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Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Stil & Etikette / Stil & Antwort auf Antwort
 

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Die Antwort zur Antwort
An Frau Jarosch
 

 

Dr.-Grad, Ihr Schreiben vom 18. Okt. 2005

Sehr geehrte Frau Jarosch,

Ihre schnelle Antwort spricht für Sie, Vielen Dank. Der Inhalt Ihres Briefes enttäuscht mich jedoch. Nicht, weil Sie anderer Meinung sind als ich, sondern weil Sie mit keinem Wort auf meine ausführlichen Darlegungen zur Frage, soll der Dr.-Grad, insb. der Ehrendoktor grundsätzlich in der Anrede verwendet werden, eingegangen sind. Offensichtlich haben Sie auch davor zurückgeschreckt, einen Blick – wie von mir angeboten – auf meine Website zu werfen. Hätten Sie das getan, dann müßten Ihnen Zweifel gekommen sein, ob Ihre „Philosophie“ begründet ist, grundsätzlich Achtung vor der Leistung beim Erwerb eines Doktors zu haben und diese Leistung anzuerkennen. Welche Leistung meinen Sie eigentlich? Ist sie Ihnen bekannt?

Ach ja, beim Ehrendoktor, so schreiben Sie, hat der Betreffende „in gewisser Weise“ etwas geleistet, was Respekt und Anerkennung verdient.“ Auch hier dürften Sie wohl bei der „gewissen Weise“ im Dunkeln tappen. Ist Ihnen nicht bekannt, daß viele Ehrendoktorgrade im Ausland gekauft worden sind (und werden) und bei uns im Land unzulässigerweise ohne Angabe der vergebenden Institution geführt werden? Kürzlich wurde in der Süddeutschen Zeitung von der hohen Zahl (etwa ein Drittel der Absolventen) an gefälschten Hochschulabschlüssen berichtet, womit nicht Anwesenheitsbestätigungen, sondern Promotions- und Diplomurkunden gemeint sind. Verwendet werden sie vorerst für Bewerbungen. Ich glaube nicht, daß sie nach Erhalt einer Stellung vernichtet werden, Sie werden auf den Visitenkarten geführt – und dann mit der gesellschaftlichen Anerkennung gemäß „Stil & Etikette“ belohnt.

Unberechtigtes Führen akademischer Grade ist häufiger verbreitet als Sie zu wissen scheinen. Er wird in der Gesellschaft wohl oder übel hingenommen, aber sehr selten gerichtlich verfolgt. „Stil & Etikette“ interessiert das alles nicht. Offenbar kann es bei uns nicht genügend akademisch verzierte und titelreiche Zeitgenossen geben. Österreich läßt grüßen. 

Mit Ihrer „Philosophie“ plädieren Sie gerade dafür, was Sie abzulehnen vorgeben, nämlich eine Zweiklassengesellschaft aufrechtzuerhalten. Also besteht sie Ihrer Ansicht bereits. Ihr Anerkenntnis der Zweiklassengesellschaft, im vorliegenden Fall können Sie nur Akademiker und Nichtakademiker meinen, ist nicht nur sachfremd, sondern auch unbegründet. Denn es können sowohl Nichtpromovierte Akademiker sein als auch (meistens) Ehrendoktoren Nichtakademiker.

Völlig absurd ist es, mir das Argument entgegenzuhalten, mit einer falschen Anrede (Namensverunstaltung) Sympathie zu verspielen. Lesen Sie denn die Briefe nicht, die Sie erhalten?

Nochmals, das Weglassen des akademischen Grades ist nicht mehr unüblich und hat nichts mit Respektlosigkeit zu tun. Aus dem von Ihnen angeführten  § 1 aus dem „Gesetz über das Führen akademischer Grade“ kann nicht das Recht abgeleitet werden, mit dem Grad angeredet zu werden. Haben Sie keinen Juristen im Hause, der Ihnen den Unterschied zwischen Führungsrecht und Anredepflicht erklären kann?

Ich halte es für sinnvoller, in Ihrem Druckwerk die Gesellschaft über die Rechtslage aufzuklären und dabei die geänderten  Gewohnheiten anzuerkennen, als alte Zöpfe auf dem Gelände der Eitelkeit wachsen zu lassen. Vielleicht sollten Sie sich auch damit befassen, daß Diplomabschlüsse mit häufig gleichfalls anzuerkennender Leistung erworben und ebenfalls mit einem akademischen Grad belohnt werden. Der Diplom-Grad wird in der Regel – ausgeschrieben - als Berufsbezeichnung abgewertet. Auch hierfür besteht Aufklärungsbedarf, den Sie erfüllen könnten. Sie scheinen ferner den Unterschied zwischen Graden und Titeln nicht zu kennen. Informationen über alle diese Themen erhalten Sie auf meiner Website. Warum nutzen Sie sie nicht?

Ich vermute, daß Sie nicht nur in Sachen akademischer Grade und Titel von der gesellschaftlichen Entwicklung überholte Anschauungen vertreten. Auch in anderen Fragen des gesellschaftlichen Umgangs scheint die neue Version von „Stil & Etikette“ nicht aktuell zu sein. Schade. Ich werde daher das Startexemplar zurückschicken.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Werner

Einführung  Stil & Etikette 1992 - 2005

Schreiben an "Stil & Etikette"

Die Chefredakteurin antwortet.

 

 



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