrzahl der Gäste im Tagesgespräch trägt einen akademischen Titel, Professor oder Doktor, der eigentlich ein Grad ist. Das Vorurteil, oft unbewusst verankert, ist immer noch in der Bevölkerung weit verbreitet, ein Herrn Dr. (Prof.) Müller kann, weiß und leistet mehr als ein Herr Meier, bis dieser – er mag ebenfalls erfolgreich studiert haben - das Gegenteil beweist. Dies, obwohl die Grundlage der akademischen Verzierung, vor allem die Dissertation in der Regel unbekannt ist, sogar das Studienfach wird verschwiegen. Der Nimbus durch die zwei Buchstaben Dr. ist so stark und unerschütterlich, dass eine zwar fremdbestätigte aber grundsätzlich unbekannte Leistung ein lebenslang währendes hohes Ansehen in der Gesellschaft garantiert. Die weltweit belächelte deutsche Titelpflege wird unterstützt durch den traditionellen Irrglauben, akademische Grade seien (wesentlicher) Bestandteil des Namens. Ich halte es für nicht ausgeschlossen, dass auch die Auswahl der TG-Gäste von den genannten Gegebenheiten beeinflusst wird. Glücklicherweise hat die Redaktion fast immer eine gute Wahl getroffen.

Der BGH hat im Jahre 1962 mit Urteil festgestellt, akademische Grade sind kein Bestandteil des Namens. Daraus folgt, die in 1961 erlassene Vorschrift im Passwesen, den Doktorgrad in Pass und Ausweis einzutragen, widerspricht der Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts. Die Bundesregierung weigert sich schon fast 60 Jahre lang beharrlich, das BGH-Urteil im Passwesen umzusetzen und die Passvorschriften zu ändern. Sie billigt weiterhin den unzulässigen Passeintrag. In die Hochsicherheitsdokumente Pass und Ausweis gehören nur Daten, die zur Identifizierung der Person notwendig sind. Das ist der Doktorgrad nicht. Die betroffenen Promovierten in Parlament, Parteien, Ministerien, Fraktionen, Petitionsausschuss, Redaktionen der großen Tages- und Wochenzeitungen (ZEIT, FAZ, SZ, SPIEGEL), Universitäten, Institutionen aller Art billigen zufrieden stillschweigend das Fehlverhalten des Gesetzgebers, falls es ihnen überhaupt bewusst ist. Es sichert den akademisch Verzierten die lebenslange Sonderstellung in der Gesellschaft.

Eine Sensation war vor vier Jahren der Vorstoß des damaligen Innenministers Wolfgang Schäuble. Mehrere gravierende sachliche Gründe veranlassten ihn, den Doktoreintrag im Pass zu streichen. Im Erfolgsfall wäre der skandalöse Zustand in einem Rechtsstaat korrigiert gewesen. Doch der bayerische Traditionsguru Günther Beckstein verhinderte die löbliche Absicht im Bundsrat, und zwar mit der läppischen Begründung, die Tradition müsse erhalten werden. Eitelkeit besiegte Vernunft. Der Rechtsstaat ging in die Knie und setzte seine Rolle als Psychotherapeut fort. Die Titelhändler triumphierten.
 
Nach meinen Erlebnissen am 17. und 18. Februar habe ich Grund zu der Annahme, dass auch der Bayrische Rundfunk zum Kreis der stillen Hüter der Tradition gehört. Am 17.2., zu Beginn der Guttenberg-Affäre, lud Christine Krüger zur Sendung ein mit dem Thema

„Titel - Doktor, Diplom, Master: Was ist ein akademischer Titel heute wert?“.

In der Anmoderation fragte sie auch nach den Motiven für die Promotion. Ich rief um etwa 12 Uhr 20 an. Im Vorgespräch nannte ich ein zwar selten zugegebenes, jedoch wesentliches und im TG noch nicht erwähntes Motiv, nämlich die Aussicht, lebenslanges besonderes Ansehen durch den Doktortitel zu erhalten. Ich wies auch auf das BGH-Urteil hin, wonach akademische Grade kein Bestandteil des Namens sind. Doch das sei allgemein kaum bekannt.

