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Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Der Deutsche Bundestag Übersicht / Pet-398-10.6.05
 

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Verhöhnung des Bürgers
Im Petitionsausschuß werden Argumente ignoriert

Schreiben an den P. vom 10.06.2005

An den                                                                                                                
Deutschen Bundestag
Petitionsausschuß

Herrn Müller

München, den 10.06.2005

Pet 2-15-02-113-023398

Mitglieder des Deutschen Bundestages
Mein Schr. vom 01.05.2004
Schr. v. 03.08. und 18.08.2004 von Herrn Müller
Meine Schr. vom 08.08. und 10.08.2004
Ihr Schr. vom 05.11.2004
Mein Schr. vom 26.04.1005
Ihr Schr. vom 03.05.2005

Sehr geehrter Herr Müller,

Ihre nun überraschend schnell verfaßte Mitteilung, der Petitionsausschuß beabsichtige nicht, die bisherige Praxis bei der Angabe der persönlichen Daten der Abgeordneten im Internet zu beanstanden, fasse ich als Verhöhnung eines Bürgers auf, der mit Ernst und Engagement um Beseitigung eines Mißstandes gebeten hat. Die Ablehnung meines Antrages wird mit zwei kurzen Sätzen begründet, die nicht einmal vom Inhalt des herangezogenen BGH-Urteils gedeckt sind. Ich muß bezweifeln, daß weder das Urteil noch meine Begründung aufmerksam gelesen worden ist.

Der Petitionsausschuß billigt also trotz begründeter Einwände weiterhin

· die Angabe des Doktorgrades in der Namenszeile der Homepage der Abgeordneten, obwohl ihm bewußt ist, daß akademische Grade kein Bestandteil des Namens sind.

· diese Praxis, obwohl sie, wie ihm ausführlich dargelegt, für alle die Bürger irreführend ist, die die diesbezügliche Rechtsprechung nicht kennen und daher in ihrer falschen, Vorurteile erhärtenden Auffassung bestärkt werden, akademische Grade seien Bestandteil des Namens.

· die Praxis, akademische Grade, hier den Doktorgrad, in der Namenszeile der Homepage der Abgeordneten unvollständig zu nennen und damit die für die Bürger wichtige Information zu verschweigen, ob und warum der betreffende Abgeordnete auf Grund seiner akademischen Vor- und Ausbildung spezielle und/oder besondere Sachkenntnis für seine Tätigkeit im Bundestag erworben hat.

· die Praxis, akademische Grade, hier Diplomgrade, in der Berufszeile der Homepage der Abgeordneten zu nennen, obwohl der BGH in dem bekannten Urteil eindeutig verneint hat, akademische Grade seien eine Berufsbezeichnung, und obwohl dadurch der tatsächlich, eventuell auch neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter ausgeübte Beruf verschwiegen, mindestens nicht zweifelsfrei angegeben wird.

Der Petitionsausschuß erwägt nicht einmal zu veranlassen, daß

· jeweils der Doktorgrad vollständig angegeben und der Beruf der Abgeordneten genannt wird sowie

· eine zusätzliche Zeile für akademische Grade eingefügt wird, um die in einem demokratischen Rechtstaat bedenkliche  Rechtsauslegung zu beseitigen und das Informationsbedürfnis der Bürger zu befriedigen. Der Aufwand dafür wäre minimal.

Mit Ihrem Hinweis, sehr geehrter Herr Müller, aus dem BGH-Urteil könne „jedoch nicht geschlossen werden, daß akademische Grade nicht in öffentliche Urkunden und Dokumente aufzunehmen sind“, legen Sie einen Sinn in das Urteil, der weder indirekt noch wörtlich entnehmbar ist. Der BGH hat eine Verpflichtung zur Aufnahme akademischer Grade in öffentlichen Urkunden nicht bejaht. Er bekräftigt diese Auffassung sogar mit seiner deutlichen Zustimmung zum Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BverwGE 5,291, Jhrg. 1957/58), dessen Leitsatz lautet: „Der Inhaber eines Doktortitels hat nach geltendem revisiblen Recht keinen Anspruch darauf, daß dieser Titel in der Namensspalte seines Berliner „behelfsmäßigen Personalausweises“ eingetragen wird.“

