Ein Formular behauptete „Das schönste deutsche Wort lautet (so und so)" und bot dem Einsender eine Leerzeile an, um seinen Günstling zum Mister oder zur Miss Germany 2004 zu erklären. Dann gängelte es den Teilnehmer zu einem geräumigen Blankofeld, indem es ihm vorsprach: „Dieses Wort ist für mich das schönste deutsche Wort, weil..." und drohte bei Abweichungen von dem Vordruck mit dem sofortigen unanfechtbaren Ausschluß von dem Verfahren.
Kein Zweifel, es machte Spaß, ein paar Zungenschmeichler auf ihre Vorzüge des einen vor dem anderen abzuschmecken und sie mit feinschmeckerischen Begründungen gegeneinander auszuspielen. In ziemlich langer Reihe standen sie vor dem Laufsteg und stießen einander mit Lust von der Siegerstaffel, auf die ich sie probeweise postierte. Am Ende hielten sie mich zum Narren, indem sie bald diese, bald jene Reize entblößten und mir vor der Nase wiegten. Ich rächte mich, indem ich doch eine der Schönheiten zur Königin der Nacht erwählte und anpries, um all die aufdringlichen anderen zu beschämen.
Sollte ich sie zum schönsten deutschen Wort erklären? Es hieße, den vorgeblichen Sprachpflegern, die den Wettbewerb ausschrieben, ihre Urteilsvergröberung und Ermunterung zur Phrase nachzusehen. Um meine Erwählte nicht gleich wieder zu verstoßen, unterschrieb ich also mein Ausschlußverfahren folgendermaßen:
Ein schönstes deutsches Wort lautet Wohllaut. Dieses Wort ist für mich ein schönstes deutsches Wort, weil.. es den Wohllaut verkörpert, den es aussagt - ihn hörbar macht. Es beglaubigt durch seinen Klangleib, was es behauptet. Wer es behutsam ausspricht, den durchströmt die Musik der deutschen Sprache. Mehr noch: er erfährt Laut für Laut das Urerlebnis des Sprechens. Denn im „W" ist die Betroffenheit, die sich auf die Lippe beißt, weil das Sprechen die Stille verletzt. Das gedehnte „oh" spricht ihr Bedauern, aber auch ihr Erstaunen aus, das sich selber zuhört. Es wird mit dem doppelten „ll" in ein Lallen vor Sprachlust gewendet, das mit dem strahlenden „a" in ein Beinahe-Lachen ausbricht. Aber das folgende „u" tönt es geheimnisvoll. Es würde ein mystisches Raunen, wenn nicht das schließende „t" mit dem Schnalzen des Genießers ihm den knackigen Biß verliehe.
Zur Wahl des "schönsten deutschen Wortes" (Habseligkeiten)
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