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Deutsche Sprachentwicklungsstudie
Frühkindliche Sprachentwicklung und spezifische Sprachentwicklungsstörungen

Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig

 

Forschergruppe: Frühkindliche Sprachentwicklung und spezifische Sprachentwicklungsstörungen

Beteiligte Fachrichtungen:
Allgemeine Sprachwissenschaft, Psycholinguistik, Neurolinguistik, Neuropsychologie, Entwicklungspsychologie, Pädiatrie, Neuropädiatrie, Pädaudiologie, Humanbiologie, Verhaltensbiologie.

Struktur und Ziele der Studie:
Im Allgemeinen erwerben Kinder die Kernbereiche der Grammatik und des Wortschatzes der Erwachsenensprache innerhalb ihrer ersten drei Lebensjahre. Etwa 3-8% der Kinder eines Jahrganges, bei denen sonst keine offensichtlichen Beeinträchtigungen wie neurologische Störungen, Hörschäden, mentale Retardierung, oder soziale Deprivation festzustellen sind, haben jedoch erhebliche Schwierigkeiten beim Erwerb ihrer Muttersprache (Grimm, 1999). Man spricht in diesem Fall von spezifischen Spracherwerbsstörungen. Diese Kinder zeigen unterschiedliche Auffälligkeiten, wie beispielsweise einen verspäteten Sprechbeginn, Wortschatzarmut, Verstehensschwierigkeiten, sowie Defizite im Bereich der Phonologie, der Morphologie, und der Syntax.

Trotz der intensiven Forschungen der letzten Jahre ist immer noch weitgehend unklar, worauf diese Störungen des Spracherwerbs zurückzuführen sind. Es liegt auf der Hand, dass diese Wissenslücken die Diagnose, Therapie und vor allem die Prävention von Spracherwerbsstörungen stark einschränken. Wenn die für den Spracherwerb entscheidenden Entwicklungsschritte in den ersten drei Lebensjahren getan werden, und wenn die Sprachentwicklung nur in diesem Zeitfenster, etwa aufgrund der hierfür notwendigen Plastizität des Gehirns, störungsfrei verlaufen kann, dann ist es für eine erfolgversprechende Intervention unerlässlich, Spracherwerbsstörungen und ihre ersten Anzeichen möglichst früh zu erkennen. Nur so können die mit Spracherwerbsstörungen verbundenen gravierenden Folgen für die geistige und soziale Entwicklung der Betroffenen und die sich daraus ergebenden erheblichen sozio-ökonomischen Kosten durch die Entwicklung neuer Interventionsmöglichkeiten aussichtsreich begrenzt werden. Die bisherigen Forschungen legen nahe, dass Sprachentwicklungsstörungen vermutlich das Resultat eines Zusammenwirkens von Faktoren aus unterschiedlichen Entwicklungsbereichen sind. Diskutiert werden sich nicht notwendigerweise einander ausschließende Erklärungsmodelle, deren Ansätze von genetischen und neuroanatomischen Abweichungen über perzeptuelle und kognitive Defizite bis hin zu rein sprachlichen Ursachen für die Spracherwerbsstörungen reichen (vgl. den Überblick bei Leonard, 1998).Das bedeutet, dass die Entstehung von Spracherwerbsstörungen nur durch interdisziplinäre Forschung geklärt werden kann.

Seit August 2000 wird nun ein solches Forschungsprojekt im Rahmen der interdisziplinären Forschergruppe "Frühkindliche Sprachentwicklung und spezifische Sprachentwicklungsstörungen" von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit etwa 1.500 000.- DM für zunächst 2 Jahre (mit Verlängerungsmöglichkeiten bis zu insgesamt 8 Jahren), zusätzlich zu der Finanzierung durch die beteiligten Institutionen, gefördert.

Das Projekt ist als vergleichende Längsschnittstudie angelegt. Sie soll während der ersten drei Lebensjahre bei 250 prä- und perinatal unauffälligen Kindern die normale und gestörte Sprachentwicklung in ausgesuchten Bereichen der vorsprachlichen Lautgebung (Schreien und Lallen), der Sprachproduktion, der Sprachwahrnehmung und der Sprachverarbeitung untersuchen. Parallel hierzu werden auch bestimmte Aspekte der kognitiven und sozial-kognitiven, sowie der auditiven, neurophysiologischen und neuropsychologischen Entwicklung, von denen angenommen wird, dass ein Zusammenhang mit der Sprachentwicklung besteht, verfolgt. Gleichzeitig wird auch die somatische und psychomotorische Entwicklung der Kinder kontrolliert und dokumentiert.
Bei einer Stichprobengröße von 250 Kindern ist zu erwarten, dass bei einer Reihe von Kindern Sprachentwicklungsstörungen auftreten. Diese Kinder sollen im Alter von 2 und 4 Jahren mithilfe unabhängiger Tests identifiziert werden. Durch den nachträglichen Vergleich der Entwicklung dieser Kinder mit der Entwicklung sprachlich ungestörter Kinder kann dann festgestellt werden, in welchen Bereichen sich die Entwicklungsverläufe zwischen den beiden Gruppen unterscheiden. Wir erwarten, dass sich Unterschiede sehr früh zeigen und damit als frühe Indikatoren Vorhersagen zu Sprachentwicklungsstörungen erlauben.

