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Faule Eier legende Reform
 Das Chaos überwintert im Rechtschreibdiktatfrieden - Von Martin String

Deutsche Sprachwelt AUSGABE 30 Winter 2007/08, S. 4
Abdrucke mit freundlicher Genehmigung der DEUTSCHEN SPRACHWELT

„Rechtschreibfrieden“ verkünden die Kultusminister, „Endlich Sicherheit!“ jubelt der neueste Wahrig, und der Duden, „das millionenfach bewährte Standardwerk, das inzwischen aus keinem Haushalt … mehr wegzudenken ist“, preist seine Empfehlungen als „Wegweiser zu einer einheitlichen Schreibpraxis“ an.

Daß hier Propaganda und Wirklichkeit weit auseinander liegen, kann jeder, der liest, täglich leicht bemerken. So lese ich in Goethes „Reineke Fuchs“: „Kratzfuß war es, die beste der eierlegenden Hennen.“

Ich freue mich an dem hübschen Beiwort und denke, nach acht Jahren Verbot wird es wohl seit 2004 auch von der staatlich verordneten Reform wieder zugelassen sein, ebenso wie „laubtragend“ oder „fleischfressend“, die jetzt vom Duden nicht nur wieder erlaubt, sondern sogar der Reformschreibung „Laub tragend“ und „Fleisch fressend“ vorgezogen werden. Ein Stichwort „eierlegend“ gibt es im Duden nicht. Aber, siehe da, gleich zweimal, unter „Ei“ und unter „Wollmilchsau“ (!) findet man, daß der Duden nicht „eierlegend“, sondern „Eier legend“ empfiehlt: die „Eier legende Wollmilchsau“ nämlich.

Man könnte vermuten, er wäre hier bei der „Weiterentwicklung“ der Reform auf dem Stand von 2000 stehengeblieben, als noch das Kriterium der Steigerbarkeit galt. Damals durfte es zwar nach vier Jahren einer ausschließlich „Besorgnis erregenden“ Reform auch wieder eine „besorgniserregende“ geben, weil sie ja auch „noch besorgniserregender“ hätte ausfallen können; „laubtragende“ Bäume, „fleischfressende“ Tiere oder „eierlegende“ Hennen dagegen wurden nicht geduldet, weil sie gänzlich außerstande waren, eventuell auch noch „laubtragender“, „fleischfressender“ oder „eierlegender“ zu werden.

Die Vermutung wäre jedoch falsch. Denn 2004, als die famose „Eier legende Wollmilchsau“ im Duden Einzug hielt, waren unsere Schreibregeler (damals noch die Reformer selbst in der Rechtschreibkommission) gerade auf dem Gipfel der Toleranz gegenüber zusammengesetzten Adjektiven angelangt und hatten das genannte Zulassungskriterium wieder fallengelassen (Duden 2004, Seite 7). Die bewußte Sau durfte sich also ebensogut „eierlegend“ wie „Eier legend“ nennen.

Erst die restriktiven Empfehlungen des Duden 2006, die die tolerante Regelung von 2004 (das heißt die Wiederherstellung des alten Zustandes) unterlaufen, wollen wieder, wie die Reform von 1996, die Festlegung auf eine Schreibung: so „laubtragend“ und „fleischfressend“ nach der alten Weise, „Eier legend“ nach der Neuregelung. Entsprechend soll jetzt zwischen „hochgewachsenen, furchterregenden“ und „groß gewachsenen, Furcht einflößenden“ Gestalten unterschieden werden. Die „alleinseligmachende“ Kirche darf es überhaupt nicht mehr geben: sie soll „allein selig machend“ werden. Das Nebeneinender von „gutgelaunt“ und „gut gelaunt“, Musterbeispiel des alten Duden, soll verschwinden.

Was wird dadurch gewonnen? – Man vergleiche: „Wenn Sie nächstens wiederkommen, Herr Bezirkshauptmann“, sagte der allzeit gutgelaunte Hauptmann Wagner, „finden Sie schon ein kleines Monte Carlo vor!“ – und: „Einen so guten Tag wie heute erwischte man vielleicht niemals mehr! Die Götter waren gut gelaunt, und es war Donnerstag. Am Freitag aber!“ (Joseph Roth, Radetzkymarsch, Kapitel XI Ende und XII gegen Ende).

Die Kultusminister, die einst ausgezogen waren, den Duden mit Hilfe der Reform zu entmachten, ergreifen jetzt dessen Empfehlungen als willkommene Handreichungen, um sich mit ihrer Hilfe aus dem selbstangerichteten Schlamassel zu ziehen. Sie verwechseln die Beschränkung auf eine Schreibung‚ auch dort, wo aus gutem Grund zwei üblich sind, mit der Wiedergewinnung einer einheitlichen Rechtschreibung.

Und der Duden bestärkt sie darin, indem er – schon seit 2000 – falsch über den bisherigen Gebrauch informiert: er gibt (um zwei typische Beispiele zu nennen) allein „aufsehenerregend“ und „reichgeschmückt“ als „alte Schreibung“ an und reklamiert „Aufsehen erregend“ und „reich geschmückt“ für die Neuregelung. In Wirklichkeit kannte die alte Regelung jeweils beide Schreibungen und gab auch Hinweise auf den üblichen Gebrauch.

Schlechte Aussichten also für die „eierlegenden Hennen“! Sie müssen – um der „Sicherheit“ und des „Rechtschreibfriedens“, vor allem aber um der „Staatsräson“ willen – „Eier legend“ bleiben und dürfen „insektenfressende“ Schwalben und Spechte um ihr praktisches Attribut in einem Wort beneiden. Bis zum fünften Reform-Duden jedenfalls.

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