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Sprache / Artikel zur Sprache XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / 7. Gott erhalte die Erhaltung
 

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Gott erhalte die Erhaltung

 

Muß, wer schützt, auch gleich zerstören? Es ist ja gut, wenn Umwelt, Tiere, Denkmäler geschützt werden. Aber soll deshalb unsere Sprache verarmen? Wohin wir hören oder lesen: Überall wird „der Erhalt" von etwas gefordert. „Denkmalschützer diskutieren in Saarbrücken über den Erhalt alter Produktionsanlagen", müssen wir lesen. Ein anderer Schreiber bangt „um den Erhalt der Akademie der Künste in Ost-Berlin". Solche Fehler schlüpfen offenbar durch alle Korrektur-Schleusen und tun dem Leser weh, der zwischen den beiden - nur in der Einzahl vorkommenden - Hauptwörtern unterschieden sehen will, zwischen dem männlichen „Erhalt" und der weiblichen „Erhaltung".

Weshalb verdrängt der gespreizt klingende Zweisilber „Erhalt" immer öfter die gemächlichere, dreisilbige „Erhaltung"? Könnte es sein, daß uns jemand imponieren will, wenn er statt der richtigen „Erhaltung" etwas von „Erhalt" bellt? Denn im „Erhalt" hören wir noch ein Echo der kurz angebundenen Kanzlei- also: Diktier-Sprache: „Nach Erhalt Ihres Schreibens . . ."

Beide Substantive, „der Erhalt" und „die Erhaltung", schreiben sich von einem Grundwort „erhalten" her. Das ist, wie wir im Grimmschen „Wörterbuch" lernen können, ein charakteristisch neuhochdeutsches Wort, das die mittelhochdeutschen Schreiber vor fünf- oder achthundert Jahren noch nicht kannten.

Das Wort „erhalten" schillert in vielen Bedeutungen. Uns sind hier nur zwei wichtig. „Erhalten" kann klingen wie das lateinische obtinere. Dann meint es: empfangen, bekommen. Man kann Lohn oder Tadel, Lob oder eine Backpfeife erhalten, eine Nachricht auch oder einen Brief. Das Hauptwort zum Verb dieser Bedeutung ist „der Erhalt", im Sinn von Empfang (accepio).

Die andere hier zu klärende Bedeutung ist „erhalten" - im Sinne von forterhalten, bewahren, retten, schützen, behüten (conservare). So hieß konservative Politik vor hundertfünfzig Jahren noch gut deutsch „erhaltende Politik". In Luthers Übersetzung gibt Jesus zu bedenken (Matthäus 16,25): „Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren." Das Hauptwort zum Verb dieser Bedeutung aber ist „die Erhaltung", im Sinn von Rettung, Bewahrung (conservatio, salus).

Die „Erhaltung" wird zunehmend vom „Erhalt" verdrängt. Vor zweihundert Jahren war es umgekehrt: Da durfte „die Erhaltung" noch „den Erhalt" ersetzen, konnte der Philosoph Fichte schreiben: „Ich verreiste bald nach Erhaltung Deines Briefes."

Einen ähnlichen Vorgang erleben wir zur Zeit mit der - falschen - Verlängerung des Wortes „Unterhalt" zu „Unterhaltung". Vorsicht! Wenn die Stadtverordnetenversammlung beim Bau eines neuen Krankenhauses in guter Hausväterart, aber schlechtem Deutsch die späteren „Unterhaltungs-" (statt „Unterhalts-") Kosten in Rechnung stellt, ist nicht an Kabarett-Abende im Operationssaal oder Striptease-Darbietungen zur schnelleren Genesung der Bettlägerigen gedacht.

Und wenn Denkmalschützer über „den Erhalt" alter Fabriken diskutieren, dürfen wir nach dem richtigen Wort verlangen: der „Erhaltung". Die Konservatoren zerbrechen sich ja nicht den Kopf darüber, wie sie gigantischem Sperrmüll den richtigen Empfang bereiten, sondern wie solche Zeugen der Industriekultur für die Nachkommen gerettet werden können. Ja, Gott erhalte Franz, den Kaiser, aber die Erhaltung auch.

 



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