Die Hauptziele der Studie sind somit die Klärung davon, (1) welche Zusammenhänge zwischen ausgewählten Entwicklungsparametern in den verschiedenen Untersuchungsbereichen bestehen; (2) welche Unterschiede in der Ausprägung dieser Parameter im ungestörten und gestörten Spracherwerb mögliche Ursachen bzw. Ausdruck von Sprachentwicklungsstörungen darstellen; und (3) welche Entwicklungsparameter als Prädiktoren für den Sprachentwicklungsverlauf und damit als potentielle diagnostische Merkmale zur Früherkennung von Spracherwerbsstörungen dienen können.

Um die Frage der Persistenz von Spracherwerbsstörungen und deren Einfluss auf die kindliche Entwicklung in nicht-sprachlichen kognitiven Bereichen während der Vorschulzeit zu untersuchen, sollen im Alter von 4 und 5 Jahren Nachuntersuchungen mit derselben Gruppe durchgeführt werden. Mithilfe dieser Untersuchungen soll auch die Zuverlässigkeit der Vorhersagen über die sprachliche Entwicklung der Kinder überprüft werden.

Eine zentrale Forschungshypothese der Studie ist, dass Spracherwerbsstörungen auf einer eingeschränkten Sprachlernfähigkeit beruhen, bei der die folgenden Defizite vermutlich eine wichtige Rolle spielen:

1. Defizite im Bereich der Informationsverarbeitung. Sie können unter anderem darin bestehen, dass das Kind nicht in der Lage ist, im sprachlichen und nichtsprachlichen Input die für den Erwerb sprachlichen Wissens notwendigen Informationen, z. B. prosodisch-rhythmische Eigenschaften des Sprachsignals oder bestimmte Aspekte von Objekten oder Ereignissen wahrzunehmen.

2. Defizite der sprachlichen Lernmechanismen. Sie können darin bestehen, dass das Kind zwar Zugang zu den für den Spracherwerb relevanten Inputinformationen hat, seine Lernmechanismen jedoch diese Informationen nicht ausnutzen können. So etwa, wenn ein Kind, das über eine intakte rhythmische Perzeption verfügt, nicht in der Lage ist, diese Information für die Erkennung der Regeln nutzbar zu machen, die der deutschen Wortbetonung zugrundeliegen. Die Annahme ist, dass sich solche Beeinträchtigungen vor allem dann zeigen, wenn Inputinformationen unterschiedlichen Typs, wie etwa phonologische, semantisch-konzeptuelle und syntaktische Informationen miteinander in Beziehung gesetzt werden müssen.

3. Defizite auf der Ebene der grammatikalischen Repräsentationen, insbesondere der syntaktischen Dependenzen (z.B. Kongruenzerscheinungen, Fragekonstruktionen).
Neben der Überprüfung dieser Hypothesen sollen unsere Untersuchungen klären, worauf diese Verminderung der Sprachlernfähigkeit selbst wieder zurückzuführen ist, etwa auf zugrundeliegende perzeptuell-kognitive oder biologisch-genetische Beeinträchtigungen.


Diagramm 1: Überblick über die vorgesehenen Untersuchungen und die beteiligten Institutionen

Teilprojekte der Forschergruppe: (Mit Links)
 Normale und gestörte Sprachentwicklung: Sprachproduktion - Projektleitung: PD Dr. Zvi Penner & PD Dr. Kathleen Wermke

 Die Entwicklung der Phonemdiskrimination und deren Einfluss auf die Sprachentwicklung - Pädaudiologische Studienbegleitung: Prof. Dr. Manfred Gross & Dr. Karsten Nubel

 Neurokognitive Aspekte des Spracherwerbs und seiner Störungen - Projektleitung: Prof. Dr. Angela Friederici

 Die Entwicklung der Sprachverarbeitung bei normal sprechenden und spracherwerbsgestörten Kindern - Projektleitung: Prof. Dr. Jürgen Weissenborn & Dr. Barbara Höhle

 Die Bedeutung der kognitiven Entwicklung für den normalen und prospektiv gestörten Spracherwerb - Projektleitung: PD Dr. Sabina Pauen & Prof. Dr. Hellgard Rauh

Pädiatrische Studienbegleitung - Projektleitung: Prof. Dr. Volker Hesse

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