Moderation: Wolf von Lojewski für Frau Maischberger
Teilnehmer: Reinhard Mey, Marcel Reich-Ranicki, Marcus Söder, Christian Ströbele, Gayle Tufts, Alexander Kekulé
Der Liedermacher Reinhard Mey klagte über den schleichenden Verfall der deutschen Sprache, womit wir unsere Muttersprache bis zur Selbstverleugnung aufgeben.
Der oft als Literaturpapst bezeichnete Marcel Reich-Ranicki, vor wenigen Wochen für seine Verdienste um die deutsche Sprache zum Ehrendoktor ernannt, sah in der Zunahme der Anglizismen im Alltag eine höchst fatale Entwicklung.
Der CSU-Generalsekretär Marcus Söder, jüngst mit seiner Forderung hervorgetreten, Deutsch als Staatssprache im Grundgesetzt zu verankern, sieht Deutsch als Grundvoraussetzung für das Zusammenleben in unserem Land. Auch Dialekte sollten stärker geschützt werden.
Der zweite Fraktionsvorsitzende der Grünen Christian Ströbele war mit seinem Vorschlag aufgefallen, eine offizielle türkische Version der deutschen Nationalhymne herauszugeben. Nun präsentiert er eine Broschüre der Bundesregierung, worin die Zweisprachigkeit grundsätzlich schon vor zwei Jahren vorgeschlagen wurde.
Die amerikanische Unterhaltungskünstlerin (Entertainerin) Gayle Tufts betonte die Wichtigkeit des Englischen. Sie ist durch ihr deutsch-englisches „Dinglish bekannt geworden.
Schließlich forderte der Wissenschaftler und Seuchenexperte Alexander Kekulé wegen der Globalisierung die offizielle Zweisprachigkeit des Landes. Kinder müßten schon die im Vorschulalter Englisch lernen.
Die unbekannten Feinheiten der deutschen Sprache
Obwohl sich die lebhafte Diskussion vorwiegend um die zunehmende Verwendung englischer Ausdrücke drehte, mußte ich erneut festzustellen, daß auch wortgewaltige Politiker (Söder) und sogar unser Fachmann für Literatur (Reich-Ranicki) manche Feinheiten der deutschen Sprache nicht kennen, z. B. den Unterschied zwischen „Wörter (Mehrzahl von „Wort) und „Worte. Mit „Worten werden mehrere Wörter bezeichnet werden, die einen bestimmten Sinn ergeben („geflügelte Worte). Sowohl der Moderator (von Lojewski) als auch Kekulé verwendeten in ihren Ausführungen mehrmals die richtige Bezeichnung „Wörter, ohne daß Söder und Reich-Ranicki die Abweichung von ihren „Worten aufgefallen wäre. Wenn man bedenkt, daß es sich hier um die fundamentale Elemente der Sprache handelt, dann ist die Unkenntnis ihrer Bedeutung besonders bedauerlich. Offenbar sehen Söder und Reich-Ranicki in „Worten und „Wörtern Synonyme. Zur Zeit hält sich der Duden noch an seine (richtige) Definition für diese Begriffe. Die häufige Verwendung von „Worten statt „Wörtern im Sprachgebrauch, vor allem bei öffentlichen Auftritten von Prominenten, sorgt regelmäßig für weitere Ausbreitung und dürfte schließlich den Duden als den offiziellen Wörterzähler der Nation bald veranlassen, tätig zu werden, indem er erneut unterscheidbare Begriffe „synonymisiert, wie er es bspw. vor geraumer Zeit mit „mehrfach und „mehrmals in seinen Wörterbüchern getan hat.
Reich-Ranicki hatte ich bereits vor ca. 7 Jahren nach Lesen seines Buches "Mein Leben" auf den Unterschied zwischen „Worte und „Wörter, hingewiesen, auch auf die wichtige Unterscheidung zwischen „mehrmals und „mehrfach. Nach wie vor kennen etwa 90 % der Deutschsprachigen deren Unterschied nicht, obwohl diese zwei Wörter nicht nur in der Umgangssprache, sondern auch in mehreren Fachsprachen (Recht, Medizin, Versicherungswesen, Naturwissenschaften, u.a.) häufig verwendet werden (müssen).
Dem Duden ist es auch zu verdanken, daß Herr von Lojewski sich am Ende der Sendung selbst gedankt hat (ich bedanke mich). Wer sich besonders geschraubt und höflich ausdrücken will, benutzt diese widersinnige Floskel. Die deutsche Sprache bietet mehrere Wendungen zum Danken an: Vielen Dank, herzlichen Dank, ich danke Ihnen, auch „ich bedanke sie, was etwas fremd klingt, weil es ungewohnt ist. An den Fassungen „Ich beschenke sie, „ich begrüße sie oder „Ich behandle sie findet wohl niemand etwas Besonderes (Abwegiges).
Einig waren sich die Teilnehmer darin, ohne Englisch geht es nicht, Kinder sollten möglichst frühzeitig mindestens Englisch lernen, und die Sprachausbildung, zunächst in der Muttersprache, müßte in der Schule intensiver erfolgen.
Der Englisch-Deutsch-Mischmasch (Denglish, Engleutsch) ist bei denen beliebt, die das Deutsche nicht beherrschen und/oder sich weltgewandt ausdrücken wollen, um Bildung vorzutäuschen. Die Verhunzung der Sprache wird auch von „Fachleuten betrieben.
Im Feuilleton der SZ schrieb heute Jens Bisky unter den Überschriften
„Sprachwächter? Zum Lachen! Das Deutsche muß vor seinen Beschützern geschützt werden
unter anderem:
„Wer die Sorge um die Sprache an den Kampf gegen die Anglizismen knüpft, begibt sich vor allem um die Chance, mit den Sprechern zu denken statt gegen sie. Dabei beweise die deutsche Sprache, so Bisky, ihre ungeheure Kraft schon dadurch, daß Anglizismen im Regelfall als solche zu erkennen seien. Sie würden Nuancen im Ausdruck erlauben, und das im Guten wie m Dummen.
Entsetzlich findet Bisky jene Entwicklungen, die mit „Call a bike und „Online-Banking nicht zu tun haben, die sich schleichend durchsetzen und inzwischen alle Zeitungen sowie Bücher großer Verlage verunzieren. Ich nenne sie die deutschsprachigen Sprachschlampereien. Bisky nennt Beispiele wie „nicht wirklich, „einmal mehr und „Sinn machen. Auch das vorgestellte „weil (in „weil ich habe ihn gesehen) gehört zu den Verhunzungen der Sprache.
Nicht Bundestagresolutionen und dergl. würden besseres Deutsch fördern, so Bísky, sondern das Lesen klassischer Literatur und Gedichte lernen, was auch Ranicki und Mey gefordert haben. Skandalös sei nicht der lächerliche „Service Point, sondern „die Tatsache, dass man jahrelang eine Schule in Deutschland besuchen kann, ohne Deutsch zu lernen.
Ulrich Werner
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