Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Gehirn - Geist / Artikel Übersicht / Ergebnis der Evolution
 

  < zurück erweiterte Suche Seite drucken
 

Das Gehirn, Ergebnis der Evolution

Entstehung, Aufbau und Daten

Es gibt im gesamten Universum kein Gebilde, das komplexer ist als unser Gehirn, jedenfalls nach dem heutigen Wissensstand. Auch die Ergebnisse seiner Funktionen sind unübertroffen vielschichtig und vielseitig, ob schön oder häßlich, erfinderisch oder absurd. Alles, was Menschen und Menschheit ausmacht, beruht auf ca. 1300 Gramm Eiweiß, das in einem Gebilde nicht größer als eine Grapefruit konzentriert ist. Darin finden die entscheidenden Vorgänge in einer nur zwei Millimeter dünnen Schicht, der Großhirnrinde, statt. In jedem Kubikmillimeter sitzen rund 40 000 kleine graue Zellen, die untereinander mit rund fünf Kilometern hauchdünner Nervenleitungen verbunden sind.

Erst recht sind die Gesamtdaten des Gehirns, dem wichtigsten Teil des Zentralnervensystems beeindruckend:

  • Es enthält insgesamt etwa hundert Milliarden Nervenzellen (Neuronen). Das sind mehr Zellen, als die Milchstraße Sterne hat.
  • Jede einzelne Nervenzelle kann mit bis zu 10 000 anderen über insgesamt ca. 100 Billionen (= 10 hoch 14) Synapsen mittels Aktionspotentiale in Wechselwirkung treten. Die Anzahl aller möglichen Verbindungen zwischen allen Hirnzellen ergibt eine Zahl, die größer ist als die Anzahl der Atome im gesamten Universum. Zwar sind nur ein Teil dieser Verbindungen realisiert, aber theoretisch könnte jede Zelle mit jeder Schwesterzelle Kontakt aufnehmen.
  • Die eine Million Kilometer langen, die elektrochemischen Signale weiterleitenden Nervenfasern (Axone), würden hintereinander gelegt 25-mal den Äquator umrunden.
  • Die Aktivierungsdauer zum Erzeugen von Erregungsmustern ist so kurz, daß innerhalb einer Sekunde Millionen von Erregungsmustern in einer großen Anzahl von Neuronenschaltkreisen in verschiedenen Hirnregionen entstehen.
  • Weitere Nervenfasern (Axone), zu Nerven gebündelt, stellen eine Verbindung mit dem Rückenmark und dem peripheren Nervensystem her. Fast jeder Körperteil, jeder Muskel, jedes Gelenk und jedes innere Organ kann Signale zum Gehirn schicken und von ihm erhalten .
  • Das Gehirn ist mit einem zweiten Gehirn, dem "Bauchhirn" (enterisches Nervensystem) verbunden, das den Verdauungstrakt mit 100 Millionen Nervenzellen umhüllt, Nervenbotenstoffe produziert, auf Psychodrogen reagiert und autonom arbeitet. Es sendet mehr Signale zum Kopfhirn, als es von dort empfängt. Es kann erkranken und eigene Neurosen entwickeln und läßt uns intuitiv "aus dem Bauch" entscheiden.
  • Mit dem gesamten Körper besteht über den Blutkreislauf ein gegenseitiger Signalaustausch (über Hormone, Transmitter und Modulatoren).
  • Etwa ein Fünftel der gesamten Energie, die der Mensch verbraucht, benötigt das Gehirn für seine Arbeit.

Wenn man sich diese Tatsachen vor Augen hält, versteht man, daß die Möglichkeiten, die in jedem unserer Gehirne stecken, ungeheuer vielfältig sind und daß auch die Gehirne von eineiigen Zwillingen ungleich sein müssen. Vor allem grenzt es an ein Wunder, daß dieses Gesamtsystem überhaupt funktioniert, und es scheint verständlich, daß wir noch lange brauchen werden, um das Ergebnis seiner langen Entwicklung völlig zu verstehen.

Das Gehirn hat sich innerhalb der Evolution erst nach und nach gebildet. Im Inneren liegen die entwicklungsgeschichtlich ältesten Teile, die nach außen immer weiter ergänzt wurden, bis schließlich ganz außen als letzte Erfindung der Evolution die Großhirnrinde entstand. So besteht unser Hirn heute aus verschiedenen Teilen, die unterschiedliche Aufgaben erledigen, aber untereinander eng verbunden sind.

Das Stammhirn (Medulla) ist der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil. Es entstand schon vor rund fünfhundert Millionen Jahren. Weil es dem Hirn der Reptilien ähnelt, nennt man es manchmal auch das Reptilienhirn. Es dient vor allem dazu, die lebensnotwendigen körperlichen Grundfunktionen wie Herzschlag und Atmung aufrechtzuerhalten. Außerdem regelt es die unbewußten Bewegungen wie Kauen, Schlucken, Verdauung und koordiniert sie untereinander.

