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Gesamtfassung

zu "mehrfach - mehrmals"
Wer erklärt dem Duden den Unterschied?

Übersicht
Zusammenfassung

Definitionen
Sprachgebrauch
Semantischer Irrweg

Verwirrung
Ratlosigkeit
Widersprüche

Unfähig oder unwillig 
Ergebnis
Gesamt

Das Wort "mehrfach" wird meistens anstelle von "mehrmals" verwendet, wodurch der Sachverhalt verfälscht wird. Denn:

Mehrfache Handlungen und Ereignisse finden gleichzeitig statt,
mehrmalige Handlungen und Ereignisse finden nacheinander statt.

mehrfach (vielfach) ergibt sich aus der Reihe "einfach, zweifach, dreifach ...." und
mehrmals (mehrere Male) aus der Reihe "einmal, zweimal, dreimal ....".

Im Duden und in anderen Wörterbüchern werden "mehrfach" und "mehrmals" falsch und/oder widersprüchlich erläutert, sowie deren Bedeutungsunterschied ignoriert und sogar geleugnet. Es handelt sich bei diesen Wörtern um unbestimmte Zahlwörter, die zum eindeutigen Beschreiben und Kennzeichnen unterschiedlicher Sachverhalte, insb. in den Bereichen Naturwissenschaft, Technik, Recht, Gerichtswesen und Medizin nicht nur vorteilhaft, sondern erforderlich sind. Der allgemeine Trend, sich unklar auszudrücken (ich würde sagen, meinen, glauben usw., ich gehe davon aus) vernebelt offenbar das Erkennen der Fehlleistungen der Institutionen, die vorgeben, für die deutsche Sprache zuständig zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, daß die bekannteste "Instanz für die deutsche Sprache", der Duden, seit Jahrzehnten - von den Sprach-Fachleuten ungebremst - in nicht zu überbietenden sprachlichen Bocksprüngen mit den Erklärungen für die Bedeutung der Wörter "mehrfach" und "mehrmals" herumeiert.

Definitionen:

mehrfach: Duden (1934 u.a.) = mehrmals (falsche Deutung!)

Duden-Grammatik (1966, S. 300, 301):

mehrfach: unbestimmtes Vervielfältigungszahlwort; es gibt an, wie oft, in welcher Anzahl etwas vorhanden ist (einfach, zweifach, vielfach, mannigfach etc..

mehrmals: unbestimmtes Wiederholungszahlwort; es gibt an, wie oft, wieviele Male sich etwas ereignet (einmal, zweimal, vielmals, mehrmals, x-mal). Ab dem zweiten Mal sind es Wiederholungen.

Duden 2000:

mehrfach: 1. sich in gleicher Form mehrere Male wiederholend; mehrmalig; 2. a) (im Hinblick auf Menge, Anzahl) auf verschiedene Weise: etw. in mehrfacher Hinsicht beurteilen; Bürger fordern einen mehrfach nutzbaren Saal; b) (ugs.) mehr als einmal; mehrmals

mehrmals: mehrere Male; des Öfteren

Bertelsmann: Wörterbuch der deutschen Sprache, 2004

mehrfach: 1. mehrere Male übereinander, mehr als einmnal; Papier, Stoff m. legen; ein Schriftstück in mehrfacher Ausfertigung 2. (ugs.) mehrmals, öfter; ich habe schon m. darauf hingewiesen; das habe ich schon m. beobachtet

mehrmals: mehrere Male, öfters; ich habe schon m. darauf hingewiesen; das habe ich schon m. beobachtet; man kann die Papiertücher m. benutzen

Vorsicht! Die Erklärungen sind mißverständlich oder falsch!

 

Der Sprachgebrauch

Der Verlauf der Reihenfolgen für "mehrfach" und "mehrmals" in der Kurzfassung sollte eigentlich ausreichend demonstrieren, daß sich die beiden Wörter grundsätzlich von einander unterscheiden. Die Sprech- und Schreibpraxis, also der Sprachgebrauch zeigt jedoch ein völlig anderes Bild. etwa 95 % der Deutschen, die Germanisten mit leichter Prozentminderung eingeschlossen, kennen den Unterschied zwischen dem (in der Regel falsch verwendeten) Wort "mehrfach" und dem (selten richtig eingesetzten) Wort "mehrmals" nicht.

