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Sprache / Deutsche Sprachwelt DSW / D.Was Benedikt XVI.
 

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Was Benedikt XVI. mit dem Papsthasser Müntzer verbindet
 Die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT haben die Sprachwahrer des Jahres 2005 gewählt
von Thomas Paulwitz

Deutsche Sprachwelt AUSGABE 23 - Frühling 2006


Radio Vatikan berichtete weltweit darüber, daß der Papst auf der Sprachwahrerliste der DEUTSCHEN SPRACHWELT stand, die Süddeutsche Zeitung raunte argwöhnisch, daß sich der Papst dabei „in einer seltsamen Runde“ befinde, doch die Thüringer Allgemeine hatte es zuerst entdeckt: Bei der Wahl zum Sprachwahrer des Jahres 2005 standen der Papst und die Stadt des Papstfeindes Thomas Müntzer auf einer Seite. Der Bauernführer Müntzer war in Mühlhausen Pfarrer und wurde dort auch 1525 enthauptet. Heutzutage hat die Stadt nicht den Papisten, sondern den Anglizismen den Kampf angesagt. Die Stadt steht dabei ganz in der Tradition des Theologen Müntzer, der die lateinische Sprache in der Messe durch die deutsche ersetzen wollte. Heute geht es, etwas profaner, um die Sprache der Gemeindebürokratie. Oberbürgermeister Hans-Dieter Dörbaum wies die Verwaltung an, keine überflüssigen englischen Ausdrücke mehr zu gebrauchen. Auch die Mühlhausener Geschäfte sollen nicht mehr mit „Sale“, sondern mit „Schlußverkauf“ die Kunden anlocken. Das fanden die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT so vorbildlich, daß sie der Stadt Mühlhausen in der Sprachwahrerwahl die meisten Stimmen gaben (30 Prozent).

Papst Benedikt XVI. folgt erst an dritter Stelle, aber mit einem beachtlichen Ergebnis: Er erhielt 18 Prozent der Stimmen. Daß Benedikt mit Recht zu den Sprachwahrern zu zählen ist, belegt seine soeben veröffentlichte Enzyklika „Deus caritas est“, die er in seiner Muttersprache erdachte und abfaßte; selbstverständlich in herkömmlicher Rechtschreibung. Die Deutsche Bischofskonferenz scheint hingegen an der Unfehlbarkeit des Papstes zu zweifeln, denn sie wandelte den Glaubenstext in die Schreibweise der Rechtschreibreformatoren um. 93 Prozent dieser Änderungen sind übrigens auf die reformierte s-Schreibung zurückzuführen, die der Rechtschreibrat gemäß Vorgabe der Kultusministerkonferenz nicht behandeln durfte.

Daß die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT erkannten, daß der Rechtschreibrat keine unabhängige Einrichtung ist, sondern eine Beruhigungspille der Kultusminister, mag verantwortlich dafür sein, daß Hans Zehetmair mit sechs Prozent der Stimmen nicht auf den vorderen Plätzen zu finden ist. Ein Leser schrieb, um Zehetmair wählen zu können, müßte dieser „schon öffentlich erklären, daß die Rechtschreibreform ein in vielem sprachwidriges Machwerk war“. Im Vergleich mit dem Vater der „Zehetmair-Reform“ kommt die Rechtschreibrebellin Josephine Ahrens ungleich besser weg. Die Schülerin, die es ablehnt, in der Schule die reformierte Rechtschreibung anzuwenden, und mit dieser Haltung vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht erfolgreich war, erhielt 29 Prozent der Stimmen und damit fast so viele wie die Stadt Mühlhausen. „Josephine Ahrens ist für mich die Sprachwahrerin 2005, weil sie sich nicht untergeordnet hat und auch keine Rechtswege gescheut hat“, schrieb ein Leser. Eine andere Leserin begründete ihre Stimme für Ahrens damit , daß es „für ‚normale‘ Einzelkämpfer besonders schwierig ist, sich gegen den Strom zu stellen“. In einer weiteren Leserzuschrift hieß es, die „mutige Schülerin“ stehe noch am Anfang und „sollte für ihren Einsatz gewürdigt und in ihrer eingeschlagenen Richtung bestärkt werden“.

