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Sprache / Deutsche Sprachwelt DSW / D.Ein Sturm der Entrüstung
 

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Ein Sturm der Entrüstung
 Ministerpräsident Oettinger verteidigt sich gegen Vorhaltungen der DSW-Leser
von Thomas Paulwitz

Deutsche Sprachwelt AUSGABE 23 - Frühling 2006

„Deutsch bleibt die Sprache der Familie, der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest, aber Englisch wird die Arbeitssprache.“ Jeder Deutsche müsse Englisch verstehen und sprechen. „Das wird die entscheidende kommunikative Aufgabe nächsten Jahres sein. Deswegen haben wir in Baden-Württemberg, ab der Grundschule, 1. Klasse, Englisch eingeführt.“

Mit dieser Aussage, verkündet im vergangenen November, katapultierte sich der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger ohne großen Umweg in die Sprachsünder-Ecke der DEUTSCHEN SPRACHWELT. Viele, sehr viele Leser der DSW folgten dem Aufruf und taten Oettinger ihren Widerspruch kund – und erhielten Antwort. Auf immerhin drei Seiten bemüht sich die baden-württembergische Staatskanzlei, den Eindruck umzukehren und Oettinger statt dessen als Sprachwahrer darzustellen. Seine Äußerungen im Fernsehen des Südwestrundfunkes hätten eine Zuspitzung erfahren, heißt es in dem Antwortschreiben beschwichtigend. Natürlich hat jeder Bürger, der sich beschwerte, die gleiche Standardantwort erhalten; was hätte die Staatskanzlei aber auch anderes tun sollen angesichts der Flut von Protestbriefen! Danke für Ihren Einsatz, liebe Leser!

Oettinger rudert ein Stück zurück. Jetzt heißt es nicht mehr, daß jeder Englisch können müsse, sondern diejenigen, die „in einer globalisierten Welt eine Tätigkeit mit internationalem Bezug“ ausübten. Oettinger bringe der deutschen Sprache „hohe Wertschätzung“ entgegen und sei sich seiner „Verantwortung voll und ganz bewußt“. Das zeige sich unter anderem darin, daß er sich dafür ausgesprochen habe, daß Deutsch die Sprache der Familie bleibe. Als Sprachenbeauftragte des Bundesrats setze sich das Bundesland dafür ein, „daß auch in Europa die Gleichberechtigung des Deutschen neben dem Englischen erhalten bleibt“.

So einfach lassen wir Mi(ni)sterpräsident Oettinger jedoch nicht davonkommen. Wir geben erst Ruhe, wenn er die Politiker-Selbstverpflichtung zu gutem Deutsch unterschreibt (siehe Seite 3). Bitte schreiben Sie ihm und fordern auch Sie ihn zur Unterschrift auf!

Sprachsünder Ministerpräsident Günther H. Oettinger MdL, Richard-Wagner-Straße 15, D-70184 Stuttgart, Fernruf +49-(0)711/-2153-438, Telefax +49-(0)711/ 2153-211

Aus Protestbriefen an den Sprachsünder Günther Oettinger

Was wird aus den kulturellen Werten?
Am sprachlichen Aushöhlungsprozeß, an dem wir gegenwärtig alle leiden, ist die Politik, werter Herr Oettinger, nicht ganz unbeteiligt. Die verbalen Versatzstücke, die Politiker heute verwenden, die semantisch leeren Worthülsen, die Flut von Anglizismen und so weiter sind nicht geeignet, unsere Sprache in Hochform zu halten. Dabei sollte eine der wichtigsten kulturellen Herausforderungen der Zeit doch sein, unserer Sprache Wirkung und Schlagkraft zu verleihen, ihre wundervolle Klanglichkeit herauszustellen und auch das ästhetische Element ihrer Anmut und Genauigkeit in ihr zu erkennen und zu pflegen.

Statt dessen – mit Verlaub – faseln Sie von der Unausweichlichkeit weiteren Vordringens des Englischen. Dieses Unterrichtsfach in Klasse Eins einzuführen ist lobenswert. Aber doch nicht, um damit das Ende unserer eigenen Sprache schneller herbeizuführen! Haben Sie eine Vorstellung davon, daß Muttersprache auch eine soziale Bindekraft hat? Daß sie bestens geeignet ist, Sozialisation zu schaffen, ja Wärme zu spenden! Daß sie damit viel mehr leistet als bloße Kommunikation! Unsere großen Schriftsteller in der Emigration wußten ein Lied davon zu singen.

