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Patentwesen / Artikel Übersicht / Müssen Patentansprüche
 

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Müssen Patentansprüche in der Beschreibung wiederholt werden?
Von Ulrich Werner

„Mitteilungen der deutschen Patentanwälte“ 1972, H. 8/9

* Die Vorschläge des Verfassers sind - wie die Schriftleitung erfährt - der Amtsleitung des DPA bekannt, werden von ihr z. Z. geprüft und sollen Gegenstand einer Erörterung mit den beteiligten Kreisen im Dezember 1972 sein.

Die seit dem 1. Januar 1972 wirksame Neugestaltung der Auslege- und der Patentschriften, wonach die Ansprüche an den Anfang der Beschreibung gesetzt werden, legt die Frage nahe, ob sich hieraus nicht auch Konsequenzen für die Fassung der Beschreibung, insbesondere der Beschreibungseinleitung ergeben. Bei der Abfassung dieses für die Auslegung des Patents sehr bedeutenden Teils der Unterlagen, der deshalb auch von den Beteiligten mit besonderer Sorgfalt behandelt wird, hat sich im Laufe der Zeit eine gewisse Gewohnheit herausgebildet, indem eine etwa gleiche Reihenfolge und Formulierung der gesetzlich vorgeschriebenen Angaben verwendet wird. So gehört es zur sog. Amtspraxis, den Wortlaut der Ansprüche ganz oder teilweise in der Beschreibungsanleitung anzuführen. Die Beschreibung beginnt mit „Die Erfindung betrifft" oder ähnlich, woran sich der Gattungsbegriff des Anspruchs 1 anschließt. Nach Angabe der Aufgabe folgt der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1, eingeleitet etwa mit „Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst". Entsprechend werden die Unteransprüche behandelt, wenn man sich nicht mit dem generellen Hinweis auf sie begnügt („Vorteilhafte Weiterbildungen sind in den Unteransprüchen angegeben").

Die Wiederholung von Ansprüchen in der Beschreibung trägt nicht zur Bildung des sachlichen Inhalts der Patentschrift bei. Sie darf auch dem Sinne nach nichts anderes aussagen, als sich aus den Ansprüchen herleiten läßt. In Abhängigkeit vom Ausmaß der Wiederholung steigt aber der Aufwand für Schreiben, Lesen, Korrigieren, Prüfen und Drucken der Unterlagen. Außerdem läßt sich das nochmalige Anführen des Patentbegehrens nicht mit den Bestrebungen in Einklang bringen, das Erteilungsverfahren zu beschleunigen.

Unabhängig davon, ob der Anmelder die Ansprüche an den Schluß oder eventuell künftig in Anpassung an die Neugestaltung der Auslegeschriften an den Anfang der Beschreibung setzt, werden zuerst die Ansprüche geprüft und danach die übrigen Unterlagen, insbesondere die Beschreibungseinleitung in Abhängigkeit von der Fassung der Ansprüche neugefaßt oder geändert. Um nicht wiederholt neue Unterlagen einreichen zu müssen, bevor Einigkeit über die Fassung der Ansprüche besteht, beschränken sich die Anmelder in der Regel darauf, zunächst in der Eingabe den Stand der Technik (St.d.T.) zu würdigen, die Aufgabe zu präzisieren und die Vorteile zu schildern. Die neuvorgelegten Ansprüche können aber erst im Zusammenhang mit einer „angepaßten", d. h. die eben genannten, vorerst nur in der Eingabe stehenden Angaben enthaltenden Beschreibung beurteilt und gegebenenfalls für gewährbar erklärt werden. Für die Prüfung des neuen Patentbegehrens können zwar zunächst die Ausführungen in der Eingabe dienen; ob jedoch der Anmelder die in jedem Fall einzureichende neue Beschreibungseinleitung sachlich inhaltsgleich mit der früheren Eingabe abfaßt, ist nicht sicher. Die später eingehenden Unterlagen müssen daher ebenfalls geprüft werden, ob die darin enthaltenen Angaben über den St.d.T., die Aufgabe und die Vorteile dem Sachverhalt Rechnung tragen.

Immer dann, wenn die neuen Ansprüche ohne wesentliche Änderungen gewährbar sind (mit der Unterstellung, daß die noch vorzulegende Beschreibungseinleitung im Sinne der Ausführungen in der entsprechenden Eingabe abgefaßt wird), liegen keine beschlußreifen Unterlagen vor. Der Anmelder muß daher aufgefordert werden, die „angepaßte" Beschreibungseinleitung einzureichen, wodurch das Verfahren verzögert wird. Obwohl im Falle eines Widerspruchs zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung der Wortlaut der Ansprüche gilt, wird die Rechtssicherheit nicht erhöht, wenn Widersprüche vorhanden sind. Ihr Entstehen wird dadurch begünstigt, daß der Wortlaut der Ansprüche in der Beschreibungseinleitung nicht mit der gleichen Aufmerksamkeit gelesen wird wie die Ansprüche selbst. Beim Textvergleich, der auch von Schreibkräften durchgeführt wird, sind Fehler nicht ausgeschlossen.