Der BGH hat lediglich eingeräumt, der akademische Grad könne (auf Grund ständiger Übung) in Personenstandsbücher und Personenstandsurkunden aufgenommen werden. Die Ihrer Auffassung widersprechende Auslegung des Urteils ist auch durch den Tenor des Beschlusses gedeckt. Hier stellt der BGH also eine Möglichkeit fest und keine Verpflichtung, wie Sie sie geltend machen wollen. „Es komme auf die tatsächliche Übung an“, so der BGH. Daß allerdings derartige „tatsächliche Übungen“ auch einmal, z. B. nach inzwischen 42 Jahren nicht mehr aktuell und begründet sind, sollte heute eigentlich soziales Fachwissen sein.

Die Berufsangabe betreffend hat der BGH eindeutig festgestellt, daß akademische Grade keine Berufsbezeichnung sind. Zur Begründung seiner Ansicht hat es sehr ausführlich dargelegt, warum akademische Grade nichts oder nur wenig über die berufliche Tätigkeit offenbaren. Diese Feststellung dürfte bei der derzeitigen Beschäftigungssituation aktueller als je zu vor sein und bedarf keines Kommentars. Soll etwa der Verdacht vermieden werden, ein Abgeordneter sei vom Beruf her völlig ungeeignet, seinen Verpflichtungen als Abgeordneter nachzukommen? Das BMI mißdeutet die klare Aussage des Gerichts, wenn es meint, der BGH habe die „Zuordnung des akademischen Grades zum Namen verneint. 

Die von Ihnen erwähnte angebliche Beschlußaussage, wonach es der Verwaltungspraxis und entsprechenden Regelungen überlassen bleibe, daß und welche akademischen Grade aufgenommen werden, gilt ersichtlich nur für den im Verfahren behandelten Einzelfall, nämlich Personenstandsbücher und -urkunden. Es liegt daher eine weitere unzulässige Interpretation des Urteils Ihrerseits darin, den Bezug des BGH-Urteils aus 1962 nun auch noch auf öffentliche Urkunden und Dokumente aller Art  auszudehnen. Der BGH hat in seinem Urteil einen derart weiten Wirkungsbereich nicht einmal angedeutet. Im übrigen kann die Homepage eines Abgeordneten weder als öffentliche Urkunde noch als Dokument bezeichnet werden, sondern allenfalls als öffentliche Bekanntmachung.

Die von Ihnen angesprochenen von den Ländern vor etwa 50 Jahren erlassenen Verwaltungsvorschriften, akademische Grade betreffend, sind nicht mehr zeitgemäß und bedürfen auch im Hinblick auf europäische Regelungen längst einer Aktualisierung. Aber hier wird offensichtlich ein alter Zopf aus den vergangenen Jahrhunderten gehegt und gepflegt, der nur deshalb nicht abgeschnitten wird, weil auf die Eitelkeit von Leuten Rücksicht genommen werden soll, denen es an Selbstbewußtsein mangelt. Seit wann sind derartige Vorschriften unumstößlich, besonders dann, wenn sie den sozialen Strukturen und den Umgangsformen der Gesellschaft nicht mehr entsprechen? Gelten für die formale Gestaltung einer Homepage von Abgeordneten andere Regeln als bspw. die protokollarischen Gewohnheiten in Funk- und Druckmedien? Hier werden seit geraumer Zeit akademische Grade und Titel meistens nicht (mehr) genannt.

Die Bearbeitung meines Antrages vom 1. Mai 2004 hat ein ganzes Jahr gedauert. Das enttäuschende Ergebnis beweist erneut die Unfähigkeit des Menschen, sich von alten und nicht mehr zeitgemäßen Gewohnheiten zu lösen. Es wundert daher nicht, wenn es in Deutschland so schwer ist, seit langem notwendige Reformen größeren Ausmaßes durchzuführen.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Werner

 



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