Aktuelle Beispiele:
"Mehrfach habe die Autoren in der Schrift ... ." SZ, Nr 57/2003, S. 14;
"Mehrfach blieb sie am Fenster stehen." Spiegel, 10/2003, S. 158;
"Der Zaun ist mehrfach gestrichen worden." Bild der Wissenschaft, 3/2003, S. 70;
"Vermutlich lügt der Mensch mehrfach täglich." ZEIT, 3/2003, S. 23
"Die Ziele der Amerikaner haben mehrfach gewechselt." Bayerischer Rundfunk, 21.03.03

In allen Fällen handelte es sich dem Kontext nach um Handlungen, die zeitversetzt, also nacheinander stattgefunden haben. Das Wort "mehrfach" ist daher falsch.Weist man einen Autor auf den Fehler hin, bezieht er sich auf den Duden. Was darin stände, könne doch nicht falsch sein. Es ist naheliegend, daß die falsche semantische Beurteilung, erstrangig im Duden und offenbar ihr folgend in anderen Wörterbüchern, wirkungsvoll mitgeholfen hat, die Gleichschaltung der Wörter "mehrfach" und "mehrmals" im Sprachgebrauch zu fördern. Die in den Wörterbüchern ignorierte, ja sogar verneinte unterschiedliche Bedeutung vernichtet die wichtige Möglichkeit, zu differenzieren, d. h., unterschiedliche Sachverhalte angemessen zu kennzeichnen. Mit der Beseitigung des Unterschiedes der unbestimmten Zahlwörter liefert insb. der Duden einen besonders krassen Fall, wenn nicht den Höhepunkt schwammdeutscher Sinnverfälschung.

Der semantische Irrweg seit 1934

Spätestens im "Großen Duden" von 1934 (S. 351) begann, im Jahre 1947 wiederholt (S. 363) - vorerst noch zaghaft - das Gleichsetzen von "mehrfach" und "mehrmals". Unter dem Eintrag "mehr" stehen u. a. Einträge wie "Mehrlader" (Feuerwaffe) und "Mehrling" (Zwilling, Drilling), die alle die Gleichzeitigkeit implizieren. Am Ende der Erläuterungen sind - fast schüchtern - die zwei Wörter "mehrmalig" und "mehrmal(s)" eingefügt, ohne Beispiele. Ein Versehen? Oder wurden bereits erste Schlampereien im Volke registriert und pflichtbewußt dokumentiert? Die Grammatikabteilung des Duden scheint dabei die widersinnige Ausweitung der Bedeutung von "mehrfach" nicht bemerkt zu haben. Denn in 1935 war das unbestimmte Zahlwort "mehrfach" in der "Grammatik der deutschen Sprache" noch kein Gegenstand einer speziellen Erörterung. Spätestens in der Grammatik des Jahres 1966 (S. 300, 301) entdeckte man beim Duden, daß es verschiedene unbestimmte Zahlwörter gibt. Darin wurde

mehrfach als unbestimmtes "Vervielfältigungszahlwort" und mehrmals als unbestimmtes "Wiederholungszahlwort"

ausführlich erläutert. Dies war für denjenigen hilfreich, der in "Richtiges und gutes Deutsch", 1985 unter "V" bzw. "W" diese Wortarten gesucht hat. Aber wer kannte und kennt diese Worttypen schon? Hat der Duden inzwischen Gewissensbisse bekommen? Warum wurde in diesem Band das Zahlwort "mehrmals" nur zum Unterscheiden von "mehrmalig" erwähnt (S. 467)? Kein Hinweis auf die Wortart. "Mehrfach" ist dort überhaupt nicht erwähnt. Die unterschiedliche und inkonsequente Erörterung des Wortpaares "mehrfach/mehrmals" legt zwei Erklärungen nahe. Entweder bereiten diese Wörter den Dudenredakteuren unüberwindliche Schwierigkeiten, ihre Bedeutung zu verstehen, oder die für die einzelnen Spezialbände Verantwortlichen arbeiten jeweils, ohne sich untereinander abzustimmen. Wie heißt es auf dem Einband vom Grammatikband (1998)?

"zuverlässig in allen Zweifelsfällen" und "Auf modernster wissenschaftliche Grundlage. Für jeden verständlich und unentbehrlich".

