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Von Kids und Infopoints
Warum ist Deutsch nicht angesagt, also uncool, geradezu megaout

Aus dem Tagesgespräch des
Bayerischen Rundfunks am 9.9.2008
Moderator Stefan Parrisius

Parrisius: Wenn man vom Wortschatz spricht, dann müsste doch eigentlich das Erbeuten von fremden Wörtern eher für Sprachreichtum als –armut sorgen. Aber trotzdem wird immer mehr ein Verlust beklagt. Sprachschüler im Ausland könnten meinen, ein Deutschkurs sei ein halber Englischkurs, klagt die Kanzlerin und fordert mehr Selbstbewusstsein bei der Sprache. Das wird unserem ersten Gast im Tagesgespräch gut gefallen haben, Professor Dr. Rudolf Hoberg.

Ist es wirklich so schlimm, gibt es mehr englische Begriffe in unserer Sprache als vor etwa 20 Jahren?

Hoberg: Ja das ist sicher so. Wir haben sicher heue mehr englische Wörter, es sind aber immer noch viel weniger als französische aus früheren Zeiten oder als lateinische oder griechische. Wir gegen davon aus, dass heute 1% des Wortschatzes Englisch ist, während die Fremdwörterzahl insgesamt 15 % sind. Und man müsse überlegen, wir haben einen Wortschatz von etwa 500 000 Wörtern. Also hier gibt es überhaupt keine Gefahr.

Das heißt, die Menschen stoßen sich an diesen englischen Wörtern weil sie jetzt neu dazu kommen. Denn so viele lateinische wird es wohl nicht geben.

H. Ja, genauso ist es. Man stößt sich immer an dem Neuen. Die Leute haben nichts gegen Anglizismen, die schon älter sind, gegen Sport, das ist ja auch ein englisches Wort, dagegen wendet sich niemand mehr, gegen „team“ nicht, o.k. sagen sie alle. Es sind immer die letzten Wörter. Das war früher ganz genau so. Beim französischen Einfluss. Das stört die Menschen. Und die Menschen haben bis zu einem gewissen Grad auch recht, weil sie das auf Anhieb nicht verstehen. Aber man muss sich klar machen, dass sie auch die entsprechenden technischen Wörter, die wir heute haben, nicht verstehen würden, wenn sie deutsch sind. Man muss die Definitionen kennen. Es liegt nicht am Englischen allein.

Sie haben diese Umfrage in Auftrag gegeben, von der ich gesprochen habe, danach finden 65 % einen Sprachverfall im Deutschen. Was sehen die Menschen denn als die Gründe dafür?

H. Das gibt es unterschiedliche Gründe. Aber ich möchte zunächst mal sagen, dass das durch die ganze Geschichte so ist. Nicht erst bei den alten Griechen, sondern schon bei den alten Ägyptern hat sich die ältere Generation immer darüber aufgeregt, dass die Sprache verfällt. Das ist ein Topos, der durch die ganze Geschichte läuft. Und da werden natürlich unterschiedliche Gründe angegeben, z. B. der Grund, über den wir eben gesprochen haben, dass man bestimmte Wörter nicht versteht, dass gewisse grammatische Konstruktionen nicht mehr so da sind. Man beklagt z. B.., was gar nicht stimmt, der Konjunktiv ginge zurück, der Genetiv ginge zurück und so weiter. Es klagen in der Regel Menschen, die von Deutsch wenig verstehen.

Ist die englische Sprache griffiger und daher für manche Ausdrücke besser geeignet?

H. Darüber kann man sich streiten. Der entscheidende Punkt ist, dass Englisch heute eine Weltsprache ist, und zwar die erste Weltsprache, die wir überhaupt haben. Das hat es früher so nicht gegeben. Das ist nicht vergleichbar mit Latein oder Griechisch oder Französisch. Das waren alles Sprachen, die nur in Europa oder Vorderasien gebraucht wurden. In China z. B. überhaupt nicht. Jetzt haben wir zum ersten Mal in der ganzen Welt eine Sprache, die alle anderen dominiert – es geht ja hier nicht nur ums Deutsche, sondern das Französische wird genauso dominiert und andere Sprachen. Man muss sich klar machen, dass das zunächst mal etwas Gutes ist. Wir sind alle sehr froh, dass wir in der Welt herumreisen können, und Englisch sprechen und nicht die Sprache aller Länder sprechen müssen. Und wir müssen jetzt aufpassen, das ist das Problem, dass bei der Dominanz des Englischen die anderen Sprachen nicht zu kurz kommen. Ich nenne das immer eine Spagatsituation. Wir müssen einerseits mit dem einen Bein auftreten und gut Englisch können und andererseits mit dem anderen und unsere Muttersprache pflegen – und das ist nicht einfach, das mussten frühere Generationen nicht. 

