Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Zur deutschen Sprache
Die Sprache ist ein Bild der Seele ...
www.sprache-werner.info
Gehirn - Geist / Artikel Übersicht / X.Der Zukunft einen Schritt / Interview Sheldrake
 

  < zurück erweiterte Suche Seite drucken
 

Was sind morphische Felder?
 Interview mit Rupert Sheldrake

 

Dr. I. Szöllösi (IS): Welcher Begriff würde den morphischen Feldern gerecht werden:
“Körper, Geist, Seele?”
Rupert Sheldrake (RS):
Vor dem 17. Jahrhundert haben die Menschen geglaubt, es gäbe eine „anima mundi“, eine Weltenseele, die alles in der Welt an den rechten Ort platziert – für diese Menschen war der ganze Kosmos beseelt. Heute sprechen wir stattdessen vom Gravitationsfeld. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts dachten die Menschen, die Luft hätte eine Seele und deshalb würde sich die Magnetnadel immer gen Norden richten- und heute nennen wir dieses Phänomen das magnetische Feld. Aristoteles war der Meinung, daß die Seele den Körper der Menschen formt – wir sprechen heute von morphogenetischen Feldern, von Verhaltensfeldern, die den Körper organisieren.

Der Begriff „Feld“ ersetzt also in unserem Verständnis in vielerlei Hinsicht das, was sich früher hinter dem Begriff „Seele“ verbarg. Wir können heute Körper und Seele mit Hilfe der organisierenden Felder besser verstehen. Wenn wir nun den Geist, das Denken und das Bewußtsein mit dazu nehmen, dann stellen wir fest, daß auch der Geist von Feldern abhängt und bestimmt wird. Unsere mentalen Felder dehnen sich auf die Außenwelt aus, sie bestimmen, wie wir die Welt wahrnehmen und strukturieren. Wir sind imstande, auf andere Menschen einzuwirken, nur indem wir sie anschauen.

IS: Was ist für Sie als Wissenschaftler die „Wahrheit“?
RS: Ich spreche in diesem Zusammenhang immer von sehr elementaren Erfahrungen, nicht von Theorien über die Wahrheit. Wenn ich einen Baum sehe, so ist das Bild des Baumes dort, wo der Baum ist, nicht in meinem Kopf – dies ist beispielsweise eine fundamentale Erfahrung von uns allen, vor aller Theorie: Die Welt, die uns umgibt, umgibt uns und ist nicht in uns. Natürlich wirkt sie auf uns ein und wir beziehen uns auf sie - da mag es wohl Unterschiede geben, wie wir das tun. Aber wir alle sehen den Baum am selben Ort stehen und keiner sagt, er befindet sich im Himmel. Wir rennen auf der Strasse nicht ineinander, eben weil wir alle gleichermaßen Menschen und Dinge am selben Ort sehen. Doch elementare Erfahrungen machen wir, lange bevor wir auf abstrakten Niveau Theorien konstruieren. Und genau diese Alltagserfahrungen bilden die Grundlage der Wissenschaften- ohne empirische Methoden hätte auch ein Newton nicht auskommen können.

Trotzdem meinen viele Wissenschaftler – das ist so etwas wie eine Standardtheorie – daß das was du betrachtest in deinem Kopf geformt wird, obwohl dies unserer elementaren Erfahrung widerspricht. Wenn du dann als Anhänger dieser Theorie den Himmel betrachtest, meinst du, er sei in deinem Kopf, also müsste deine Schädelecke irgendwo jenseits des Himmels sein –  das ist absurd. Aber daran glauben die meisten Professoren wissenschaftlicher Lehrstühle.

IS: Woher rührt die Angst des rational orientierten Menschen gegenüber dem Irrationalen?
RS: Viele Wissenschaftler wollen die Welt im Griff und unter Kontrolle haben, aber das wollen auch die meisten religiösen und philosophischen System – die Welt in eine feste Ordnung fügen. Und man möchte diese Ordnung nicht hinterfragen oder herausfordern. Doch besteht dabei die Gefahr, daß man dogmatisch wird.

