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Sprache / Artikel zur Sprache XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Hauptmahlzeit
 

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Der zweideutige Begriff "Hauptmahlzeit
von Anton Karl Mally


 

Auf dem Beipackzettel zu einem Medikament gegen Diabetes II heißt es, daß eine Tablette "vor jeder Hauptmahlzeit" einzunehmen sei. Patienten, die unter "Hauptmahlzeit" die größte Mahlzeit des Tages verstehen, werden dieses Medikament nur einmal täglich einnehmen. Das muß nicht immer zu Mittag sein; denn manche Menschen speisen erst am Abend ausgiebig. Ärzte verstehen aber unter "Hauptmahlzeit" jede größere Mahlzeit (Frühstück, Mittagessen und Abendessen) im Unterschied zu Zwischenmahlzeiten, die etwa nur aus Obst oder einem belegten Brot bestehen.
 
In der Suchmaschine "Google" gibt es für die letztere Auffassung mehr Belege als für die erstere.  Im "Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts" wird das zusammengesetzte Wort "Hauptmahlzeit" als "die größere Mahlzeit" erklärt. Das erste Beispiel ("das Mittagessen ist meist die H. des Tages") spricht aber eher für die Meinung, es handle sich dabei um die größte Mahlzeit des Tages. Nur das zweite Beispiel ("bei uns gibt es täglich drei Hautmahlzeiten")  bestätigt die zitierte Definition.
 
In der an der Universität Leipzig erstellten Datenbank "Deutscher Wortschatz" finden sich unter dem Stichwort "Hauptmahlzeit" vorwiegend Belege für die nicht ausdrücklich angeführte Definition "größte Mahlzeit des Tages", z. B. der Satz "Wer abends seine Hauptmahlzeit ißt, wird deshalb nicht dicker als die, die Mittags viel essen". Für die gleichfalls nicht ausdrücklich angeführte Definition "größere Mahlzeit" sprechen nur wenige Belege, z. B. der Satz "Am Aschermittwoch und am Karfreitag sollen Gläubige zwischen 22 und 60 Jahren nur eine Hauptmahlzeit zu sich nehmen."  In einigen Beispielssätzen ist der Begriff "Hauptmahlzeit" nicht ganz eindeutig.
 
Die ursprünglich auch von mir geteilte Auffassung,  der Begriff "Hauptmahlzeit" bedeute soviel wie "größte Mahlzeit des Tages",  findet in der freien Enzyklopädie "Wikipedia" eine glänzende Bestätigung. Hier heuißt es nämlich im Artikel "Deutsche Küche", und zwar im Abschnitt "Essgewohnheiten": "Traditionell ist die Hauptmahlzeit des Tages das Mittagessen, das zwischen 12 und 14 Uhr eingenommen wird. Das Abendbrot ist eine meist kleinere Mahlzeit, die oftmals auch nur aus ein paar belegten Broten besteht. In der letzten Zeit haben sich wandelnde Arbeitsgewohnheiten dazu geführt, das auch viele Deutsche ihre Hauptmahlzeit abends zu sich nehmen." Zu ergänzen wäre hier nur,  daß auch an arbeitsfreien Tagen,  die mit einem Restaurantbesuch enden,  im Sommer und während des Urlaubs im Süden hauptsächlich am Abend gegessen wird.
 
Meiner langen Rede kurzer Sinn:  Auf Beipackzetteln zu Medikamenten sollte der zweideutige Begriff  "Hauptmahlzeit" den Patienten nicht ohne Erklärung ins Gesicht geknallt werden.  Sinnvoll wäre etwa die folgende Formulierung: "... wird vor jeder Hauptmahlzeit (Frühstück, Mittagessen und Abendessen) eingenommen."  Statt "vor jeder Hauptmahlzeit" könnte es aber auch einfach "vor jeder größeren Mahlzeit" heißen; aber auch in diesem Falle sollten die drei erwähnten Mahlzeiten angeführt werden.
 
Dr. (nicht med.) Anton Karl Mally,
Mödling bei Wien

 



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