"Mehrfach" und "mehrmals" stehen somit für zwei völlig verschiedene Sachverhalte, die zu unterscheiden insb. in den Bereichen Recht, Naturwissenschaften und Technik sehr wichtig ist. Die Vervielfältigung entspricht einer Multiplikation, die Wiederholung einer Addition. Die Angabe, ob z. B. ein Gelenk mit Druck, Zug oder Drehung und aus verschiedenen Richtungen mehrfach; d. h. gleichzeitig, belastet wird oder mehrmals, also die einzelnen Male zeitversetzt, ist sowohl für den Orthopäden als auch für den Statiker eine wichtige Voraussetzung für das Beurteilen der Belastung des Gelenks. Ein mehrfach (gleichzeitig z. B an Arm und Bein) Verletzter unterscheidet sich von einem mehrmals Verletzten an diesen Gliedern. Hier können Monate zwischen den einzelnen Verletzungen liegen. Grundsätzlich spielt die Zeit beim Unterschied zwischen "mehrfach" und "mehrmals" eine wesentliche Rolle. Der Elektrotechniker würde "mehrfach" mit einer Parallelschaltung und "mehrmals" mit einer Reihenschaltung vergleichen. Diese beiden Schaltungsarten gleichzusetzen dürfte sich kein Herausgeber eines elektrotechnischen Lehrbuches erlauben.

 

Die Verwirrung

In einer älteren Ausgabe des Duden wird beim mehrfach vorbestraften Sittlichkeitsverbrecher "mehrfach" verharmlosend als saloppe Wendung anstelle von "mehrmals" bezeichnet. Im Hinblick auf den krassen Unterschied zwischen "mehrfach" und "mehrmals" liegt darin eher ein salopper Umgang mit der Sprache. Die Erläuterungen zu den Wortkombinationen mit "mehrfach", wo teils richtige, teils falsche Definitionen angegeben sind, bestätigen das harte Urteil. So sind Mehrfach-Versicherungen im angeführten Sinne durchaus üblich. Eine Verpackung kann man zwar mehrfach benutzen, wenn man in ihr z.B. ein Buch und eine Flasche verschickt. Aber gemeint ist offensichtlich eine Verpackung, die mehrere Male (also nacheinander) benutzt werden kann und soll. Dann ist sie allenfalls eine Mehrmalsverpackung, wenn die ausführliche Angabe mehrmals verwendbare Verpackung vermieden werden soll.

Das Wort "mehrfach" bildet augenscheinlich Fortsetzung und Ende der Wortreihe: einfach (im Sinne von leicht ausgenommen), zweifach, dreifach... mehrfach (vielfach), wobei die Silbe "fach" auf das Fach bspw. einer Truhe hinweist. Die Gegenstände sind dann (gleichzeitig( in verschiedenen Fächern der Truhe gelagert. Auch die Verbindung mit dem Begriff Ausfertigung, z. B. "in dreifacher Ausfertigung" weist auf das wesentliche Kriterium der Wortreihe und damit auch des Wortes "mehrfach" hin, der Gleichzeitigkeit des Geschehens.

Diesem für die gen. Bereiche (Rechtswesen, Naturwissenschaften und Technik) bedeutsamen Sachverhalt widerspricht es, "mehrfach" mit "mehrmals" gleichzusetzen. Das gilt auch für den Nachfolgeband in 1997 (S. 510), worin andererseits sogar ausführlich zum Thema "Wiederholung" Stellung genommen wird. Zum Erläutern der Groß- oder Kleinschreibung von Mal (=Zeitpunkt) sind eine Vielzahl von Beispielen aufgeführt (dieses Mal, das letzte Mal, einige Male, tausend Male), die alle klar erkennen lassen, daß jedes "Mal" zu einem anderen Zeitpunkt stattfindet (499,500). Kein einziges Mal ist auch nur andeutungsweise "mal" mit "fach" gleichgesetzt, etwa "Dutzend Male" mit "dutzendfach".