Die Angst, wir würden ohne eine fest gefügte Ordnung vom Aberglauben überflutet werden, ist sehr groß. Deshalb verteidigen wir die Errungenschaften der Aufklärung und der Zivilisation so sehr – wir wollen keinesfalls kollabieren. Mein Vorschlag ist gewiss nicht, das Denken aufzugeben, sondern seine Erweiterung voranzutreiben. Auch die Wissenschaft läßt sich erweitern. Dazu ein Beispiel: Aus lauter Angst, es könne zu Aberglauben oder sonstigen Verwirrung in der Bevölkerung führen, betrachten Wissenschaftler das Phänomen der Telepathie als „unwissenschaftlich“ und wehren die Beschäftigung damit ab. Ihre Ablehnung begründen sie damit, daß Telepathie irrational sei. Diese Tatsache ließe sich wandeln, wenn diese Wissenschaftler einsehen würden, daß genau diese Ihre Abwehr- und Verteidigungshaltung einen irrationalen Ursprung hat. Hinzukommt, daß eine solche Haltung auch noch die Angst vermehrt, da sie auf einer dogmatischen Sicht der Realität beruht. Wenn sie es schaffen würden, einzuräumen: „Telepathie scheint es zu geben, und wir müssen versuchen, sie anhand von Experimenten zu ergründen!“, dann wäre das ein Riesenfortschritt.

IS: Was macht etwas überhaupt erst „wissenschaftlich“?
RS: Darüber gibt es viele Definitionen. Eine davon ist soziologisch und wird von Thomas Kuhn in seiner Theorie „Der Destruktion der wissenschaftlichen Revolution“ vertreten. Er zeigt, daß Wissenschaft von einer sozialen Gruppe abhängt – du musst einige Gesetze befolgen, um dazu zu gehören. Tust du das irgendwann nicht mehr, dann fliegst du raus aus dem Club. Aber die Gesetze ändern sich, die wissenschaftlichen ebenfalls. Vor Darwin hieß es, in Einklang mit den Gesetzen der Wissenschaften, daß die Welt einige tausend Jahre zuvor erschaffen worden sei, die Fossilien seinen aus der Zeit der Sintflut, wie sie in der Bibel beschrieben wird, übrig geblieben. Nach Darwin hieß es, die Welt sei Hunderte von Millionen Jahren alt und die Fossilien seien Knochen verschiedener, bereitst ausgestorbener Tiere. Heute wird die Evolution von der Wissenschaft akzeptiert, und wenn heute jemand was anderes behaupten würde, würde er aus dem Club fliegen.
Aber die Gesetze ändern sich auch heute, und das vor allem durch die Quantenphysik und überhaupt durch die Umwälzungen in der Physik, nur diese Tatsache hat viele Biologen noch nicht erreicht. Viele denken noch in den Begriffen der Physik des 19. Jahrhunderts. Wenn diese Umwälzungen aber dann auch die Biologie ergreifen und sich die Feldtheorie aus der Physik auch da durchsetzt, werden sich die Gesetze ändern, und es wir zu einer großen Revolution kommen.

Meine Theorien werden von vielen Molekularbiologen noch als ketzerisch betrachtet. Diese Kollegen definieren Wissenschaft so, wie sie in den wissenschaftlichen Publikationen oder an den Universitäten gepredigt wird – das ist eine sehr konservative Sicht. Für mich ist Wissenschaft ganz einfach Forschungsarbeit – sie beruht auf Erfahrungen, Experimenten- verifizierten Hypothesen. Wissenschaft ist eine Methode und keine Ideologie! Aber diese Dialektik zwischen konservativen und revolutionären Kräften durchzieht die ganze Geschichte der Wissenschaft und nimmt sich heute nicht anders aus als früher – auch dieses Phänomen läßt sich letztlich als morphisches Feld analysieren.

Wissenschaft müsste sich, um wissenschaftlich zu bleiben, der Tatsache öffnen, daß wir auch Erfahrungen machen, die weit über unsere direkte, bewußte Verbindung mit der Welt hinausgehen. Es gibt Bewußtseinsformen, die höher sind und weiter reichen als das Ende unserer Fingernägel. Statt nun zu sagen: „Nein, das ist unwissenschaftlich, das gibt es nicht!“, sollten wir uns als Wissenschaftler diesen Erfahrungen öffnen und sagen: „Ja, das könnte möglich sein!“ – Wie wir diese Erfahrungen jeweils interpretieren, ist dann eine andere Frage.

 



zum Seitenanfang < zurück Seite drucken