Lieber Herr Prantl, am 11.07.2012
gut kommentiert, aber wie kann ein Markt Beifall bekunden? Nennen Sie doch beim Namen, wen Herr Schäuble meint, wenn er von der „Verunsicherung der Märkte bei einer Verzögerung der Geschäftsaufnahme der „ESM-Bank spricht. Es sind die Banken und vor allem deren Gläubiger, die verunsichert werden, weil der Ausgleich ihrer Verluste durch den Steuerzahler verzögert und womöglich auch noch in Frage gestellt wird.
Der freud´sche Versprecher (Lapsus linguae) von Herrn Schäuble am 11.07.2012 im Morgenprogramm des Deutschlandfunk „Ich habe einen Eid auf die Verfassung geleistet und bin Jurist Wir würden doch nie eine Entscheidung treffen die das Grundgesetz nicht verletzt! offenbart auf amüsante Weise, dass sich Schäuble und womöglich auch der Rest des Kabinetts nicht dem Grundgesetz und dem Wohl des deutschen Volkes verpflichtet fühlen, sondern vielmehr den Interessen der Hochfinanz zu Lasten der Allgemeinheit zuarbeiten.
Private Geldinstitute müssen sich rekapitalisieren oder Konkurs anmelden, wenn sie zahlungsunfähig werden. Das Rekapitalisieren ist jedoch die vornehme Aufgabe der jeweiligen Anteilseigner, die zuvor auch die Gewinne eingestrichen haben, und nicht etwa der steuerzahlenden Allgemeinheit. Derartige Verluste zu sozialisieren erfüllt in meinem Augen den Tatbestand der Untreue und begründet in Folge einen Schadenersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung national gegen den Bund und seinen handelnden Vertretern nach § 839 BGB sowie Art. 34 S. 1 GG und bei schadenverursachenden, rechtswidrigen Verstößen gegen Gemeinschaftsrecht (Verstoß gegen das Bail-Out-Verbot etc.) auf europäischer Ebene nach Art 288 Abs. 2, Art. 10 EGV. Insofern empfehle ich jedem bei der nächsten Steuerfälligkeit ggf. entsprechend mit Schadenersatzansprüchen gegenüber dem Bund die Aufrechnung zu erklären, auf einen Abrechnungsbescheid durch die Finanzkasse zu bestehen und bei Bestreiten der Forderung durch den Aufrechnungsgegner (Finanzamt) den Anspruch gerichtlich klären zu lassen.
Herr Schäuble übersieht in seiner Panikmache vor dem Parlament, dem Bundesrat und dem Bundesverfassungsgericht, dass das Kabinett ein Organ der Exekutive und nicht der Legislative ist. Es stünde ihm daher als Vertreter der Exekutive und als vorgesehener Gouverneur im ESM, also einem in der Sache Befangenen, bis zu einer endgültigen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht gut an, sich wenigstens jetzt zurückzuhalten.
Eigentlich hätte es Herrn Schäuble als Jurist auffallen müssen, dass ein deutscher Finanzminister aufgrund Art. 66 GG inkompatibel für einen Job als Gouverneur im ESM ist. Die Finanzinstitution ESM ist nach Art. 22 Nr. 1 ESM-Vertrag ertragsorientiert. Die Gouverneure sind nicht vergleichbar mit einem Aufsichtsrat, sondern sie leiten, wie der Name schon impliziert, den ESM. Nach Art. 5 Nr. 7 n ESM-Vertrag bestehen für die Gouverneure unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten. Die Option der Genehmigung durch den Bundestag bezieht sich jedoch nur auf die Nebentätigkeit in einem Aufsichtsrat. Die steuernde und leitende Tätigkeit neben dem Amt als Minister ist daher verfassungswidrig, ein Gesetz, das eine solche Nebentätigkeit implementieren will, ebenso.
Das Bail-Out-Verbot betrifft nicht nur die EURO-Staaten, sondern alle Mitgliedsstaaten der EU. Gerade dieses Verbot impliziert, dass auch ein Mitgliedsstaat der EU, und zwar unabhängig von seiner Währung zahlungsunfähig, also ein Fall für den Pariser Club werden kann. Die Folge ist ein Schuldenschnitt zu Lasten derer, die in die entsprechenden Anleihen oder spekulativen Konstrukte investiert haben.
Seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1829 leistete sich Griechenland fünfmal einen Staats-bankrott. Auch heute ist Hellas ein Sorgenkind mit einem Schuldenberg in Höhe von etwa 350 Milliarden Euro.
