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Der Glückwunsch

Brauch und Mißbrauch - Gesamtfassung

 

Übersicht

1. Zusammenfassung
2. Definitionen
3. Glück und Glückwunsch im Sprachgebrauch
4. Der Bedeutungswandel
5. Der semantische Unterschied
6. Schwammige Zukunft
7. Der Wunsch für alle Fälle

1. Zusammenfassung

Ob Geburtstag, Hochzeit oder Reise, es gibt heute kaum noch ein persönliches Ereignis, das ohne „herzlichen Glückwunsch“ gewürdigt wird. Die Wörterbücher dokumentieren den Glückwunsch erst seit etwa ca. 20 Jahren. Die Anwendungsbeispiele betreffen nicht nur, wie es der Wortsinn vorgibt, den zukünftigen Lebensabschnitt, sondern sind auch auf Ereignisse gerichtet, die keinen direkten Zusammenhang mit zukünftigem Glück in der klassischen Bedeutung „Schicksal, günstige Fügung“ aufweisen. So werden mit dem „Glückwunsch“ auch besondere geistige, künstlerische und sportliche Leistungen und Erfolge gewürdigt. Die sprachliche Legitimation dafür schließt sich dem Stichwort in den Wörterbüchern an: Ausdruck der freudigen Anteilnahme an einem Erfolg, einer Leistung, einem freudigen Ereignis o. ä.

Diese Definition verbindet Glück mit „Erfolg“ und „Leistung“, kein schmeichelhafter Zusammenhang für den Ausgezeichneten. Besonders unsinnig ist es, jemandem Glück zu wünschen, der ersichtlich Glück gehabt hat (Lotto-, Lotteriegewinner).

Mit der Befreiung des Glückwunsches von seiner ursprünglichen Bindung an bestimmte Ereignisse ist seine Verwendung als „Wunsch für alle Fälle“ vorbereitet. Anwendungsbereiche sind bspw. tägliche Grußformen „Guten Morgen“ bis zum „Beileid“ im Todesfall.

Vorschläge für Festtage, Leistungen und Gewinne: Bei

 

zukunftsorientierten Ereignissen (Geburtstag, Hochzeit, Reise)

Leistungen aller Art

 

Gewinnen von Preisen

 

 

Glückwunsch, Gratulation (wie bisher)


Anerkennung, bravo, tolle Leistung, einmalig, vorbildlich u. ä


Mitfreude, Sie Glückspilz, das Glück war Ihnen hold, viel Spaß damit (mit dem Gewinn, Preis), Sie sind zu beneiden

 

Dabei können jeweils Beifügungen wie „herzlich, groß, unbedingt“ usw. hinzugefügt werden.

2. Definitionen

Glück:
Duden: Das Bedeutungswörterbuch (1985);
Sinngleiche Erläuterungen in:
Wahrig: Deutsches Wörterbuch (1986)
Duden: Deutsches Universalwörterbuch A – Z (1989)
Duden: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache (2000)
G. Kempcke: Wörterbuch, Deutsch als Fremdsprache (2000)

Günstiger Umstand, günstige Fügung des Schicksals, sinnv: Dusel, Erfolg, Fortuna, Massel, Schwein, Segen, guter Stern, Sternstunde, Heil, Glücksfall, Glücksache, Glückstern, Glücksträhne, Zustand innerer Harmonie und Zufriedenheit, Freude, Seligkeit, gedeihen, gelingen

Duden: Etymologie, Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache (1963);
Sinngleiche Erläuterungen in: Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (1989)

Die Herkunft des seit dem 12. Jh. bezeugten Wortes, das sich vom Nordwesten her allmählich im deutschen Sprachgebiet ausgebreitet hat, ist dunkel. Mniederl. (ghe)lucke (aus dem Niederl. entlehnt engl. luck), mnd (ge)lucke (daraus entlehnt die nord. Sippe von schwed. lykka), mhd. gelücke, „Geschick, Schicksal(s)-macht); Zufall; günstiger Ausgang; (guter) Lebensunterhalt lassen sich mit keiner anderen germ. Wortgruppe in Zusammenhang bringen. Abl.: glücken („gelingen“, beachte auch beglücken und verunglücken), glücklich („vom Zufall, vom Schicksal abhängig, günstig“); glückselig, Glückseligkeit (15. Jh.), Glückskind (16. Jh); wohl eigentlich „mit einer Glückshaube geborenes Kind“ oder Lehnübertragung nach lat. fortunae filius; Glückspilz (18. Jh. zunächst in der Bed. „Emporkömmling, Parvenü“, dann „Glückskind“; nach engl. mushroom „Pilz; Emporkömmling“); Glücksrad (mhd. gelücktes rat, gelückrat); Glücksritter „Abenteurer, der auf Glück ausgeht“ (18. Jh.). Der Bergmannsgruß „Glück auf!“ (seit dem 17. Jh. vom erzgebirgischen Raum ausgehend, üblich) ist das Gegenstück zu der älteren Grußformel „Glück zu!“.