Wissen Sie, die Russifizierung in der DDR ist mir vierzig Jahre lang ziemlich auf den Geist gegangen. Die Englifizierung und Amerikanisierung in Deutschland tun dies heute in mindestens dem gleichen Maße. Wir sind heute dazu übergegangen, uns fast vollständig den materiellen Dingen zu unterwerfen, eine gegenwartkritische Kraft ist in dieser Hochglanzgesellschaft fast nirgends zu verspüren. Kulturelle Werte sind fast nirgendwo mehr gefragt. Wenn selbst Politikern wie Ihnen die Einbildungskraft dafür abgeht, was an Werten und Geistigem diesem Volke wirklich fehlt, dann kann ich nur hoffen, daß wenigstens Ihre Äußerungen zu sozialen und ökonomischen Sachverhalten von mehr Verstand und Verantwortungsgefühl geprägt sind.
Jürgen Schaepe

Durch Anbiederung zu Ansehen?
Als wenn ein Volk nur durch Anbiederung an andere Kulturen zu (wirtschaftlichem) Erfolg und Ansehen in der Völkergemeinschaft käme. Wie denn, so frage ich Sie, kam so ganz ohne „Arbeitsenglisch“ unser Wirtschaftswunder der 60er bis 80er Jahre zustande? – Genau das Gegenteil ist nämlich der Fall, wie der moralische wie ökonomische Abstieg Deutschlands seit Beginn der Globalisierung zeigt.
Dr. Gottfried Briemle

Wußten Sie das nicht?
Je gegliederter eine Sprache ist, um so höher ist ihr kultureller Stand, und um so differenzierter denkt der Mensch. Wußten Sie das nicht?
Friedrich Brunner

Wahlkampf auf englisch?
Sie wollen Deutsch nur noch nach Feierabend sprechen! Folglich werden Sie wohl Ihre Wahlkampfreden im kommenden Wahlkampf auf englisch halten. Das finde ich gut, weil die Wähler Sie sicher dann in der Ecke der Sprachsünder stehenlassen werden.
Prof. Dr. Ludwig Cambeis

Dümmliche Äußerungen
Unser bürgerlicher, überwiegend der CDU nahestehender Seniorenkreis hat in seiner letzten Sitzung vor Weihnachten sein Entsetzen über die sicherlich dümmlichen Äußerungen des derzeitigen Ministerpräsidenten Oettinger zum Ausdruck gebracht.
Dr. Wilhelm A. Dünwald

Massenverblödung
Welche Möglichkeiten sehen Sie, die deutsche Feierabendsprache ganz abzuschaffen? Nachdem Sie in der Grundschule ab der 1. Klasse Englischunterricht einführen und bereits darüber gesprochen wird, im Kindergarten ebenfallsdie englische Sprache einzuführen, müßte sich doch von klugen Leuten ein Weg finden lassen, Neugeborene mit der englischen Sprache zu beglücken. Statt „Mama und Papa“ wird den Kleinen dann eben „Mam and Dad“ beigebracht. Es muß doch möglich sein, bei der Massenverblödung den USA einen Schritt voraus zu sein und diese von Platz 1 zu verdrängen.
Karl Haller

Bleiben Sie hart!
Vermutlich werden Sie wegen Ihrer Englisch-Präferenz nun wieder umfassend gescholten; Goethe-Institute und die paar Männekes, die sich da für Deutsch und alles, was damit zusammenhängt, interessieren, werden aufschreien. Ich aber sage: Bleiben Sie hart! Englisch muß Arbeitssprache werden, vor allem in Ihren in Kürze stattfindenden Wahlkampfveranstaltungen.
Heinz Heußer

Granatenbachel
Wenn Sie die in der DEUTSCHEN SPRACHWELT zitierten Sätze wirklich gesagt haben, sind Sie, um es einmal auf gut badisch-schwäbisch zu sagen, nicht nur ein Granatenbachel, sondern auch ein Totengräber deutscher Sprache und Kultur. Wann darf man eigentlich die ersten Sitzungen Ihres Kabinetts und des Landtags in Englisch bewundern?
Gerhard Hauser

Der Entwicklung hinterher
So sehr ich den Ansatz begrüße, daß Englisch die alltägliche Arbeitssprache wird, so muß ich dennoch darauf hinweisen, daß Sie der inzwischen tatsächlich eingetretenen Entwicklung leider weit hinterherlaufen. Ihre Idee, Englisch mit Beginn der 1. Grundschulklasse einzuführen, entspricht bereits nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten. Meine Frau ist Erzieherin in unserem kommunalen Kindergarten. Ein Teil der Spiele mit pädagogischem Hintergrund, die in Fachverlagen angeboten werden, erscheint gottlob bereits jetzt nur noch mit englischen Begleittexten, Tendenz steigend. Als mündiger Bürger fordere ich Sie hiermit auf, Deutsch als Umgangssprache möglichst umgehend zu verbieten. Bereits von Geburt an ist ihr Gebrauch nicht mehr zu gestatten.
Hans Hilpisch

Es war ein Gestottere
Ein Volk, das seine Sprache aufgibt, gibt sich selbst auf. Wir haben eine Enkelin in Baden, deren schulische Fortschritte ich genau verfolge. Im ersten Jahr der Grundschule nahm man jeden Monat zwei Buchstaben des Alphabets durch. Da für alle 24 Buchstaben das Schuljahr zu kurz war, wurden noch die ersten Wochen des 2. Schuljahrs auf das Alphabet verwandt. Unsere Enkelin konnte dafür aber schon sagen – aber nicht schreiben –: „Good morning. My name is Eva“. Ende des 2. Schuljahres konnte sie noch nicht richtig lesen. Es war ein Gestottere, eher ein Buchstabieren.
E. H. Zimmermann

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