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Bildung Grade Titel XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX / Doktor-Grad, Übersicht / Doktortitelk(r)ampf Übersicht / Streichung des Doktortitels in Pass und
 

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Streichung des Doktortitels in Pass und Ausweis

 Entdecken die Regierungs-Fraktionen endlich die Sachlichkeit oder missbrauchen sie weiterhin die Ausweisdokumente zur Titelpflege? ?

 

Stellungnahmen im Plenarprotokoll 17/149 vom 15.12.2011 der

 

CDU/CSU-Fraktion;

SPD-Fraktion;

 

FDP-Fraktion;

 

DIE LINKE-Fraktion;

 

BÜNDNIS/DIE GRÜNEN-Fraktion.

Zu den Stellungnahmen:

Das Thema „Streichung des Doktorgrades in Pass und Ausweis“ ist bereits seit mehreren Jahren im Gespräch. Ein heikles Thema, denn es erzeugt regelmäßig Emotionen, besonders bei Personen mit geringem Selbstbewusstsein und mit Komplexen. Wer von ihnen sich nach Anerkennung sehnt, macht eben den Doktor – oder er besorgt sich einen. Der häufig als Titel  bezeichnete Grad kann als akademische Leuchtboje auf allen möglichen privaten Gegenständen bspw. Visitenkarten, Klingelschildern, Türschildern etc. angebracht werden, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass der Titel kein Bestandteil des Namens ist. Wenigstens diese Erkenntnis wird nicht mehr offiziell angezweifelt oder bestritten. Zu Guttenberg, vor kurzem Verteidigungsminister, konnte es nicht erwarten, bis ihm der (unberechtigt erworbene) Titel offiziell zuerkannt wurde. Mit Sondergenehmigung ließ er sich für die Reise nach Afghanistan die zwei Buchstaben auf der Militärkleidung vor dem Namen anfügen (SZ v. 15.11.11).

Auch die im allgemeinen Umgang miteinander noch häufig benutzte (nicht erforderliche) devote Anrede mit dem Titel stärken Selbstbewusstsein und Ansehen des Titelträgers. Vielen Promovierten reicht es jedoch nicht aus, ihren auffälligen Bildungsnachweis auf die bekannten Weisen zu demonstrieren. Er sollte auch auf  staatlichen – sogar Hoch-sicherheitsdokumenten wie Pass und Ausweis  verzeichnet seinund das lebenslang! Die Gegner der Streichung des Titels kämpfen daher vehement für die Beibehaltung des jetzigen Zustandes. Sie wollen die dagegen sprechenden wichtigen Gründe (kein Bestandteil des Namens und keine Identifizierungsnotwendigkeit) nicht wahrhaben, auch nicht die Tatsache, dass die gängige Abkürzung dafür, die zwei Buchstaben „Dr.“ als allgemeines Symbol für den Doktorgrad mehr verschleiert als es informiert. Sachgebiet sowie Inhalt und Thema der Dissertation bleiben verborgen. Wer kennt schon das Dissertationsthema eines Doktors der Medizin „Verletzungen des Penis bei Masturbationen mit Staubsaugern“?

Die ständig von den Befürwortern der Eintragungspraxis hochgehaltene „eigenständige wissenschaftliche Arbeit“ kann somit nur vermutet werden. Wenigstens besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Titel nicht zur Identifizierung einer Person erforderlich ist. nur der Vertreter der CDU/CSU-Fraktion bezweifelt das immer noch. Immerhin meint er, im „Zeitalter der Bildungsrepublik Deutschland“ zu leben. Da braucht man tatsächlich Humor, um solche Sprechblasen zu ertragen.

In seiner den aktuellen Gesetzentwurf ablehnenden Stellungnahme versucht der studierte Jurist Schipanski (CDU), Neuling im aktuellen Bundestag, die Initiative von Frau Sager ins Lächerliche zu ziehen. Er glaubt offenbar, seine Darlegungen bekämen dadurch mehr Gewicht. Diese Art zu diskutieren wenden häufig Diskutanten an, denen kein treffendes Argument einfällt, um eine Behauptung des Diskussionsgegners zu entkräften, oder wenn sie nicht verstanden haben, um was es eigentlich geht. Im vorliegenden Fall wird verdeckt, dass die CDU/CSU-Fraktion nach wie vor ohne sachliches Argument für die Beibehaltung Doktoreintrags kämpft. Verständlich, denn es gibt keins.

