So habe ich in diesem Jahr mit meiner Familie den Nikolaus erlebt: Eltern und Kinder des Ortes versammelten sich in der Dämmerung mit Laternen auf einer Wiese vor dem Dorf. Wir sangen „Laßt uns froh und munter sein und warteten gespannt auf den Nikolaus. Der stapfte schließlich aus dem dunklen Tann heraus, in Begleitung von Knecht Ruprecht, der ein Pferd führte, das mit einem großen Sack voller Geschenke beladen war. Der Nikolaus rief die Kinder mit ihren Namen einzeln zu sich, fragte, ob sie brav gewesen seien, und gab schließlich jedem ein kleines Geschenksäckchen, das Apfel, Nüsse, Lebkuchen und Süßigkeiten enthielt. Für alle war es ein beeindruckendes Erlebnis, und tatsächlich „froh und munter gingen wir wieder nach Hause.
Doch der brave Nikolaus, der die Nächstenliebe vorbildlich verkörpert, hat kommerzielle Konkurrenz aus Amerika bekommen: „Santa Claus geistert seit einigen Jahren aufdringlich und mit lautem „Hohoho durch die deutsche Weihnachtswelt. Wenn dieser rotbäckige und -näsige Weihnachtsmann nicht gerade mit dem „Coca-Cola-Weihnachtstruck unterwegs ist (siehe Bild), fliegt er vom Nordpol aus mit einem Schlitten durch die Lüfte, den ein Gespann von Rentieren zieht, poltert durch den Schornstein in die Häuser und schüttet in den Wohnungen seine Geschenke aus. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Für mich ist es eine völlig lächerliche, abwegige und überflüssige Vorstellung, diesen roten Mann über unser Dorf fliegen zu sehen. Doch andernorts hat er Erfolg.
Der kommt nicht von ungefähr, sondern wurde planmäßig und mit viel Geld vorbereitet. Im kalten Norden Europas gab es schon immer die sagenhafte Gestalt des Weihnachtsmannes, den zum Beispiel die russischen Kinder „Väterchen Frost nennen. In Finnland heißt er „Joulupukki. Der nordeuropäische Weihnachtsmann, dem eine Verwandtschaft mit dem Germanengott Thor zugeschrieben wird, weiß sich jedoch zu benehmen und betritt die Häuser durch die Tür, nachdem er vorher angeklopft hat. Sein Mantel ist auch nicht Coca-cola-rot, sondern eher braun oder blau. Seinen Pferde- oder Rentier-Schlitten läßt er schön ordentlich über den Schnee fahren.
Diesen unschuldigen heidnischen Weihnachtsmann griff die Limonadenfabrik „Coca Cola in den 1930er Jahren auf. Der Zeichner Haddon Sundblom entwarf 1931 im Rahmen einer Werbekampagne einen dicken Weihnachtsmann mit dem Gesicht eines im Ruhestand lebenden Coca-Cola-Mitarbeiters und stattete ihn mit der bekannten rot-weißen Kleidung aus. Mittels alljährlicher Werbefeldzüge brennt sich dieses Geschöpf seit über 75 Jahren weltweit in die Hirne der Menschen ein. So sandte „Coca Cola in diesem Jahr vom 25. November bis Weihnachten sechs „Weihnachtstrucks mit „Santa Claus in insgesamt sechzig deutsche Städte und lockte mit dem „Coca-Cola-Weihnachtssong („The Best Side Of Life), gesungen von Sarah Connor, Hunderttausende Deutsche an.
Heute ist es aber nicht mehr allein der Limonadenfabrikant aus Amerika, der mit „Santa Claus Geld verdienen will. In Hamburg zum Beispiel fand am 3. Advent mit Tausenden rotröckigen Weihnachtsmännern ein „Charity-Run unter dem Titel „Lauf, Santa, lauf! statt. Vor jedem deutschen Kaufhaus ist in der Vorweihnachtszeit der alte rote Mann mit der Schnapsnase zu finden. An vielen Hauswänden kann man sehen, wie sich türmende Santas abseilen. Eine ähnlich aggressive Vermarktung erfährt in Deutschland derzeit das ebenfalls aus Amerika eingeführte Halloween (siehe Seite 11).
Dabei bekämpft der amerikanische Santa gleich zwei deutsche Traditionsfiguren: den Nikolaus und das Christkind. Deren Zweisamkeit rührt von der besonderen konfessionellen Lage in Deutschland her. In früheren Zeiten kam der Nikolaus noch zu Weihnachten. Martin Luther und der Protestantismus waren es, die ihn durch das Christkind verdrängten, um die Heiligenverehrung einzudämmen. Das Christkind kommt seither heimlich am Heiligen Abend und legt die Geschenke unter den Weihnachtsbaum. Ab dem 19. Jahrhundert übernahmen auch die Katholiken den Brauch vom Christkind, während sich viele Protestanten dem Weihnachtsmann nordischer Prägung zuwandten.
Vorweihnachtliches sogenanntes „Extrem-Schmücking leuchtet uns seit wenigen Jahren ebenfalls aus Amerika heim. Während hierzulande die Strompreise steigen, lassen Lichtorgien in Gärten, auf Terrassen und an Häusern Leuchtmittelhersteller und Energieriesen frohlocken. Die belästigende Bedröhnung mit amerikanischen „Christmas-Songs in den Kaufhäusern und aus dem Radio macht es uns schwer, in der „staden Zeit zur Ruhe zu kommen.
Doch die Kritik an der Amerikanisierung Weihnachtens wächst. Es sind die vielen Einzelinitiativen, die allmählich zu einem Umdenken führen können; wie die witzige Idee von Sepp Obermeier, dem Vorsitzenden des Landschaftsverbands Donau-Wald im Förderverein Bairische Sprache und Dialekte. Er hat einen Umrüstsatz entwickelt. Mit diesem kann jeder die roten amerikanischen Schokoweihnachtsmänner in Schokonikolause (nicht: -nikoläuse!) verwandeln. Obermeier meint: „Sprachliche Identität ist untrennbar verbunden mit kultureller Identität. Die „Cocacolisierung des Nikolaus sieht er im Zusammenhang mit der Verarmung und Verschandelung der Sprache.
Vor drei Jahren gab die DEUTSCHE SPRACHWELLT eine Briefmarke heraus mit der Aufschrift „X-Mas? Nein danke! Wir feiern besinnliche Weihnachten. Anfang Dezember dieses Jahres rief die Aktion Lebendiges Deutsch dazu auf, statt „Christmas oder „X-mas wieder Weihnachten zu sagen. In diesem Sinne: „Frohe und besinnliche Weihnachten!
Merry Christmas allerseits (Auszug)
When the snow falls wunderbar And the children happy are, When the Glatteis on the street, And we all a Glühwein need, Then you know, es ist soweit: She is here, the Weihnachtszeit.
Every Parkhaus ist besetzt, Weil die people fahren jetzt, All to Kaufhof, Mediamarkt, Kriegen nearly Herzinfarkt, Shopping hirnverbrannte things And the Christmasglocke rings.
Udo Jürgens
Weihnachten (Auszug)
O schöne, herrliche Weihnachtszeit, Was bringst du Lust und Fröhlichkeit! Wenn der heilige Christ in jedem Haus Teilt seine lieben Gaben aus.
Und ist das Häuschen noch so klein, So kommt der heilige Christ hinein, Und alle sind ihm lieb wie die Seinen, Die Armen und Reichen, die Großen und Kleinen.
Der heilige Christ an alle denkt, Ein jedes wird von ihm beschenkt. Drum laßt uns freuen und dankbar sein! Er denkt auch unser, mein und dein! August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
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