Ein achtbares Ergebnis erzielte auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus (acht Prozent). Seinen unermüdlichen Einsatz für die deutsche Sprache bewies er jüngst zum Welttag der Muttersprache am 21. Februar, an dem er eine „Schuloffensive für die deutsche Sprache“ forderte: „Die Bedeutung der Sprache für die Entwicklung und für die Bildungsbiographie eines heranwachsenden Menschen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Vor allem die Muttersprache ist die ‚via regia‘ zur Kultur, zur Persönlichkeitsbildung und zum Denken. Die Sprache ist Bindeglied für ein Gemeinwesen und eine Nation, über die Sprache erwirbt der Mensch seine kulturelle oder nationale Identität; er nimmt mittels Sprache zudem Anteil an kulturellen und zivilisatorischen Errungenschaften.“

Werner Kieser, dessen Name mit dem Krafttraining verbunden ist, war vielen Sprachfreunden noch unbekannt, da seine sprachpflegerischen Bemühungen erstmals mit dem Vorschlag der DEUTSCHEN SPRACHWELT einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurden. Deswegen hatte er es schwer, sich gegen die bekannteren Kandidaten durchzusetzen. Daß die Stimmen, die Kieser erhielt (vier Prozent), auf keinen Falschen gefallen sind, belegt ein Auszug aus einer Anweisung an seine Mitarbeiter: „Es geht darum, auch bei Texten und in der Werbung ‚Profil‘ zu zeigen, nämlich sich klar und deutlich auszudrücken. Meiden Sie daher Modewörter, Gemeinplätze und Anhängsel. Verzichten Sie auf Anglizismen, wenn es ein deutsches Wort dafür gibt.“

Über die Liste der DEUTSCHEN SPRACHWELT hinaus machten die Leser weitere Vorschläge für Auszeichnungen. Karin Kahlert wurde genannt, weil sie trotz Behinderungen nicht aufhört, weiter gegen die Rechtschreibreform zu kämpfen: „Trotz Kinderlähmung, Nachfolgen eines Schlaganfalls, trotz einer nierenkranken Mutter, von der sie über ihre Kräfte hinaus gefordert wird, hört Frau Kahlert nicht auf, Protestbriefe an Politiker zu schreiben und Telefonkontakt zu mehreren Rechtschreibreformgegnern zu halten.“

Des weiteren erhielt Ulrich Werner aus München Unterstützung, der mit seinem Netzauftritt www.sprache-werner.info mit einem Umfang von etwa 1.000 Seiten und mit großem Einsatz jeden Tag Tausende über die Wahrung der deutschen Sprache unterrichtet. Der Dichter Wilhelm Deinert bekam Fürsprache, „weil er nicht nur gute Beiträge für die DEUTSCHE SPRACHWELT geliefert hat, sondern weil er sich auch ungemein dafür einsetzt, die alten Schätze der deutschen Sprache in unserem Bewußtsein zu erhalten, was er auch mit seinen eigenen Arbeiten tut, indem er an verschiedene Traditionen anschließt (www.wilhelmdeinert.de).“

So sind es oft gerade auch die weniger beachteten Leistungen, die der deutschen Sprache Gewinn bringen und es verdient haben, wahrgenommen zu werden. Sie geben Hoffnung und spornen uns an, selbst tätig zu werden. Aus dem vorbildlichen und mitreißenden Handeln eines einzelnen kann auf diese Weise der Gesamtheit ein Vorteil erwachsen. Der deutschen Sprache ist eine solche Welle zu wünschen. Deswegen stellen wir regelmäßig Sprachwahrer vor. Es gibt sie nämlich immer noch, und es werden mehr.

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