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Sprache / Artikel zur Sprache XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / 4. Supermann braucht kein Flugzeug
 

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Supermann braucht kein Flugzeug
Fiese Tricks und schlaue Kniffe – von der Kunst der Schlagfertigkeit

 

Von Ralf Höller   

Es gibt amüsantere Ding als Leute zu verhauen. Diese Einsicht kam Box-Legende Muhamad Ali bereits zu aktiven Zeiten. Daher legte der Weltmeister aller Klassen größten Wert auf Schlagfertigkeit auch außerhalb des Rings - meistens mit Erfolg. Einmal aber fand er seinen Meister. Es war auf einem Transatlantikflug, als eine Stewardess darauf beharrte, Ali müsse sich anschnallen. Der Champion hatte keine Lust dazu und erwiderte lapidar: „Superman braucht keinen Sicherheitsgurt." Der postwendende Konter traf Ali an der richtigen Stelle und ließ ihn in den Seilen landen: „Superman braucht auch kein Flugzeug."

In der Rhetorik ist es wie im richtigen Leben. Bald merkt der Teilnehmer eines Streitgesprächs, daß die Welt schlecht ist und jeder ihm Böses will. Mit rüden Attacken versucht sein Gegner, ihn aus der Fassung zu bringen. Zwar hat, der dialektisch Geschulte gelernt, mit dem feinen Florett geschliffener Wortkunst umzugehen, doch ist bei einer Konfrontation coram publico eher Säbelrasseln angebracht. Und Schlagfertigkeit - so müssen viele Redner resigniert feststellen - ist die Kunst, die einem immer erst auf dein Heimweg einfallt..

In Diskussionsrunden und Talkshows geht es längst nicht mehr darum, mit Sachkenntnis zu glänzen. Wer dies dennoch tut, wird in unserer Infotainmentzeit schnell als Langweiler abgestempeIt. Das Publikum zu unterhalten ist das Diktat, auf das sich in der Mediengesellschaft vom Politiker bis zum Wirtschaftsboss alle Funktionsträger eingeschworen haben. Gepunktet wird in öffentlichen Rededuellen mit Provokationen und Polemiken, platten Sprüchen und plumper Anmache. Die Mahnung eines Moderators, sich doch bitte schön zur Sache zu äußern, darf guten Gewissens mit der Gegenfrage beantwortet werden, um welche Sache es sich eigentlich handele.

Streiten, um zu siegen
Arthur Schopenhauer hat für die Streitkultur der fiesen Tricks und hinterhältigen Kniffe den Begriff der eristischen Dialektik geprägt. Eris ist das griechische Wort für Streit; die Eristik steht im Gegensatz zur Logik, der Lehre vom schlüssigen und folgerichtigen Argumentieren. „eristische Dialektik", so Schopenhauer, „ist die Kunst zu disputiren, und zwar so zu disputiren, daß man Recht. behält" Die Begründung, warum die meisten Kontrahenten sich lieber an die Dialektik als an die Logik halten, liefert er gleich mit: „Wären wir von Grund aus ehrlich, so würden wir bei jeder Debatte bloß darauf ausgehen, die Wahrheit zu Tage zu fördern. Wer als Sieger aus einem Streit geht, verdankt es sehr oft nicht sowohl der Richtigkeit seiner Urteilskraft bei Aufstellung seines Satzes, als vielmehr der Schlauheit und Gewandtheit, mit der er ihn vertheidigte.“ Die für Schopenhauer den größten Erfolg versprechende Waffe, um sich in einem Streitgespräch gegen perfide Angriffe zu behaupten, ist die schlagfertige Reaktion. Der britische Premierminister Clement Attlee besaß sie nicht, als sein Vorgänger und Nachfolger im Amt, der wegen seiner Scharfzüngigkeit berüchtigte Winston Churchill, ihn während einer Parlamentsdebatte wenig respektvoll als „Schaf im Schafspelz" beschimpfte.