Ein Hörer bedauert auch die vielen Fremdwörter in der deutschen Sprache. Die deutsche Sprache ist so vielseitig, doch sie wird zu wenig genutzt. Sicher einige englische Worte sind in Ordnung, sie haben sich eingebürgert sie haben nicht in dieser Vielzahl. Warum ist das so?

H. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der eine ist, wie gesagt, dass die Leute immer mehr Englisch lernen und dann tatsächlich englische Wörter ins deutsche übernehmen. Manche sind tatsächlich auch griffiger. Aber ein Punkt wird immer übersehen. Die Wörter werden nicht einfach aus dem Englischen übernommen, sondern sie bekommen im Deutschen eine bestimmte Bedeutung. Ich will das an einem Beispiel klarmachen. Das Wort „cool“, das heue alle Jugendlichen gebrauchen, ist ja nicht dasselbe Wort „cool“ wie im Englischen. Wir reden ja heute nicht von einem coolen Bier. Da haben wir immer noch das Wort „kühl“ und das „kühl“ wird überhaupt nicht tangiert. Wir behalten das Wort „kühl“. D. h. zunächst mal muss man sagen, dass Fremdwörter eine Bereicherung sind. Das hat auch Goethe schon immer so gesehen. Die Frage ist natürlich am Ende, ob es Fremdwörter gibt, die nur modisch sind. Ich bin eben hier an einem neuen Hotel vorbeigekommen und das heißt „Wellcome-Hotel“. Da frage ich mich natürlich auch, warum muss in Darmstadt ein Hotel „Wellkome-Hotel“ heißen. Es gibt sicher modisches Zeug. Aber das gibt es in anderen Sprachbereichen auch. Doch zunächst meine ich, muss man sehen, dass es eine Bereicherung ist. Wir haben heute einen so großen Wortschatz, von dem Goethe nur träumen konnte. Wenn man immer wieder in die Vergangenheit sieht, Goethe wäre froh gewesen, wenn er unseren heutigen indifferenzierten Wortschatz gehabt hätte.

Und diese Bedeutungsverschiebungen gibt es ja auch ohne Fremdwörter. Wenn etwas „geil“ ist, dann hat das nicht unbedingt mit Sexualität zu tun.
 
H. Fast jedes deutsche Wort hat in den letzten Tausend Jahren seine Bedeutung mehrmals verschoben. Es gibt keine Wörter, die immer gleich bleiben in ihrer Bedeutung, auch in ihren Lautungen verändern sie sich ja. Das ist ein ganz normaler Prozess und im Augenblick ist es eben das Englische, vor Hundert Jahren haben sich die Leute hauptsächlich über das Französische aufgeregt, das tut heute niemand mehr. Ich meine, man soll das natürlich kritisch beobachten, vor allem soll man seinen eigenen Wortschatz beobachten und nicht jede Mode mitmachen. Aber man soll das alles sehr gelassen sehen.

Und handy ist ja kein englisches Wort (Ein Hörer hatte es erwähnt.).