Bis 1800 war Portugal nur ein einziges Mal zahlungsunfähig, im Jahr 1560. Dann erlitt das Land im 19. Jahrhundert fünfmal den Staatsbankrott: 1828, 1837, 1841, 1852 und 1890. Heute kämpfen die Portugiesen wieder gegen den finanziellen Ruin.
Spanien ist der Spitzenreiter, wenn es um Staatsbankrotte geht. 13 Mal war das Land schon pleite. Vier Insolvenzen gehen allein auf König Philipp II. zurück, der sein Weltreich von 1556 bis 1598 beherrschte. Philipp zahlte Kredite nicht zurück, sanierte so seine Finanzen, hielt die leere Hand auf und bekam sie erneut gefüllt. Daran hat sich offen-sichtlich auch bis heute nichts geändert.
Frankreich - Kreditgeber können ihr gesamtes Geld plus Zinsen verlieren - und manchmal sogar ihr Leben. In Frankreich, das zwischen 1500 und 1800 mit großem Pomp gleich achtmal den Staatsbankrott ausrief, gingen die notorisch klammen Monarchen dazu über, inländische Gläubiger kurzerhand exekutieren zu lassen. Heute wird nicht mehr füsiliert, sondern im deutsch-französischen Schulterschluss fiskalisch schäubliert(1).
Staatspleiten sind daher weder neu, noch ungewöhnlich. Es liegt wohl in der menschlichen Natur, ab und an nicht sorgsam mit seinen Ressourcen und Geldgebern umzugehen, die eigenen Taschen auf Kosten anderer zu füllen oder anders formuliert, mit lobby-freundlichen Gesetzen fremdes Geld für eigene Zwecke ausgeben zu lassen. Einflussreiche Menschen aus der Hochfinanz lassen die Polit-Puppen tanzen. Nun ist es Dank aufmerk-samer Bürger und Abgeordneter die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, den außer Rand und Band geratenen Akteuren, einschließlich der Abgeordneten, die den ESM-Vertrag womöglich weder gelesen noch verstanden haben, sondern nur der panikmachenden Demagogie gefolgt sind, die Grenzen des erlaubten Handelns aufzuzeigen.
Es stellt sich die Frage, wovor der EURO gerettet werden soll? Ist Geld verschwunden? Nein. Es geht im Kern darum, dass Markteilnehmer ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Hier ist das Management und die Haushaltsführung gefordert, sich im Wettbewerb überlebensfähig aufzustellen. Für geeignete, faire Rahmenbedingungen hat die Politik Sorge zu tragen. Die EZB hat mehr, als ausreichend Liquidität zur Verfügung gestellt. Die Währung hat damit nichts zu tun. Selbst eine Volkswirtschaft, die bei Zahlungsunfähigkeit zu einem Schuldenschnitt gezwungen ist, muss nicht die Währung wechseln. Große marode Markteilnehmer, werden nur dann relevant systemschädlich, wenn sie nicht durch ihre bestehenden oder neue Anteilseigener rekapitalisiert werden, keinen Schuldenerlass erhalten oder nicht nach Insolvenzrecht liquidiert werden. Der ESM ist nicht geeignet, faire Rahmenbedingungen zu schaffen, sondern ein unkontrollierbarer Behemoth zur planwirtschaftlichen Manipulation und straflosen Insidergeschäften. Auf Preisstabilität zu achten und die €-Währung zu hüten, ist Aufgabe der EZB, die auch die Geldmenge steuern kann. Einen ESM, der in Notfällen Lücken in einem Staatshaushalt bedingt zwischenfinanzieren kann, halte ich für zweckdienlich, einen ESM, der private Finanzinstitute stützt und in die Finanzmärkte eingreift für wettbewerbsschädlich.
Es ist an der Zeit, weitere, verbindliche Regeln für den Bankrott von Staaten und Banken festzuschreiben und die „Gouverneure rekapitalisierter Objekte nicht in Amt und Würden in die nächste Havarie steuern zu lassen, sondern in die finanzielle Verantwortung zu nehmen und ebenso zu behandeln, wie dies mit Bankrotteuren nach geltendem Recht zu geschehen hat. Das gilt auch für Politiker. Wer unsere Steuern versenkt, sollte aus reinem Eigennutz haftbar gemacht und nicht wieder in verantwortliche Positionen gewählt werden.
Mit besten Grüßen
Matthias M. Werner Albert-Schweitzer-Str. 20 853675 Neufahrn bei Freising
(1)Synonym für vergemeinschaften oder sozialisieren
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