Glückwunsch:
Mackensen,
Deutsches Wörterbuch (1955):„Gratulation“
Der Große Duden, (Leipzig, 1955): „Glückwunsch“
Duden: Das Bedeutungswörterbuch (1985)

Wunsch, mit dem man jmdm. (bei einem bestimmten Anlaß) seine Mitfreude bekundet und ihm Glück wünscht.

Wahrig: Deutsches Wörterbuch (1986)

Ausdruck der Anerkennung oder Mitfreude; Wunsch für eine glückliche Zukunft; Glückwünsche der Freunde, Kollegen, Verwandten; seinen – abstatten, ausdrücken, aussprechen, darbringen, senden, übermitteln; herzliche Glückwünsche!; Blumen, ein Geschenk mit herzlichen Glückwünschen überreichen; Glückwünsche zum Geburtstag, zum neuen Jahr, Jubiläum, neuen Lebensjahr, zur Eheschließung, Geburt des Kindes, Hochzeit, Verlobung, Vermählung, Glückwünsche zur bestandenen Prüfung, zur Verleihung einer Würde.

Duden: Deutsches Universalwörterbuch A - Z (1989)

Der Wunsch für Glück und Wohlergehen zu einem besonderen Fest oder Ausdruck der freudigen Anteilnahme an einem Erfolg, einer Leistung, einem freudigen Ereignis o. ä. jmdm. die herzlichsten Glückwünsche aussprechen, übermitteln, senden; herzlichen G. zum Geburtstag.

Keine Erläuterungen in:
„Trübners Deutsches Wörterbuch“
1939, 10 Bde.
Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache,
(1989)
G. Kempcke: Wörterbuch, Deutsch als Fremdsprache (2000)

3. „Glück“ und „Glückwunsch“ im Sprachgebrauch
Das Wort Glück gehört seit langer Zeit zum Sprachschatz der deutschen Sprache. Im Leben Glück haben zu wollen, was auch immer der Einzelne darunter versteht, gehört zu den ständigen ausgesprochenen und geheimen Wünschen der Menschen. Es spielt nicht nur eine wichtige Rolle in unserem eigenem Leben, sondern wir wollen auch oft, daß andere Menschen Glück haben, d. h. glücklich werden und glücklich sind. Wir bekunden Verbundenheit und Anteilnahme.

Wünschen bedeutet, wollen, mögen, verlangen, fordern, den Wunsch haben, etwas verwirklicht zu sehen (Wahrig). Das sind alles Regungen, die in die Zukunft weisen. Daher
sind die von anderen übermittelten Glückwünsche zu Geburtstag, Hochzeit, Geburt, Reise usw. willkommen. Auch bei den Sondertageswünschen (Geburtstag, Hochzeitstag) steht die Zukunft im Vordergrund, weil die Wünsche jeweils indirekt auf den mit diesem Tag beginnenden Zeitabschnitt gerichtet sind.

In der klassischen Literatur ist das Wort Glück relativ häufig verwendet:
„Das Buch der Zitate", 15 000 geflügelte Worte von A bis Z, (G. Hellwig, 1982): 63 Zitate;
Deutsches Sprichwörter-Lexikon, 1987; 5 Bde (K. F. W. Wandler): 1 025 Zitate;
Deutsches Sprichwörter-Lexikon, 275 000 Sprichwörter und Redewendungen auf CD (K. F. W. Wander): 2 439 Nennungen und „Die digitale Bibliothek der deutschen Literatur und Philosophie“, (50 000 Seiten): 2 722 Nennungen.