H. Ist es schon, nur hat es eine andere Bedeutung. Und es gibt inzwischen viele Amerikaner, die uns bewundern, was wir mit „handy“ gemacht haben. Die sagen immer, das sollt man reimportieren. Das ist doch besser als dieses „Mobilefon“ und „Cell phone“
Deutsch, das können wir beklagen, ist nun mal keine Weltsprache. Die Leute lernen zunächst englisch, das können wir alle sehr bedauern. Ich meine auch, hier muss der Akzent liegen, nicht so wehr bei den paar Anglizismen. Die meisten empfinden, dass es viele sind, wie gesagt das sind 1 % unseres Wortschatzes. Damit können wir fertig werden. Aber der entscheidende Punkt ist, dass Deutsch insgesamt verdrängt wird. Das ist das Hauptproblem. Ich schockiere in Berlin die Politiker damit, dass ich ihnen sage, seit 20 Jahren bekomme man auf einem deutschen Rathaus kein Formular mehr in Deutsch. Das glaube ich so selbst nicht. Aber diese Entwicklung, dass wir überhaupt alles in Englisch machen, das ist das eigentliche Problem. Da müssen wir etwas tun. Was nützt es uns, wenn wir die deutsche Sprache von Anglizismen befreien, aber sie wird nicht mehr benutzt. Dagegen sollten wir etwas tun.

Es gibt eine Gesellschaft, deren Hauptziel ist es, Anglizismen zu vermeiden. Wir sind eher der Meinung, das ganze gelassen zu sehen.

… Häufig verdrängen die englischen Wörter nicht die deutschen, es kommt etwas anderes. Wenn von einem Event gesprochen wird, dann meint man damit nicht ein Ereignis, sondern man meint etwas Aufgeplustertes, ein rein äußeres Ereignis, wie z. B. „Der Papstbesuch war ein Event“, dann will man gerade damit das Äußere kennzeichnen. Sie können an dem Beispiel sehen, das die Fremdwortgegner und die Anglizismengegner meistens kein sehr differenziertes Sprachgefühl haben. Denn es sind immer Unterschiede in den Bedeutungen.

Wenn jetzt die Kanzlerin mehr Selbstbewusstsein fordert, kann man das tatsächlich vergleichen mit dem Beispiel, das sie gerade gebracht haben, mit Französisch, also der „Grande nation“, sind die insgesamt resistenter gegen anderssprachige Wörter?

H. Resistenter gerade nicht, aber das Sprachbewusstsein ist wohl in Frankreich größer als bei uns. Es gibt dort viel mehr Vereinigungen. Aber das nützt den Franzosen nicht sehr viel, denn das Englische missfällt den Franzosen ganz genau so und französisch nimmt in Europa – leider – als Fremdsprache immer mehr ab. Die Franzosen tun sehr viel mehr für ihre Muttersprache. Aber es nutzt ihnen wenig.

… Sprachgeschichtlich gesehen: Die Fremdwörter, die ins Deutsche gekommen sind, aus welcher Sprache auch immer, haben im Deutschen ihre Bedeutung verändert, weil sie natürlich in die deutschen Zusammenhänge gebracht werden. Und ich finde das auch sehr gut. Wir haben z. B.: Eine deutsche Frau kauft sich als Unterkleidung einen „Body“. Das würde eine Amerikanerin oder eine Engländerin überhaupt nicht verstehen. Eine Engländerin hat einen „body“, eine Deutsche kauft ihn. Das ist doch schön. Wir haben Wörter im Deutschen mit englischem Material im Deutschen gebildet und ich finde das großartig. Ich kann darin überhaupt nichts Schlimmes sehen. Wenn ein Wort aus einer anderen Sprache übernommen wird, auch dann, wenn es im Deutschen neu gebildet wird, dann hat der Urheber es nicht mehr in der Hand, wie es sich weiter entwickelt und dann entwickelt es sich im deutschen System.

Und das ist eben ein Zeichen für eine lebendige Sprache.

H. Genau.

Vielen Dank. Ich merke, dass sie in ihrer Gesellschaft Fremdwörter und ausländische Begriffe gern aufnehmen.

H. Ja

Rudolf Hoberg, ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt, seit 1999 Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) und seit September 2007 Vorsitzender des Deutschen Sprachrats, eines Zusammenschlusses des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD), der Gesellschaft für deutsche Sprache (Wiesbaden), des Goethe-Instituts (München) und des Instituts für Deutsche Sprache (Mannheim).. ist darüber hinaus Mitglied verschiedener Gremien, u. a. des Germanistikbeirats beim DAAD, der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechschreibung, des Rats für deutsche Rechtschreibung, des DIN-Beirats für Terminologie und der Jurys für die Wörter des Jahres, die Unwörter des Jahres, das „schönste deutsche Wort“, den Grimm-Preis für Germanistik im Ausland und den Medienpreis für Sprachkultur.



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