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Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Doktor-Grad, Übersicht / Dr.-Grad im Personalausweis - Appell / LBr DIE WELT Dr. Deutschland als Psychot
 

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Dr. Deutschland als Psychotherapeut bei Komplexen

Therapie: Der Doktorgrad im Ausweis 

Leserbrief an DIE WELT 

Chefredaktion DIE WELT                                                                                    14.10.2010

Dr. Deutschland als Psychotherapeut bei Komplexen
Therapie: Der Doktorgrad im Ausweis 
 
Sehr geehrte Damen und Herren,

wer an Minderwertigkeitskomplexen leidet oder sich nicht ausreichend anerkannt fühlt, dem ist staatliche Fürsorge sicher. Nur promoviert muss er sein. Die Verzierung des Namens mit dem Doktorkürzel „Dr.“ darf seit 1961 in Pass und Ausweis eingetragen werden. Damit lassen sich bei Bedarf persönliche Geltungsbedürfnisse einer kleinen Personengruppe befriedigen, und das lebenslang.

Auch im 21. Jahrhundert wird der Kult mit dem Doktorgrad fortgesetzt, der als akademisches Markenzeichen wie eine Leuchtboje vor dem Namen blinkt. Die Fachrichtung wird verschwiegen und so deutet das informationsarme Buchstabenkürzel „Dr.“ nur an, da war doch mal was. Kaum jemand weiß, wann, wo und mit welcher Leistung der schmückende Titel erworben wurde.

Mit schwindender Aktualität der Dissertation müsste eigentlich die Leuchtkraft der Boje von Jahr zu Jahr geringer werden. Doch das einmal zugeordnete Ansehen führte zu dem immerwährenden Glauben, der Promovierte könne, leiste und wisse besonders viel, jedenfalls mehr als der Nichtpromovierte. Alle anderen Hochschulabsolventen, auch die mit anderen akademischen Graden werden ignoriert.

Damit verstößt der Gesetzgeber gegen den Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) und gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). 
 
Statt Gesetz und Rechtsprechung beispielgebend zu achten ignorieren die Staatsorgane Regeln, deren Missachtung durch die Bürger sie ahnden und bestrafen.  

Es sind weitere gravierende Gründe bekannt, die gegen den Eintrag des Doktorgrades im Ausweis sprechen:

• Der Doktorgrad ist laut BGH-Urteil (1962) kein Bestandteil des Namens,
• er ist zur Identifikation der Person nicht erforderlich,
• der Eintrag im Ausweis verursacht erheblichen Arbeitsaufwand in den Passämtern,
• Anpassung an europäische Gepflogenheiten und
• Förderung des Titelhandels durch die Überbewertung des Titels.
 
Im Jahre 2007 wollte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble den seit 1961 möglichen Eintrag des Doktorgrades in Ausweis und Pass abschaffen. Doch mit dem Hinweis auf die „Wahrung der Tradition“ schaffte es der Vertreter der Traditions-Oase Bayern, Günther Beckstein, im Bundesrat die Vernunft mit akademischem Weihrauch einzunebeln. Schäubles Vorlage wurde im Bundesrat abgelehnt, sie wurde nicht einmal diskutiert. Das Hochsicherheitsdokument konnte danach nicht nur weiterhin Komplexe lindern und Eitelkeiten befriedigen, sondern ist auch in Ausweis und Pass als Visitenkarte und Bildungsreklame lebenslang (miss)brauchbar.
 

Ende August 2010 wies ich den Bundesminister des Innern, Herrn Thomas de Maisière, auf die mehr als eigenartige Regelung im Passgesetz hin und fragte,

„Warum enthält ein staatlich verordnetes Ausweisdokument, das zum Identifizieren einer Person bestimmt ist, Angaben, die nicht zur Identifizierung einer Person notwendig sind?“

Die Antwort:

Wie sie richtigerweise ausführen, ist die Entscheidung für die Beibehaltung des Doktorgrades als Bestandteil hoheitlicher Identitätsdokumente im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Passgesetznovellierung unter Verweis auf die tradierte Rechtslage gefallen.

Der Passgesetzentwurf des Bundesministeriums des Innern sah damals den Wegfall des Doktorgrades als Datenfeld des Passes vor, da er für die hoheitliche Identifizierung einer Person nicht zwingend notwendig ist.

Die demokratisch legitimierten Verfassungsorgane haben sich im Rahmen der Rechtsetzung jedoch für die Beibehaltung des Doktorgrades als Bestandteil hoheitlicher Identitätsdokumente entschieden, so dass das Bundesministerium an dieses Ergebnis demokratischer Willensbildung gebunden ist.

Vor so einer Willensbildung muss ich mich als Bürger fürchten.

Übrigens: Die Ordens- und Künstlernamen können nach Protesten der Kirche – zu Lasten der Passämter – auch wieder im Ausweis eingetragen werden.

Zur Erläuterung biete ich den Schriftverkehr mit dem Ministerium und einige Artikel zum Thema an.

Mit freundlichen grüßen
Ulrich Werner
Anlage: Verzeichnis weiterer Anlagen



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