Hinter dem Stammhirn liegt das Kleinhirn (Cerebellum). Es ist verantwortlich für die Bewegungs-steuerung. So reguliert es die Körperhaltung, die Bewegung der Gliedmaßen und der Augen und ist beteiligt beim Erlernen von motorischen Fähigkeiten.

Entwicklungsgeschichtlich etwas jünger ist das limbische System. Es entstand vor etwa zwei- bis dreihundert Jahrmillionen. In Säugetieren ist es besonders hoch entwickelt. Neben seiner Aufgabe, die Körpertemperatur, den Herzschlag, den Blutdruck und den Blutzuckerspiegel zu regulieren, sorgt es vor allem für die instinktiven emotionalen Reaktionen, die für unser Überleben notwendig sind.

Zum limbischen System gehören der Hypothalamus und die von ihm gesteuerte Hypophyse oder Hirnanhangdrüse. Hier liegt die Schnittstelle zwischen dem hormonellen und dem nervösen System des Körpers. Obwohl diese Region nur die Größe einer Erbse hat, steuert sie Hunger, Durst und sexuelles Begehren. Die Hormone der Hirnanhangdrüse beeinflussen außerdem das Wachstum, die Produktion von Sperma und Eizellen und die Färbung der Haut.

Der größte Teil des menschlichen Gehirns ist aber das Großhirn. Es besteht aus zwei Hälften (Hemisphären), die jeweils die gegenüberliegende Körperhälfte kontrollieren. Die beiden Hemisphären sind durch einen Balken von Nervenbahnen (Corpus Callosum) miteinander verbunden. Über ihn tauschen die beiden Hälften Informationen untereinander aus und können deshalb zusammenarbeiten.

Bestimmte Fähigkeiten sind in den beiden Hälften des Gehirns unterschiedlich stark entwickelt. So ist die linke Hemisphäre vor allem für die Sprache, für sprachliche Fähigkeiten und für logische Aufgaben zuständig. Die rechte Hälfte hingegen ist verantwortlich für nicht sprachliche Fähigkeiten, für das Erkennen von Gesichtern und für die räumliche Vorstellung.

Die vielfach gefaltete Oberfläche des Großhirns - volkstümlich Hirnwindungen genannt - ist bedeckt von einer dünnen Schicht, der Großhirnrinde (Cortex). Sie entstand erst vor rund zweihundert Millionen Jahren. Zunächst blieb sie aber relativ einfach; erst mit dem Aufkommen von Säugetieren vor rund 65 Millionen Jahren entwickelte sie eine kompliziertere Struktur. Der Mensch hat eine rund sechsmal so große Großhirnrinde wie der Schimpanse.

Im Cortex findet das eigentliche Denken statt. Er organisiert die Wahrnehmung und das Gedächtnis und entwirft Handlungspläne. Hier entsteht auch das Bewußtsein. Wenn man die menschliche Großhirnrinde glatt ausbreiten könnte, würde sie die Fläche eines Doppelbetts bedecken, rund vier Quadratmeter. Unter ihr befindet sich das Stütz- und Versorgungsgewebe.

Die innerhalb der vergangenen Jahrzehnte betriebene Erforschung des Gehirns, besonders seines inneren Aufbaus und seiner Funktionen führte zu der Erkenntnis, daß Geist und Seele, jahrhundertelang als Phänomene angesehen, die mit dem Körper nichts zu tun haben, Ausdruck körperlicher Gegebenheiten sind, die durch das Zusammenwirken von Nervenzellen in unserem Gehirn erzeugt werden. Die Verdrahtung, d. h. die Verbindungen der Nervenzellen im Gehirn bestimmen unser Denken, Fühlen und Handeln.

Die Zurückführung geistiger und "seelischer" Eigenschaften des Menschen auf elektrochemische Prozesse, lange Zeit angezweifelt, bestritten und bekämpft, drängt immer mehr zu der Konsequenz anzuerkennen, daß es weder eine eigenständige Seele gibt noch ein unabhängiges Bewußtsein, noch einen freien Willen.

In den vergangenen 1 1/2 Jahren, also seit Niederschrift des vorstehenden Artikels, ist eine lebhafte Diskussion besonders über die Willensfreiheit des Mensch entstanden. Es wehren sich zunehmend die Philosophen dagegen, daß Neurologen und Hirnforscher die Oberhoheit im Meinungsstreit über die Möglichkeit freier Entscheidungen beanspruchen. Die große und ständig wachsende Zahl der Artikel, Interviews und Podiumsveranstaltungen zu diesem Thema erschwert es immer mehr, einen Überblick über die Meinungsvielfalt zu erhalten. Sogar die Quantenphysik wird neuerdings in Anspruch genommen, um die Willensfreiheit zu begründen.

ergänzt am 18.05.2005

Der freie(?) Wille ?



zum Seitenanfang < zurück Seite drucken