Und um die Verwirrung komplett zu machen, in der Grammatik von 1998 (S. 277) fehlen die Wiederholungszahlwörter völlig.Die seit Jahrzehnten unbewältigten Probleme des Duden mit den unbestimmten Zahlwörtern blieben nicht ohne Rückwirkung auf das Sprachgeschehen. Auch hier scheint der Duden auf beiden Augen blind zu sein. Beim Zählen der Wörter müßte ihm doch aufgefallen sein, mit welcher Unbeständigkeit und Unregelmäßigkeit die unbestimmten Zahlwörter "mehrfach"/"mehrmals" verwendet werden. Statt daraus Konsequenzen zu ziehen und diesem Wirrwarr entgegenzuwirken, verschanzte er sich weiter in der Burg des Dokumentierens und verunsichert nach wie vor die Leser, so auch in seinen neuesten Ausgaben mit seinen widersprüchlichen Erläuterungen. Der Einfluß der sehr oft benötigten Zahlwörter auf die mitzuteilende Information ist so gravierend, daß sich der Verdacht aufdrängt,

der Duden, "die Instanz für die deutsche Sprache"

betreibe mit der Nichtbeachtung des Bedeutungsunterschiedes eine vorsätzliche, mindestens fahrlässige Verunsicherung der Deutschsprechenden. Die in den Wörterbüchern geradezu starrsinnig dargelegte Sinngleichheit ist schon kein semantischer Purzelbaum mehr, sondern ein mehrmaliger (nicht mehrfacher) Salto mortale. Ich kann mir nur schwer vorstellen, daß niemand der jeweils zuständigen Redakteure einen Unterschied darin sieht, ob sie einen Brief mit Kopien, also mehrfach erhalten oder den (wort)gleichen Brief einmal heute, einmal morgen und einmal übermorgen, also dreimal oder mehrmals.

Die Reihe einmal, zweimal, dreimal, ......, kann nur mit mehrmals (vielmals) fortgesetzt werden und nicht mit mehrfach. Mehrfach bildet das Ende der Reihe einfach, zweifach, dreifach, ....

 

Ratlosigkeit

Kann der ratsuchende Leser etwa im "Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle" vom Duden Hilfe finden? Ja und nein. Zum Wortpaar "mehrmalig"/"mehrmals" ist (korrekterweise) das Beispiel angeführt: Das Stück wurde mehrmals aufgeführt. Das Beispiel erfüllt das Zeitkriterium, weil die Aufführungen nicht gleichzeitig statt fanden. Es paßt aber auch zur (strittigen) Erläuterung im Universalwörterbuch für "mehrfach" (sich in gleicher Form mehrere Male wiederholend).

Die Verwirrung wird auf S. 1096 unter oft genährt, wo überraschend das Wort "mehrfach" erneut auftaucht und alle danach angeführten Beispiele auf Fälle bezogen sind, die zeitlich nacheinander erfolgen und daher mehrmalige Ereignisse sind.ln einer älteren Ausgabe des Duden (Bd. 1) sind für "oft" und "öfter" keine mit fach endende Synonyme angegeben; das Wort "oftfach" blieb im Volksmund ja auch bisher unentdeckt. Anders im Wahrig. Dort wird "oft" mit "mehrmals" und "mehrfach" gleichgesetzt.

Die angeführten Beispiele zeigen jedoch auch dort, daß keine Gleichzeitigkeit, sondern immer ein zeitlicher Abstand zwischen den (oft) auftretenden Ereignissen besteht und daher oft nicht durch doppelt (-zweifach) ersetzbar ist. Das ebenfalls angeführte Synonym "häufig" hat sich auch schon sinnwidrigerweise auf der Sinnseite von "oft" etabliert, obwohl es seinem Wortstamm nach Zeitgleichheit andeutet (Haufen). Bei "öfter" scheint dem Autor der Hinweis auf "mehrfach" nicht mehr notwendig zu sein; oder hat er ihn nur vergessen?

 

Die Widersprüche

Wenn der Duden in seinen Nachschlagewerken einmal einen Begriff richtig erläutert hat, dann hebt er diese (richtige) Erläuterung später, so im neuen Grammatikband von 1998 teilweise (S. 277) und in den Wörterbüchern vollständig und ohne Begründung wieder auf. Dort steht außerdem unter "Vervielfältigungszahlwörter" die falsche Erklärung für "doppelt": " ... während mit "doppelt" ausgedrückt wird, daß dasselbe noch einmal erscheint." Schon die Wörter "noch einmal" lassen erkennen, daß es sich hier um eine Wiederholung handelt. Die Wiederholungszahlwörter (mit "-mals" endend) sind im Großen Wörterbuch (1999) überhaupt nicht mehr aufgeführt.Im Großen deutschen Wörterbuch in sechs Bänden von 1976 (S. 1762) und im Deutschen Universalwörterbuch von 1989 (S. 1002 ) steht jeweils unmittelbar hinter dem Eintrag "mehrfach" die Erklärung "mehr als einmal; sich in gleicher Form mehrere Male wiederholend".