Dagegen taucht das Wort „Glückwunsch“ in der klassischen Literatur nur vereinzelt und meistens in unklarem Zusammenhang mit dem Kontext auf. Es ist in den oben genannten Fundstellen insgesamt nur 20 mal genannt gegenüber 6 249 Nennungen für Glück (jeweils ohne Wunsch). Daher sahen die Wörterbuchverlage keinen Grund, das Wort anzuführen. Erst in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts, so um 1980, wurde der Glückwunsch umgangssprachlich auffällig.

4. Der Bedeutungswandel
Die Häufung der Glückwünsche in der Umgangssprache im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts gab den Wörterbuchredaktionen Veranlassung, den „Glückwunsch“ in den ab 1980 erscheinenden Wörterbüchern aufzunehmen. Die Verlage folgten auch hier dem in der Umgangssprache verbreiteten Drang, sprachliche Begriffe zu verallgemeinern. Der Glückwunsch bekam daher offiziell zusätzlich eine völlig andere Bedeutung, die weder mit Glück noch mit Glück-wünschen etwas gemein hatte. Nicht nur das Geburtstagskind und frisch Vermählte bekamen den Glückwunsch zugesprochen, sondern auch erfolgreiche Forscher, Schriftsteller und Sportler, ja sogar Lottogewinner.

Immerhin hatten die Wörterbuchredaktionen das semantische Problem erkannt, das in dem Unterschied bspw. zwischen einem Wunsch und einer Anerkennung liegt. Um keine Zweifel bei Sprachbewußten aufkommen zu lassen, wurde wie bei anderen im Umgangsdeutsch entstandenen un- und widersinnigen Ausdrücken die bereits erprobte Dudenmethode angewandt. Das betreffende Wort, hier der Glückwunsch, erhielt einfach eine neue, zusätzliche Bedeutung:

„Ausdruck der freudigen Anteilnahme an einem Erfolg, einer Leistung, einem freudigen Ereignis und der Anerkennung“

Jetzt war der bisher ausschließlich in die Zukunft gerichtete (Glück-)Wunsch von seiner Bindung an die Zukunft befreit und eignete sich für die Verwendung bei einer großen Zahl von vergangenheitsbezogenen Ereignissen, und zwar vor allem bei der Feststellung und Anerkennung besonderer Leistungen geistiger, kultureller oder körperlicher Art.

5. Der semantische Unterschied
Besonders sinnwidrig
ist die Ausdehnung des Glückwunsches auf Ereignisse, die das Ergebnis bereits erlebten Glücks sind: Der Gewinn von Preisen (Reisen, Geldbeträge usw.).

Die eine Vielzahl von Ereignissen umfassende Verallgemeinerung kann nicht mehr mit der ursprünglichen Definition von Glück (Schicksal, günstiger Umstand) und dem Wunsch, andere sollten es haben, vereinbart werden. Die Mitteilung von Mitfreude und Anteilnahme des einen Menschen einerseits und das einem anderen Menschen gewünschte Glück andererseits liegen auf verschiedenen semantischen Ebenen. Ein weiteres Beispiel für Schwammdeutsch, das sich zunehmend ausbreitet.

Mit der Zahl der Anlässe, „Glück zu wünschen“, tritt die ursprüngliche Bedeutung des Glückwunsches in den Hintergrund. Sein Gebrauch als Floskel wird weiter gefestigt.

Die Verallgemeinerung der Bedeutung des Glückwunsches ist Ausdruck von Nachlässigkeit, wie sie mit Redewendungen und Begriffen in der Umgangssprache zum Ausdruck kommt. Statt klare Wörter und Worte zu verwenden werden Pauschalbegriffe eingesetzt und es wird dem Leser/Hörer überlassen, besser gesagt zugemutet, den Sinn aus dem Kontext herzuleiten oder sogar zu raten, was gemeint sein könnte. Für die vielen Glückwunschfälle bietet die deutsche Sprache Formulierungen, die der jeweiligen Situation angemessen sind.

Folgende Redewendungen schlage ich vor:
bei

 

zukunftsorientierten Ereignissen (Geburtstag, Hochzeit, Reise)

Leistungen aller Art


Gewinnen von Preisen

 

 

Glückwunsch, Gratulation (wie bisher)


Anerkennung, bravo, tolle Leistung, einmalig, vorbildlich u. ä

Mitfreude, Sie Glückspilz, das Glück war Ihnen hold, viel Spaß damit (mit dem Gewinn, Preis), Sie sind zu beneiden

 

Dabei können jeweils Beifügungen wie herzlich, groß, unbedingt usw. hinzugefügt werden.