Andere Politiker wiederum zeichneten sich durch ihre originellen Retourkutschen gegenüber Angreifern und Zwischenrufern aus. Konrad Adenauer zum Beispiel antwortete auf den Einwand Kardinal Bühlers, die Kirche könne zu dem von ihm geplanten Gesetz unmöglich „ja“ sagen: „Zu Gesetzen hat die Kirche weder ja noch nein zu sagen. sondern höchstens Amen." Francois Mitterrand, von einem Störer permanent mit „Aufhören"-Rufen unterbrochen, erwiderte: „Ich würde uns beiden den Gefallen ja gerne tun, aber wir sollten in dieser Situation nicht nur an uns selbst denken." Carlo Schmid konterte. „Unterlassen Sie Ihre Zwischenrufe, sonst antworte ich Ihnen." Und Fritz Erler zog sich nonchalant mit, einem „Ich würde jetzt gern auf Ihren Zwischenruf antworten, aber hinterher würde es uns den leid tun" aus der Affäre. Schlagfertigkeit ist laut Duden die Fähigkeit, schnell und mit passenden, treffenden, witzigen Worten auf etwas reagieren. Ein angeborenes Talent -.. Schopenhauer in seiner „Eristischen Dialektik", sei die beste Möglichkeit
gemeinen Attacken umzugehen. Doch was machen diejenigen, denen solche Gabe nicht in die Wiege gelegt wurde, mit anderen Worten: Läßt sich Schlagfertigkeit trainieren? Ja, sagen Deutschlands Rhetorikprofis, die mit Werken wie „Schlagfertig kontern in jeder Situation" oder „Die intelligentere Art, sich gegen dumme Sprüche zu wehren" ihr Wissen gegen Bares zum Besten geben. In „Rheto - Kinesik - Dialektik" von Rolf H. Ruhleder, Deutschlands teuerstem Rhetoriktrainer, findet sich beispielsweise der gut gemeinte Rat, der Angegriffene solle den Zwischenrufer mit einem schlichten „Vielen Dank für den Hinweis" überraschen und anschließend ungerührt seinen Vortrag fortsetzen. Was hätte wohl der bösartige Churchill auf solches Friedensangebot erwidert?

Der Kommunikationsexperte Karsten Bredemeier empfiehlt in „Provokative Rhetorik? Schlagfertigkeit!" für den - reichlich konstruierten - Fall, daß ein Vortrag mit einem für alle Anwesenden vernehmlichen Auruf „Weichei!" unterbrochen wird, folgende Taktik: „Nehmen Sie sofort Blickkontakt zum Zwischenrufer auf. Antworten Sie dann genüßlich: „Schön, Sie kennen zu lernen. Mein Name ist übrigens Bredemeier." Ist das der Stoff, aus dem spannende Regen gestrickt sind?

Üben mit Schopenhauer
Hier drängt sich die Rückkehr zu Schopenhauer auf. In seiner „Eristischen Dialektik" rät der streitkundige Philosoph zu methodischer Vorgehensweise beim Erwerb verbaler Reaktionsschnelligkeit; können doch „Uebung und auch Nachdenken über die Wendungen, durch die man den Gegner wirft, oder die er meistens gebraucht, um zu werfen, viel beitragen, in dieser Kunst Meister zu werden.

Eine denkbare Redesituation, bei der das Schopenhauersche Konzept zum Tragen käme, wäre folgende: Der Vortragende wird bereits nach wenigen Sätzen mit einer respektlosen Bemerkung „Sie haben doch keine Ahnung!" unterbrochen. Da er auf solche Störmanöver vorbereitet ist, läßt er ein paar Sekunden verstreichen und anschließend das Haifischgrinsen seines Widersachers mit einer süffisanten Spitze ersterben. Die Antwort muß nicht, originär dem Geist des Redners entspringen; in jeder guten Zitatensammlung finden sich wertvolle Anregungen. Ein humoriger Spruch wie Wilhelm Buschs „Dummheit, die man bei andern sieht, wirkt meist erhebend aufs Gemüt" garantiert. unterstützendes Lachen aus dem Publikum; die schärfere Zurechtweisung „Sei klüger als die anderen, wenn du kannst - aber sag es ihnen nicht" (Chesterton) läßt den Angreifer vermutlich verstummen. Raffinierter sind Ausflüge in die Psychoanalyse, zum Beispiel mit Goethe - „Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt." Oder man nimmt mit Schiller Zuflucht zur Metaphysik: „Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst, vergebens."

Zum Trost für alle, die an der Kunst, auf Kommando geistreich sein zu müssen, verzweifeln, sei auf Mark Twain verwiesen. Dem für seine rhetorischen Kunstgriffe berühmten Redner fiel beileibe nicht immer eine Antwort ein. Dafür hatte er jedoch stets eine Entschuldigung parat: „Das Recht auf Dummheit wird von der Verfassung geschützt. Es gehört zur Garantie der freien Entfaltung der Persönlichkeit."


 



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