Im Bedeutungswörterbuch von 1985 taucht eine neue Variante auf (S. 437): (unbestimmtes Zahlwort): "sich in gleicher Form oder auf verschiedene Weise (?) wiederholend". Der Widersinn hat Methode und wird im Großen deutschen Wörterbuch (S. 1762) mit diversen, z. T. absurden Beispielen verziert: "(Im Hinblick auf Menge, Anzahl) des öfteren, auf verschiedene Weise: Er hat mehrfach bewiesen, daß er es kann; er konnte sein Alibi mehrfach nachweisen; Die Bundesbürger putzen sich mehrfach die Zähne." Wie das? In jeder Hand eine Bürste? Und Eine Verpackung, die mehrfach zu benutzen ist (im Unterschied zur Einwegverpackung). Auch hier fällt wieder die Inkonsequenz in den Erläuterungen auf. Eingestreut sind durchaus richtige Beispiele wie "Mehrfachimpfung" und "Mehrfachtelefonie" sowie Begriffe, die sowohl mit "mehrfach" als auch mit "mehrmals" kombiniert werden können (beweisen, nachweisen, ändern, Versicherungen). Der kurze Einschub "salopp statt mehrmals" zeugt eher von einem, gelinde ausgedrückt, saloppen und eines Duden unwürdigen Umganges mit der Sprache.

Der Eintrag "mehrfach" im Bedeutungswörterbuch von 1985 (S. 437) besticht durch seine knappe wie ebenfalls falsche Erklärung und dadurch, daß ein weiteres kurioses Beispiel angeführt ist: "er ist mehrfach als Schauspieler aufgetreten." Zusammen mit seinem gleichaltrigen Klon? Das könnte ja einmal in ferner Zukunft Wirklichkeit werden. Ferner geht der Verweis auf das Wort oft fehl, weil oft eine (zeitversetzte) Häufigkeit andeutet, keine zeitgleiche. Die im "Universal Wörterbuch" (1989) auf S. 1002. zu "mehrfach" gegebene Deutung "mehr als einmal; sich in gleicher Form mehrere Male wiederholend;" würde genau für das Wort "mehrmals", das auf S. 1003, l. Sp. passen, das mit "mehrere Male; des öfteren;" erklärt ist. Wäre es nicht konsequent, das Wort "mehrfach" in Anlehnung an die Endsilbe "fach" als "mehr als einfach" zu deklarieren, ergänzt etwa durch: "mehrere gleichzeitige Geschehnisse"? Wenn, wie im Wörterbuch an der genannten Stelle weiter ausgeführt ist, "ein Bericht in mehrfacher Ausfertigung vorgelegt wird", dann handelt es sich bei dieser Aktion eben nicht um eine solche, die Ihrer Definition gemäß mehrere Male wiederholt wird, was einen mehr oder weniger großen Zeitabstand zwischen den einzelnen Aktionen voraussetzt. Jedenfalls fand die Vorlage des Berichtes nur einmal statt.

Mit den unbestimmten Zahlwörtern lassen sich auch Nuancen ausdrücken, die den Sprachspezialisten beim Duden ebenfalls unbekannt geblieben sind, z. B. bei sportlichen Erfolgen. Den oder die Meistertitel kann man nur mehrmals erringen. Danach, bei Betrachtung des (gleichzeitigen) Besitzes der Titel, ist es der "mehrfache Meister". Ein Sportler, auch der im Wörterbuch angeführte Langläufer, der mehrere deutsche Meisterschaften errungen hat, ist mehrmals Meister geworden und kann allenfalls dann ein "mehrfacher Meister" genannt werden, wenn deutlich seine (jetzt bestehende) Trägerschaft der verschiedenen Meistertitel gemeint ist. Nur in Ausnahmefällen werden Sportler "mehrfache Meister", nämlich dann, wenn z. B. in einem 5 000 m-Lauf (gleichzeitig) auch der Titel über 1 000 m vergeben wird. Derartige Feinheiten der deutschen Sprache bleiben ungenutzt.