Schipanski hätte sich besser informieren sollen, anstatt bekannte akademische Sprech-blasen zu verbreiten. Dann hätte er auch nicht übersehen, dass seine Verspottung von Frau Sager mit Hinweisen auf Karneval und Weihnachten den jetzigen Finanzminister Wolfgang Schäuble trifft. Ebenso Schipanskis Behauptung, Sagers Gesetzentwurf schade nicht nur der hohen Reputation unserer akademischen Abschlüsse, sondern er beschädige auch die Ehre unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.“ Dann war das wohl auch von Schäubles analogem Entwurf im Jahre 2007 zu erwarten gewesen. Wolfgang Schäuble halte ich für souverän genug, um diesen absurden Vorwurf seines „Partei-freundes“ nicht ernst zu nehmen. Schäuble, damals Innenminister der Großen Koalition, wollte demnach ebenfalls, und zwar analog zu Frau Sager mit einem "Schaufenster-antrag" die Eintragung des Doktorgrades in Pass und Ausweis abschaffen. Sein Ministerium hatte umfangreiche sachlich begründete Änderungen von Gesetzen und Bestimmungen erarbeitet. Hauptmotiv für Schäubles Antrag waren Entlastung der Meldebehörden, Vermeidung von Missverständnissen bei der Feststellung des Namens und Übernahme internationaler Gepflogenheiten. Gravierende Argumente, die die Regierungs-fraktion vergessen hat oder dem wichtigen Ziel der kleinkarierten Titelpflege unterordnet. Vermutlich hätte es Schipanski damals auch nicht gewagt, Schäubles Vorstoß als „Schaufensterantrag“ zu bezeichnen.

Zur Erinnerung: Schäubles Antrag scheiterte im Bundesrat. Der bayrische Traditionsguru Günther Beckstein zog damals die Traditionskeule aus dem Hut und Schäubles Vorschlag war nur noch Makulatur. Eitelkeit besiegte die Vernunft und im Ausland lachte man weiter über den deutschen Titelzirkus. Genau dieser Firlefanz in Deutschland mit dem Doktortitel bewirkt die Abwertung des wissenschaftlichen Ansehens Deutschlands. Sie wird unter-stützt von denjenigen, die in der Streichung des Doktoreintrags bereits die Ursache für den Niedergang des deutschen Bildungswesens voraussehen. Österreichs übertriebe Titelpflege gibt alles andere als Veranlassung zum Nachahmen.

Auch der offiziell zwar kritisierte, jedoch nur lasch geahndete unredliche Erwerb von Doktortiteln ist Folge der gesellschaftlichen Überhöhung des Doktorgrades, wie sie höchst auffällig im Doktoreintrag zum Ausdruck kommt. Wer das bestreitet, ist blind für die Wirklichkeit. Warum wohl werden immer wieder Plagiate vorgelegt? Warum wohl blüht im angeblichen akademischen Musterland und laut Regierungsparteien Deutschland seit vielen Jahren der Titelhandel? Warum werden im Bundeshaus und im  Parlament die Namen von Promovierten in geradezu penetranter Weise ständig mit dem Titel verziert? Die Medien außerhalb der tiefen Provinz ignorieren den Grad immer öfter, ohne dass die Betroffenen an Ansehen verlieren.

Schipanskis Behauptungen über Sagers Motive sind ebenfalls falsch und belegen seinen mangelhaften Kenntnisstand. Seine Hinweise auf die „hehren Ziele und Erfolge des deutschen Hochschulwesens“ weisen keinen Zusammenhang mit dem Ziel des Gesetz-entwurfs auf. Die Vorwürfe  wie Unredlichkeit, Unrichtigkeit und Beschädigung der akade-mischen Kultur in der Bildungsrepublick Deutschland sind unbegründet. Zwischen der Vielzahl von akademischen Phrasen und Sprechblasen zum Beibehalten des Doktor-eintrags merkt Schipanski nicht, dass er der Mehrzahl der akademischen Abschlüsse die „hohe Reputation“ und den Titelträgern sogar eine „ausgezeichnete Allgemeinbildung“ abspricht. Diese erstaunliche Erkenntnis solle er einmal seinen ehemaligen Studienkollegen ins Gesicht sagen, die sich so wie er mit den Staatsexamen begnügt haben.

Zusammenfassens sei festgestellt: Schipanskis Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Frau Sager ist nicht ernst zu nehmen. Es wird also abermals darauf ankommen, ob in Deutschlands Regierung Vernunft herrscht oder weiterhin mit Pass und Ausweis Komplexbehandlung und Imagepflege betrieben werden soll.

Ulrich Werner am 10.2.2012



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