Ich wartete vergebens auf den Rückruf. Warum wurde mein Beitrag unterdrückt, obwohl er eine konkrete Antwort auf die von Frau Krüger gestellte und bisher nicht beantwortete Frage war? Wurde mir nicht geglaubt? Dann spräche das dafür, dass die Redaktion das Urteil nicht kannte, obwohl sie schon mehrmals von mir darauf hingewiesen worden war. Dürfen Urteil und Folgen für die Gesellschaft im Sendebetrieb nicht erörtert werden, um das Image der Promovierten nicht anzutasten? 
 
Am folgenden Tag - wieder mit dem Thema Guttenberg – erreichte ich nicht einmal mehr die Redaktion. Von Beginn an gewählt waren etwa 70 Versuche erfolglos. Ein Grund zu Fragen, war meine Rufnummer blockiert? Sollte auch der Bayerische Rundfunk zum Kreis der Urteilsunterdrücker gehören, der die Überbewertung des lebenslang hohes Ansehen garantierenden Doktortitels erhalten will? Er wäre in guter Gesellschaft, siehe oben.

Unabhängig von internen Empfehlungen oder Regelungen sehe ich in der traditionellen aber völlig zeit-ungemäßen und überholten Titelei im Tagesgespräch keine Vorteile für die Gesellschaft, eher eine Pflege von Vorurteilen. Das Nennen des Doktorgrades der Gäste entspricht der Titel-Tradition. Welchen Grund könnte es noch geben? Ein Hinweis auf die Sachkenntnis des Studiogastes? Die übliche Titelbezeichnung „Dr.“ lässt sie nicht einmal andeutungsweise erkennen. Mein mehrmaliger Vorschlag, nämlich als Vorstellungsform statt des Doktorkürzels die Wendung „der promovierte Jurist (Biologe, Ingenieur, Arzt etc.) XY“ zu wählen oder den vollständigen Grad „Dr. jur.“ etc. anzugeben, gibt schon etwas mehr vom akademischen Werdegang preis. Hilfreich wäre die Erläuterung der gegenwärtigen Tätigkeit. Der Informationsgehalt der zwei Buchstaben ist jedenfalls praktisch gleich null und wird auch durch ständiges Wiederholen des Titels bei der Anrede nicht größer. Erst die Kenntnis der Studienrichtung gibt dem Hörer wenn schon keine Gewissheit, dann wenigstens einen Anhalt zu beurteilen, ob der Gast aufgrund des Titels als Fachmann für das besprochene Thema legitimiert ist. Schließlich dürfte sich die Qualität des Gastes spätestens während des Gesprächs herausstellen.

Im Tagesgespräch hält sich auch hartnäckig die Verpflichtung, den Titel ständig bei der Anrede zu nennen, oder es mindestens aus Höflichkeit tun zu müssen. Dann wäre Frau Heinzeller immer unhöflich? Die Damen und Herren der Moderation haben allen Grund, den akademisch verzierten Gästen mit mehr Selbstbewusstsein entgegen zu treten und sie – höflich wie bisher – ohne Titel anzureden. Vielleicht würde sich dann auch einmal ein Hörer trauen, es ihnen gleichzutun. In Tageszeitungen und Fachartikeln werden die jeweils erwähnten Forscher ebenso wie die Autoren der Artikel sowie in Gesprächsrunden in den Funkmedien die Teilnehmer grundsätzlich ohne Titel angeführt bzw. angesprochen. Nur in Provinzblättern findet noch Imagepflege à la Milchladen statt. Die Titelei im Tagesgespräch nährt den falschen Volksglauben, nur ein Promovierter oder Professor sei ausreichend  sachkundig, um über ein spezielles Thema zu reden.

Es würde mich freuen, sehr geehrter Herr Meyerhöfer, ich konnte Sie und die Damen und Herren der Redaktion wenigstens nachdenklich stimmen. Meine Frau und ich bleiben regelmäßige Hörer des Tagesgesprächs; aber anrufen werde ich nicht mehr.
 
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Werner

Thomas Meyerhofer ist u. a. Moderator der Sendung Sozusagen! Bemerkungen zur deutschen Sprache und Leiter der Redaktion Hörerforum und Medienkritik, die das Tagesgespräch in Bayern 2 macht.

Trotz persönlicher Empfangsbestätigung hat Herr Meyerhöfer nicht geantwortet, auch nicht nach meinem Schreiben an den Intendanten.

 



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