Es läßt sich leicht darauf verweisen, bestimmte (falsche) Ausdrücke seien bereits zur Gewohnheit geworden, nachdem sie der Duden seit Jahrzehnten nur dokumentiert und nicht schon von Anfang an kritisch beurteilt hat. Mehrfache Saltos und Sprünge (Axel, Rittberger etc.) waren und sind auch in Zukunft jeweils mehrmalige. Die im verurteilten Zustand betrachtet "mehrfach Verurteilten" wurden als "Mehrmalstäter" mehrmals verurteilt. Besonders eindrucksvoll wäre das "mehrfach benutzbare Taschentuch". Vielleicht für ein Quartett, jeder an einem Zipfel und dann gleichzeitig schneuzen. Viel Vergnügen! Und welches wäre es erst auf der "mehrfach benutzten Toilette"!

Für das Wörterbuchbeispiel unter 2.a) (im Hinblick auf Menge, Anzahl) gilt: Es trifft zu, daß jemand mehrfach beweisen kann, etwas zu können, z. B. durch Vorlage von Zeugnissen und gleichzeitig vorgelegten Zeugenaussagen. Nur in diesem Fall spielt das angegebene Kriterium auf verschiedene Weise eine Rolle. Die Regel besteht jedoch darin, daß jemand wiederholt, d. h. mehrmals (auf die gleiche oder auch verschiedene Weise) seine Fähigkeiten beweist. Auch hier liegen zwischen den einzelnen Aktionen Zeitabstände. Oder im Zusammenhang mit einem Brief: Erhält der Empfänger den Brief mehr als einmal, dann erhält er ihn mehrmals, also öfters, vielleicht auch mehrfach, dann aber (jeweils) in mehreren Ausfertigungen. Auch für einen wegen mehrerer Straftaten Verurteilten gilt: Er wurde mehrmals verurteilt (=Mehrmalstäter) und ist im Moment der Betrachtung ein Mehrfachverurteilter. Oder: Die "mehrfache Mutter" wurde mehrmals Mutter. Erst die weiteren Beispiele wie "mehrfach behindert", "Mehrfachimpfstoff" usw. erfüllen die Forderung nach gleichzeitigem Auftreten eines Zustandes oder Geschehnisses. Gemessen auch an der Häufigkeit des Auftretens von wiederholten Vorgängen und Ereignissen gegenüber solchen gleichzeitigen Geschehens erscheint es nicht gerechtfertigt, die Erläuterung zu "mehrmals "nur auf zwei Zeilen zu beschränken.

 

Unfähig oder unwillig

Hatte mein ausführlicher Hinweis vor etwa 5 Jahren auf die sinnwidrige Erläuterung der unbestimmten Zahlwörter Erfolg? Nein. So steht zwar in neuesten Wörterbuch von 2000 (S. 861) unter "mehrfach" "mehr als ein- oder zweifach, aus mehreren Teilen bestehend; (umg.; nicht ganz korrekt) mehrmals". Aber was heißt nicht ganz korrekt? Wie oben dargelegt gibt es bei den unbestimmten Zahlwörtern nur zwei Möglichkeiten, entweder eine falsche oder eine richtige Angabe. Und nach drei im Prinzip richtigen Beispielen bringt der Duden wieder eine neue Variante des Widersinns: "ich bin in letzter Zeit mehrfach danach gefragt worden (umg.)." Da müßten schon mindestens zwei Personen im Chor gefragt haben. Kann der erneute Hinweis auf die umgangssprachliche Version den Gebrauch eines falschen Wortes entschuldigen?

Außerdem, was ist mit der neuen Erklärungsvariante "aus mehreren Teilen bestehend" gemeint? Wenn ein Gegenstand aus mehreren gleichen oder ungleichen Teilen besteht, was wäre daran mehrfach?

Der neue 10-bändige Duden von 1999, angepriesen als "umfassendste und aktuellste Dokumentation der deutschen Sprache an der Schwelle zum neuen Jahrtausend" setzt die Tradition der Fehldeutung von "mehrfach" fort. Fast schon wie selbstverständlich lautet die Erklärung: "sich in gleicher Form mehrere Male wiederholend; mehrmalig", wieder ergänzt durch eine Reihe von unsinnigen Beispielen. "Das Motiv des verlorenen Sohnes wurde von Rembrandt mehrfach gemalt"(mit wie vielen Händen gleichzeitig?), "Bürger fordern einen mehrfach nutzbaren Saal" (z. B. gleichzeitig für eine Faschingsveranstaltung und einen religiösen Vortrag? Oder ist etwa ein Mehrzwecksaal gemeint?), "sie bleibt mehrfach in der Woche zu Hause" und "sie gehen mehrfach im Jahr in Urlaub" (wieder die Geklonten?). "Ein PKW-Fahrer kam von der Fahrbahn ab und überschlug sich mehrfach."