Der Einwand, die Wiederholung der Ansprüche in der Beschreibungseinleitung ermögliche das flüssige Lesen der Patentschrift, ist mindestens seit dem 1. Januar 1972 nicht mehr stichhaltig, weil die Ansprüche am Anfang der Beschreibung stehen. Außerdem werden meistens die Teile der Beschreibung beim Lesen übergangen, die als Wiederholung von Ansprüchen erkennbar sind.

Im Bestreben, durch Rationalisierung des Verfahrens seine Beschleunigung zu erreichen, wird vorgeschlagen, die wörtliche Wiederholung der Ansprüche in der Beschreibungseinleitung zu vermeiden und allenfalls durch die direkte Bezugnahme auf sie zu ersetzen: Die Beschreibung beginnt danach mit dem St.d.T. oder der Problemstellung. Die Angaben zur Aufgabe werden eingeleitet etwa mit der Formulierung „Der im Anspruch 1 angegebenen Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde,...". Neben dem allgemeinen schon oben erwähnten Hinweis auf die Unteransprüche können die Vorteile der Gegenstände einzelner Unteransprüche hervorgehoben werden mit: „Bei Ausgestaltung der Vorrichtung nach Anspruch x wird erreicht, daß . . ." etc. Ferner wird angeregt, zur Erhöhung der Übersichtlichkeit Überschriften zu verwenden, z. B. „Stand der Technik", „Aufgabe", „Vorteile" und „Darstellung der Erfindung" (1).

Die gestraffte Fassung der Beschreibung verringert den Schreib-, Prüf- und Druckaufwand. Kürzere Unterlagen sind auch übersichtlicher. Der Anmelder kann bereits nach dem ersten Prüfungsbescheid die Beschreibungseinleitung anpassen und damit beschlußreife Unterlagen vorlegen, weil er sie nicht mehr ändern muß, wenn sich nur die Fassung der Ansprüche ändert. Die Anpassung der Beschreibungseinleitung kann gezielt erfolgen, weil sich der auf einen bestimmten Anspruch beziehende Teil der Beschreibung durch die Bezugnahme auf den Anspruch leicht feststellen läßt. Es braucht damit nicht die gesamte Beschreibungseinleitung neu geschrieben zu werden, was häufig geschieht und eigentlich unnötig ist.

Der Vorschlag, den Wortlaut des Anspruchs in der Beschreibung nicht zu erwähnen, ist nicht neu. So hat Bartels (2) unter der Überschrift „Eine Anregung, die Beschreibung einer Patentschrift zu straffen" festgestellt: „Die Not mit dem ständig wachsenden Schrifttum ist Veranlassung genug, auch die heutige Abfassung der Beschreibung einer Patentschrift kritisch zu betrachten." Er hatte in der Patentschrift 920 892 entdeckt, daß dort anstelle der üblichen Wiederholung des Anspruchs 1 lediglich eine direkte Bezugnahme auf ihn angegeben war. „Der Weg, der hier gewiesen wird, verdient Beachtung" meint er und verweist auf die Vorteile, die er brächte: „Bei der oft erheblichen Platzbeanspruchung würde sich eine ins Gewicht fallende Ersparnis im Umfang der Patentschrift und darüber hinaus eine der Auslegung der Erfindung förderliche Übereinstimmung von Beschreibung und Ansprüchen ergeben. Schließlich würde die zeitraubende Anpassungsarbeit der Beschreibung an ein im Erteilungsverfahren geändertes Anspruchsbegehren mindestens zum Teil entfallen."

Auch Kumm regte in seinem Aufsatz „Die technische Analyse und rationelle Beschreibung technischer Erfindungen" (3) an, die Formulierung „Die technische Erfindung ist im Patentanspruch definiert" (4) zu verwenden. Er führt aus: „Diese Formel gilt immer, auch wenn einer der Ansprüche während des Erteilungsverfahrens gestrichen oder abgegrenzt werden muß. Ihr Schönheitsfehler - man soll ja zwischendurch die erst am Beschreibungsende stehenden Patentansprüche lesen - ist dagegen belanglos. Zumal der Praktiker auch den herkömmlichen, an die Ansprüche meist nur torsohaft ,angepaßten' Beschreibungsteil nicht beachtet." (5)

Für die Prüfung der Frage, ob die vorgeschlagene gestraffte Fassung der Beschreibungseinleitung (unter Verzicht auf die Wiederholung von Ansprüchen) den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderläuft oder nicht, kommen nur die Anmeldebestimmungen für Patente in Betracht. Die Amtsübung, den Anspruchstext in der Beschreibung nochmals anzuführen, wird auch von ihren Befürwortern ausschließlich mit dem Hinweis auf § 3 Abs. 4 a und c begründet, wonach die Beschreibung die Angabe des Anwendungsgebietes und die Darstellung der Erfindung enthalten müsse.

