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Die Aussagekraft der zwei Buchstaben "Dr"
Artikel "Macht und Schein der Titel" Absatz 6

Die Promovierten bestehen hartnäckig auf dem ihnen automatisch zuerkannten wissenschaftlichen Nimbus (laut Wörterbuch: Ansehen, Ruhmesglanz), obwohl seine Grundlage von Jahr zu Jahr schwächer wird. Er beruht nur auf Vermutungen und Vorurteilen. Schon die übliche Kurzbezeichnung des Doktorgrades (Dr.) ist vage, weil ohne Angabe der Fakultät die Fachrichtung des Studiums unbekannt ist. Das Kürzel „Dr.“ zeigt nur an, der Titelträger habe vor nicht bekannter Zeit studiert und das Studium mit einer Dissertation mit unbekanntem Thema, unbekanntem Inhalt und unbekannter Qualität abgeschlossen – falls der Titel nicht auf andere Weise erworben wurde. Aber auch mit Fakultätsangabe als Beleg für die Fähigkeit wissen-schaftlich zu arbeiten bleiben die Fragen nach Datum, Inhalt und Qualität der Dissertation offen. Die formale Berechtigung für die akademische Dekoration bleibt zwar bestehen, die sachliche dagegen nicht.

Eine derart saloppe Handhabung von Leistungsbeweisen wäre auf anderen Gebieten undenkbar, zum Beispiel ein Handwerksmeister ohne Angabe des Handwerkes oder ein Sieger in einem sportlichen Wettkampf ohne Angabe der Sportart.  

Promovierte mit zweifachem „Dr.“ (Dr. Dr.) legen die Vermutung nahe, es habe sich ein Druckfehler in Form einer Verdopplung der zwei Buchstaben eingeschlichen. Als Zusatz bei Autoren ist der Doktorgrad völlig ungewöhnlich, erst recht in Form eines Doppeldoktors, wie es seit einiger Zeit im Magazin der Süddeut-schen Zeitung geschieht. Der jeweilige Zusatz der Fakultät würde wenigstens die Studienfächer des Autors benennen.  

Kerstin Liesem berichtete in der FAZ vom 8.1.2005 u. a. über die Chancen für Promovierte, in bestimmten Branchen mehr zu verdienen als Nichtpromovierte und Diplomierte. Obwohl kein Bestandteil des Namens würden besonders die zwei Buchstaben D und r nach wie vor wie ein Markenzeichen (was sie ja einst einmal waren) mit dem Namen geführt. Sie stehen für besondere Fachkenntnis und vor allem als Beweis für die Fähigkeit, wissenschaftlich zu arbeiten. Für Fachkenntnis gibt es schon deshalb keinen Anhalt, weil meistens die Fakultät verschwiegen wird. Eine fachliche Qualifikation kann sich immer erst in der Praxis erweisen. Es gibt auch viele Promovierte, deren Dissertationen keinen Nachweis für wissenschaftliches Denken liefern. 

Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, der Neurologe Karl Max Einhäupl, plädiert für die Trennung von Forschung und Praxis in der Medizinerausbildung (DIE ZEIT Nr. 8, v. 12. Febr. 2004, S. 30). Nach dem Studienabschluss dürfte sich dann der Normalarzt „Medizinischer Doktor“ nennen und wer dagegen wissenschaftlich arbeiten möchte schließt eine Forschungspromotion an, die ihn zum „Dr. med.“ berechtigt.

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