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Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Doktor-Grad, Übersicht / Akademischer Weihrauch im deutschen Paß / 15. Der Paß dient als Ersatztherapeut
 

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15. Der Paß dient als Ersatztherapeut für Komplexträger 

 

Die Bedenkenlosigkeit, mit der sich die für Paßfragen zuständigen Politiker über die sachlichen Erfordernisse und Bedingungen für die Beschriftung eines Hochsicherheitsdokumentes hinwegsetzen, ist nur dadurch erklärbar, daß bei ihnen psychische Besonderheiten vorliegen, die rationales Denken zeitweise ausschalten. Als Ursache für das Versagen beim Beurteilen rein sachlicher Probleme liegt hauptsächlich im limbischen System des menschlichen Gehirns. Dort werden die für persönliche Empfindlichkeiten und Gefühle vorgesehene Strukturen aktiv und schalten vernünftiges Überlegen und Handeln aus. Wer sich nicht auf dem beruflichen und privaten Lebensweg beachtet fühlt, sucht die Anerkennung auf andere Weise. So erklärt sich auch die Abkehr vom ursprünglichen Wunsch, den Verwaltungsaufwand in den Meldebehörden zu verringern. Scheinbar übergeordnete Werte psychischer Art ließen eine Vielzahl von Sachzwängen zu Null schrumpfen.

Der Doktor-Tourismus im Bereich von Großstädten wie München wird zunehmen. Es ist bereits üblich, sich als Träger eines „frischen“ Doktorgrades in einem Ort des  Umkreises anzumelden und dort einen Paß zu beantragen. Die Prüfung des wer weiß wo und wie erworbenen (ausländischen) Doktorgrades ist auf dem Land nicht so streng wie in München. Nach Erhalt des neuen Passes kehrt der amtlich dekorierte Herr Doktor nach München zurück, zündet eine Traditionskerze an und erfreut sich am Schein.

Ein Klinikchef im Saarland hat von seinen Ärzten verlangt, sich gegenseitig mit dem Doktorgrad anzureden, um das Ansehen der Klinik zu heben. Kannte er den Mangel an fachlicher Qualifikation und Selbstbewußtsein bei seinen Mitarbeitern? Ihm wurde empfohlen, statt der Namensverzierung die Erfolgsstatistik der Klinik zu veröffentlichen.

Wer im späteren Leben – aus welchem Grund auch immer - ohne Leistung geblieben ist oder glaubt, in seinem beruflichen und privaten Umfeld kein oder nicht ausreichendes Ansehen zu haben und mehr gelten möchte, hat vielfältige Möglichkeiten, einen Hinweis auf seine ehemals erworbenen akademischen Würden zu veröffentlichen: Türschilder vor Büro und Wohnung, Klingelschild am Haus, Briefköpfe, Visitenkarten und dergl. Es ist verständlich, daß Komplexe den Drang nähren, sich auch mit dem Paß als Träger akademischer Würden zu offenbaren. Wer bereits das Privileg genießt, auf Grund des Paß-Doktors besonders respektvoll behandelt zu werden, wird sich nicht dafür einsetzen, die Streichung des Paßeintrages zu erreichen. Ebenso verständlich ist die Passivität Nichtpromovierter in Sachen Paßeintrag, weil sie nicht des Neids auf den Doktortitel bezichtigt werden möchten. Beide Verhaltensarten wurden deutlich im Fall der Einführung es neuen Passes demonstriert. Wer es dennoch tut, gegen die Überbewertung des Doktorgrades aktiv zu werden, erhält sofort den Neidvorwurf (siehe Leserbrief an die SZ).

Es fällt auf, daß gerade das Land, das bei den PISA-Untersuchungen auf den niedrigsten Rängen lag, sich ausgerechnet bei der Paßgestaltung eine internationale Sonderstellung herausnimmt, um akademische Grade als wissenschaftlichen Leistungsbeweis zu präsentieren. Aber vielleicht sollen die voraussichtlich stark zunehmenden illegalen Doktorgrade in den Pässen helfen, das traurige Pisa-Ergebnis von Deutschland auszugleichen.

Siehe auch

Internationale Lachnummer: Dr. Deutschland - Deutschland mißbraucht ein Hochsicherheitsdokument (den Paß) zum Verbreiten von akademischem Weihrauch - Hü  und hott mit dem neuen Paßgesetz

Leserbrief an die SZ zur Internationalen Lachnummer

Leserbrief zum Leserbrief an die SZ

Antwort auf den Leserbrief zum Leserbrief

Der Ablauf der Lachnummer:

1. Deutschland auf dem Weg in die Moderne? Fliegt der Doktor aus dem Paß?

2. Auszug aus BT-Drucksache 16/4138 vom 29. Jan. 2007

3. Eitelkeit siegt über Vernunft - Statt Verwaltungsabbau Weihrauchverbreitung

4. Deutschland auf dem Weg in die Kleinkaro-Republik - Der Doktor bleibt im Paß

5. Der letzte Akt, eine Formsache: 100. Sitzung des Bundestages

6. Auszug aus BT Protokoll der 100. Sitzung

7. Die Ignoranz der doctores ist nicht zu überbieten - Die Vernunft wurde durch
    akademischen Weihrauch vernebelt

8. Der Doktorgrad ist kein Bestandteil des Namens und gehört nicht in die Namenszeile
    eines Ausweises

9. Der Doktorgrad ist kein Identifizierungsmittel - Ein Hochsicherheitsdokument wird
    als Visitenkarte mißbraucht

10. Der Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 GG) wird verletzt

11. Die Bundesregierung fördert den Titelhandel

12. Die zwei Buchstaben "D" und "r" sagen wenig aus und deuten viel an

13. Vorurteile über Wissen, Können und Leistung werden erhalten und gefördert

14. Ein Leistungseinzelfall wird lebenslang bestätigt oder vorgetäuscht 

15. Der Paß dient als Ersatztherapeut für Komplexträger



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