Das Anwendungsgebiet geht in der Regel aus der Bezeichnung, mindestens aber aus den Ausführungen zum technischen Fortschritt hervor. Das regelmäßig am Anfang der Beschreibung verwendete Zitat des Gattungsbegriffs, der sehr lang sein kann und auch das Anwendungsgebiet nicht betreffende Aussagen enthält, stellt somit lediglich eine weitere Quelle dar, aus der sich das Anwendungsgebiet ableiten läßt. Als Wiederholung einer schon an anderer Stelle der Beschreibung enthaltenen Angabe hat das Zitat des Gattungsbegriffs daher weder einen gesetzlichen Grund noch eine praktische Bedeutung.

Für die Deutung des Wortes „Darstellung" (nach Mackensen „Neues Deutsches Wörterbuch": darstellen = sichtbar hinstellen) können die Ausführungen von Althammer/Schulte (6) dienen, die „Die neuen Anmeldebestimmungen für Patente" vom 30. März 1965 erläutern. Danach ist eine „klare Darstellung der Erfindung einschließlich der ihr zugrunde liegenden Aufgabe" verlangt (7). „Nur eine solche Darstellung liefert eine brauchbare Grundlage für eine rasche und sichere Beurteilung der Erfindung." Es muß bezweifelt werden, ob durch die wörtliche Angabe des Kennzeichens des Anspruchs 1 eine „rasche und sichere Beurteilung" der Erfindung möglich ist, und zwar im Sinne der geltenden Rechtsprechung, wonach die Beschreibung zur Erläuterung der in den Ansprüchen gekennzeichneten Erfindung dient. Abgesehen von der Aufgabe, die in der Regel aus dem Kennzeichen des Anspruchs ohnehin nicht hervorgeht und daher gesondert anzugeben ist, kann somit mit der Formulierung „Darstellung" nicht die wörtliche Angabe der Erfindung, wie sie im Anspruch in knappster Form angegeben ist, gemeint sein.

Auch die weiteren Ausführungen der genannten Autoren sprechen dafür, daß mit „Darstellung" Darlegungen gemeint sind, die über den Wortlaut der Ansprüche hinausgehen und Einzelheiten der Erfindung enthalten, die das Verständnis erleichtern: „Bei einer Darstellung der Erfindung gemäß Nr. 4 Buchstabe c wird es einer Erläuterung der Erfindung im einzelnen in der Regel nicht mehr bedürfen." Danach kann das wörtliche Anführen des Anspruchs oder, wie es oft' geschieht, nur eines Teils davon nicht die Darstellung der Erfindung bedeuten. Die diesbezügliche Forderung wird vielmehr zwangsläufig durch die Erläuterungen der Erfindung, meistens an Hand eines oder mehrerer Ausführungsbeispiele erfüllt.

Die geltenden Anmeldebestimmungen aus dem Jahre 1968 haben sich, die Abfassung der Beschreibung betreffend, nicht geändert. Hinweise aus der Literatur oder Rechtsprechung, wonach sich der Sinn des Wortes „Darstellung" im behandelten Zusammenhang geändert hat, sind nicht bekannt. Die Ausführungen von Althammer/Schulte können daher ohne Bedenken auch zur Auslegung der geltenden Anmeldebestimmungen herangezogen werden.

Hätte der Gesetzgeber mit der genannten Bestimmung gemeint, daß die Erfindung, so wie sie in den Ansprüchen gekennzeichnet ist, anzugeben sei, so wäre wohl eine eindeutige Formulierung gewählt worden („Die Erfindung ist anzugeben"). Im übrigen werden ständig in Unteransprüchen, neuerdings sogar auch in Nebenansprüchen (8) Wiederholungen durch Bezugnahmen auf vorgeordnete Ansprüche vermieden. Es ist kein Grund erkennbar, der dagegen spricht, textsparende Bezugnahmen auf die Ansprüche auch in der Beschreibungseinleitung zu verwenden.

Fußnoten

(1) Vgl. die nach diesen Vorschlägen abgefaßten Auslegeschriften 1 766 026, 1 904 906,
    1 938 923, 2 000 778

(2) GRUR 1964, 547

(3) GRUR 1966, 349 bis 355

(4) aa0 (Fußnote 3), S. 352, li. Sp.

(5)  vgl. auch Schramm „Der Patentverletzungsprozeß", 1965, S. 180

(6) GRUR 1965, 389 bis 396

(7) aa0 (Fußnote 6), S. 392, li. Sp. u. bis r. Sp. o.

(8) GRUR 1965, 355 bis 356

 



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