Offenbar sind die Mehrfach-Strukturen beim Duden so stark ausgeprägt, daß semantische
Überlegungen nur bedingt greifen und nicht einmal Nachdenklichkeit erkennbar ist. Es scheint dem Duden wichtiger zu sein, seine Beispiele zu aktualisieren, wobei sie immer lächerlicher werden, als richtige anzugeben, und zwar solche, die den Bedeutungsunterschied zeigen. Vielleicht schlagen die Herren von der Wörterbuchredaktion doch einmal in den Grammatikbänden unter "Vervielfältigungszahlwörter" und "Wiederholungszahlwörter" nach?

Das Gemisch aus richtigen und falschen Deutungen für die unbestimmten Zahlwörter, besonders in den öfters zur Hand genommenen Wörterbüchern, läßt nicht nur den Rat Suchenden ratlos, sondern verunsichern auch den, der seine (hoffentlich) richtige Meinung bestätigt haben möchte. Der Leser/Hörer muß ständig überlegen, ob "mehrfach" wie meist üblich falsch oder ausnahmsweise von einem Sprachbewußten richtig eingesetzt ist.

Die Folgen für die sachliche Beurteilung einer Aussage, die sich auf wiederholte Ereignisse bezieht, sind bedeutend, wie weitere Beispiele zeigen.Die penetrant sachwidrige Gleichzetzung der beiden Wörter in den Bereichen Medizin, Naturwissenschaften und im täglichen Leben erschwert das Verständnis und hat weitreichende Folgen (Versicherung, Therapie). Sie wirkt sich besonders in allen ordnungs- und regelbildenden Bereichen (Straf-, Zivil- und Patentrecht) aus. Mit dem falsch verwendeten Wort "mehrfach" werden zeitversetzte Handlungen und Ereignisse in eine auf Null komprimierte Zeitspanne gepreßt, derart, daß sie plötzlich gleichzeitig stattgefunden haben. Eine sprachliche Zeitmaschine nach Science-Fiktion-Art.

 

Das Ergebnis:

Die Auswertung der Erläuterungen in verschiedenen Wörterbüchern führt somit zu dem widersinnigen Schluß:

"mehrmals" und "mehrfach" bedeuten dasselbe,

allerdings, eindeutig wird das nicht gesagt, sondern die Bedeutung von "mehrfach" und die von "mehrmals" werden sinnwidrig und ohne erkennbaren logischen Zusammenhang vermischt.

Im Störig (Das große Wörterbuch der deutschen Sprache) steht wenigstens der Hinweis auf den umgangssprachlichen (Miß-)Brauch von "mehrfach" statt "mehrmals". Das Beispiel "das habe ich mehrfach beobachtet" gilt wohl mehr für einen mehrfach, meistens doppelt, d.h. zweifach-sichtigen Betrunkenen. Bei der Erläuterung zu "mehrmals" wird auch die mehrmalige Beobachtung erwähnt. Somit sind auch bei Störig "mehrmals" und "mehrfach" identisch. Auf die strafrechtliche Konsequenz des in seiner wahren Bedeutung offensichtlich unerkannten Wortes "mehrfach" sei nur nebenbei hingewiesen: Ein Mann, der, wie in manchen Ländern erlaubt, mehrfach verheiratet war, hätte sich in Deutschland wegen Bigamie strafbar gemacht.Das unter dem Eintrag "mehrfach" dargebotene Sammelsurium von richtigen und falschen Erklärungen eignen sich allenfalls zum Vergewaltigen der Semantik. Ist es vermessen, wenigstens von der "Instanz für die deutsche Sprache" zu erwarten, daß sie sich für eine einheitliche Erklärung in allen ihren Veröffentlichungen entscheidet, und zwar für die sachlich richtige? Gefragt ist eine schlüssige und widerspruchsfreie Erklärung, frei von unsinnigen Beispielen.

Übersicht
Zusammenfassung

Definitionen
Sprachgebrauch
Semantischer Irrweg

Verwirrung
Ratlosigkeit
Widersprüche

Unfähig oder unwillig 
Ergebnis
Gesamt

geändert und aufgeteilt in Absätze am 20.6.2009



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