Die Unterscheidung zwischen den einzelnen Anlässen erfordert zwar den Gebrauch des Gehirns, sie würde aber die Floskel auf ihre ehemalige Bedeutung zurückführen und eine angemessene und sinnvolle Würdigung der Leistungen bewirken. Statt der häufigen Bekundung „zu denken“ (ich denke), die fast jedem Satz vorausgeht, wäre es sinnvoller zu be-denken, ob es sich um eine Glücksfrage oder um eine Anerkennung handelt.

Die Unterscheidung zwischen den einzelnen Anlässen würde die Floskel auf ihre ehemalige Bedeutung zurückführen und die Leistungen angemessen und sinnvoll würdigen.

6.Schwammige Zukunft
Die fast schon selbstverständlich gewordene Floskel „ich würde“ leitet heute fast jeden Satz ein. Sie ist symptomatisch für die Tendenz, sich unklar und schwammig auszudrücken. Der universell eingesetzte Glückwunsch ergänzt das seichte Gerede im Umgangsdeutsch bis hin zum gestelzten Deutsch auf den höheren Ebenen der öffentlichen Sprache. Die Gewohnheit nimmt zu, mit Floskeln und Sprechblasen den Mangel an sprachlicher Ausdrucksfähigkeit und den hohen Grad an Nachlässigkeit oder Beschränktheit zu überdecken.

Wenn die Wörterbuchverlage, voran der Duden, weiterhin unsinnige Redewendungen und Begriffe der Umgangssprache durch Pseudoerklärungen legalisieren und damit die allgemein verbreitete Denkschwäche unterstützen, werden die Verallgemeinerungen auch in andere Gebiete eindringen. Einzelne Farben werden nicht mehr genannt und Stoffe nur noch als farbig, Getreidesorten nur noch als „Getreide“ bezeichnet werden. Der Glückwunsch ist bereits auf dem Weg dorthin. Der Wunsch für alle Fälle ist vorbereitet.

7. Der Wunsch für alle Fälle
Der ständig zunehmende Gebrauch der Glückwünsche ist in einer Zeit der verbreiteten Unsicherheit verständlich. Es gibt wohl kaum einen Menschen, der sich nicht wenigstens „im Stillen“ wünscht Glück zu haben. Sogar ein Lottogewinner, ersichtlich bereits vom Glück des Geldgewinns betroffen, wird auch in der Zukunft Glück haben wollen. Mit anderen Worten, wir können gar nicht genügend Glückwünsche erhalten, immer in der Hoffnung, daß die Wünsche in Erfüllung gehen.

Der Glückwunsch, seiner Herkunft aus dem Lateinischen gemäß (gratulare = Glück wünschen) auch als „Gratulation“ verwendet, deckt bereits einen großen Bereich von Ereignissen des menschlichen Lebens ab. Er kann mehr leisten. Um das Gehirn zu entlasten, ungebunden an Ort und Zeit, könnten die vielen Grüßen des Tages ersetzt werden, die sowieso meistens Wünsche enthalten.

Fangen wir also schon morgens an. Statt „Guten Morgen“ wünschen wir Glück. Die Überlegung wird überflüssig, ob noch „Guten Morgen“ oder schon „Mahlzeit“ oder „Guten Tag“ fällig ist. Auch das „Gute Nacht“ wird durch „herzlichen Glückwunsch“ ersetzt. Ferner „Grüß Gott“, „Mahlzeit“, Tschüß“ und „Servus“, „Guten Appetit“, „Gute Fahrt“, „Gut Holz“, „Hals- und Beinbruch“, Mast- und Schottbruch“, „Prosit“ und viele andere. Der „Glückwunsch“ stimmt immer. Sogar das „herzliche Beileid“ ließe sich ersetzen, um die abschiedsgetrübte Stimmung vor dem Sterbebett aufzulockern und an das erwartete Seelenheil und das Wiedersehen im Himmel zu erinnern. In manchen Ländern wird zu diesem Anlaß gefeiert und getanzt. Das Volk ist umgangssprachlich neuerungshungrig. Die Aufnahme der neuen Anwendungsfälle in den Wörterbüchern ist dann nur noch eine Frage der Zeit. Es muß und wird sich schon „herumsprechen“. Herzlichen Glückwunsch!

Manches muß schlimmer werden, damit sich etwas ändert!

Am 06.11.200

 



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