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Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Stil & Etikette / Der Große Knigge
 

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Der neue (moderne) Große Knigge

 mit Antworten aus dem vergangenen Jahrhundert

An die Damen und Herren des Deutschen Knigge-Rates

 

Sehr geehrte Frau Jarosch,
sehr geehrte Damen und Herren,

die neue Benimm-Anleitung, der „Große Knigge“, entspricht im Wesentlichen der Ausgabe „Stil & Etikette“ vor 6 ½ Jahren. Sie ist sicher wieder hilfreich. Umgangsformen ändern sich etwas, es gibt neue Interessenten, manches wird vergessen, Unsitten schleichen sich ein und tragen zu Unsicherheiten im Verhalten bei. Die ansprechende Aufmachung und der präzise, fehlerfreie sowie angenehme Schreibstil laden jederzeit zum Weiterlesen ein. Also insgesamt ein gelungener Begleiter für jedermann zu jederzeit, der wissen will, wie der Tritt ins Fettnäpfchen vermeidbar ist.

Beim Thema „Titel und Grade“ hört allerdings mein Loben auf. Wer unsicher ist oder Angst hat, Titel und Grade in der Anrede falsch  anzugeben, mag Ihre Vorschläge begrüßen. Wer jedoch wie allgemein üblich über den Studienabschluss nichts Näheres weiß oder der zutreffenden Ansicht ist, es bestehe keine Verpflichtung zur Anrede mit einer der akademischen Auszeichnungen, wird verunsichert. Er muss sogar aus Ihren Beispielen folgern, Titel und Doktorgrad müssten in jedem Fall in der Anrede erwähnt werden. Diese Auffassung ist überholt und nicht geeignet, als Regelverhalten empfohlen zu werden. Deutschland ist und bleibt in der Völkergemeinschaft mit seiner übertriebenen Titelbeachtung zunehmend isoliert. Man spricht schon von „Dr. Deutschland“.

Der Drang nach Bildung und Ausbildung dauert unvermindert an. Studieren liegt im Trend. Fast höchstes Ziel ist der Doktorgrad, im Volksmund auch „Doktortitel“ genannt. In Deutschland ist der Doktorgrad neben dem Professor-Titel der wichtigste weil am meisten geachtete akademische Abschluss des Studiums. Eigentlicher Grund ist allerdings sehr oft nicht das vermehrte Wissen, sondern, wie Sie es in der Begleitbroschüre anpreisen, „mehr Ansehen, mehr Anerkennung und mehr Erfolg“. Das besonders Reizvolle an den hervorgehobenen Folgen richtigen Verhaltens, u. a. das Ansprechen eines Promovierten mit dem „Doktortitel“, ist doch mindestens die unbegründete lebenslange Gültigkeit von mehr Ansehen. Basis dafür ist der noch immer allgemein, auch von Ihnen erneut verbreitete Irrtum, dass der Doktorgrad Teil des Namens sei. Als Reaktion auf „Stil & Etikette“ wies ich Sie bereits ausführlich auf die höchstrichterliche Rechtsprechung und die Konsequenzen für die Gesellschaft hin (Link 4). Der mit auffälligem Werbeaufwand erschienene „GROSSE KNIGGE“ wurde vielverheißend als „die deutsche Referenz-Publikation“ für moderne Umgangsformen vorgestellt. Auch fehlt darin nicht der Hinweis, vom Deutschen Knigge-Rat empfohlen zu sein. Doch die wohlklingenden Referenzen können nicht den Mangel verdecken, dass wichtige Informationen zum Thema „Akademische Grade“ zum wiederholten Male falsch sind oder fehlen:

  1.  Akademische Grade sind kein Bestandteil des Namens und keine Berufsbezeichnung (Link 1);
  2. Der Doktorgrad ist kein Titel (Link 2);
  3. Es besteht keine Verpflichtung zur Anrede (schriftlich wie mündlich) mit einem akademischen Grad oder Titel (Link 3).

Das Verschweigen der aktuellen Situation ist kein Ausdruck der betonten Modernität des „Knigge“, sondern im vorliegenden Fall eher ein Zeichen von Rückständigkeit, um Privilegien eines bestimmten Personenkreises lebenslang zu sichern.

Dabei wird übersehen:

    4.   Die durch den Doktorgrad bewirkte automatische lebenslange gesellschaftliche
          Aufwertung ist unbegründet. Sie hat keinen sachlichen Bezug zu der in der Regel 
          unbekannten sowie einmaligen, mehr oder weniger bedeutsamen oder mehr oder
          weniger reell verfassten Dissertation;
    5.   Alle Vollakademiker ohne Doktorgrad oder mit einem anderen akademischen Grad
          werden als Akademiker 2. Klasse behandelt, was gegen Art. 2 und 3 GG verstößt;
    6.   Das verbreitete Vorurteil wird bestätigt, ein Herr Dr. Meier leiste, könne und wisse
          mehr als der Herr Meier, allein schon deshalb, weil Herr Dr. Meier ein Doktorsymbol
          vor dem Namen trägt.

Ausführliche  Stellungnahme in separatem Schreiben.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Werner, am 24.5.2012

Links:
Link 1: http://www.sprache-werner.info/index.php?id=1916 Urteile
Link 2: http://www.politikexpress.de/waz-der-doktor-ist-kein-titel-kommentar-von-christopher-onkelbach-557534.html  (Akademische Titel und Grade)
Link 3: http://www.sprache-werner.info/index.php?id=1923 (Anrede)
Link 4: http://www.sprache-werner.info/index.php?id=6203  ( Briefwechsel)

C/ An die Kniggeratmitglieder
    Frau Gabriele Holly (info@kniggerat.de)
    Frau Elisabeth Bonneau   (info@bonneau.de)    
    Herrn Alexander Freiherr von Fricks  (ole.myrrhe@t-online.de)
    Herrn Rainer Wälde    (info@rainerwaelde.de)
 



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