Die Presse, vom 26.09. 2005 Ressort: Politik
Fragen an Ursula Kastner-Koller, Assistenzprofessorin am Institut für Entwicklungspsychologie der Universität Wien
Die Presse: Wann sollte man mit Fremdsprachen beginnen?
Ursula Kastner-Koller: Ist ein Kind sehr sprachbegabt, kann es schon im Vorschulalter vom Fremdsprachenunterricht profitieren. Dann kann man es sogar ab dem vierten Lebensjahr überlegen, sonst warne ich aber davor. Für die Sprachentwicklung ist wichtig, dass eine Sprache wirklich gut und differenziert erlernt wird.
Was bedeutet sprachbegabt?
Kastner-Koller: Dass ein Kind zum Beispiel sehr leicht Wörter erfasst, sehr früh komplexe Wörter benützt, sich gut ausdrücken kann. Das sind Hinweise darauf, dass ein Kind sich für Sprache interessiert, Spaß daran hat. Leider ist es oft so, dass man erst, wenn das Kind sich mit zwei Sprachen auseinander setzen muss und es dann nicht so leicht fällt, merkt, dass es doch nicht so sprachbegabt ist, wie man es sich vielleicht gewünscht hat.
Welchen Nachteil hat das Kind, wenn es dennoch einen fremdsprachigen Kindergarten besucht hat?
Kastner-Koller: Wenn es nicht mehr ist, als dass es nichts aus dem Englischen im Kindergarten mitgenommen hat, ist kein Schaden angerichtet. Dort, wo ein Kind sich überhaupt schwer tut, grammatikalisch richtige Sätze zu bilden oder Gegenstände zu bezeichnen, sollte man die Finger davon lassen, sehr früh eine zweite Sprache zu lernen zu beginnen. Der Schwerpunkt muss sein, dass man die Muttersprache fördert.
Besteht sonst die Gefahr, dass man Fremd- und Muttersprache durcheinander bringt?
Kastner-Koller: Natürlich, das gibt es bei Kindern, die eine schwache sprachliche Begabung haben, dass sie das einfach nicht gut trennen.
Wie würde sich das anhören?
Kastner-Koller: Wenn das Kind zum Beispiel Schwierigkeiten mit der Mehrzahl-Bildung oder den Vergangenheitsformen hat. Da haben zwar alle eine Zeit lang Probleme damit ein Beispiel: „Ich bin gegeht, was man bei Kindern zwischen zwei und drei Jahren hört. Wenn das aber nicht nur gelegentlich vorkommt, sondern über den vierten Geburtstag hinaus, sollte man sich eine zweite Sprache für den schulischen Bereich aufsparen, und da wird es wahrscheinlich auch nicht ganz einfach.
Im positiven Fall: Wie intensiv soll ein Fremdsprachen-Training sein?
Kastner-Koller: Im Vorschulalter soll es nicht Unterricht sein; nur spielerisch, am Interesse und an der Aufnahmefähigkeit der Kinder orientiert. Man sollte an das anknüpfen, was sie im Alltag aufgreifen.
Wodurch unterscheiden sich Kinder und Jugendliche, die ab dem vierten Lebensjahr eine Fremdsprache erlernt haben, von anderen?
Kastner-Koller: Begabte könnten darin perfekt sein. Wenn ein Kind in Österreich lebt, ist aber eher die Frage, wo es Möglichkeiten hat, Fremdsprachen zu üben, bevor es im Jugendalter ist und im Internet surft, ins Ausland fährt dann wäre es sinnvoll. In unserem Schulsystem mit Englisch ab der Volksschule wird Fremdsprachenunterricht aber ohnedies allen laufend geboten.
Wie führt man Migrantenkinder an eine weitere Fremdsprache neben der deutschen heran?
Kastner-Koller: Natürlich gibt es jene, die in der Muttersprache und in der deutschen Sprache Schwierigkeiten haben. Für die ist eine weitere Fremdsprache eine Verschärfung des Problems. Das ist etwas, was durch guten Unterricht bewältigt werden kann. Allerdings wird es auch hier für ein Kind, das keine besondere Sprachbegabung hat, schwierig bleiben. pö
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