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Redaktion Gesundheitsgespräch
 Hörerbrief vom 15.10.2005

 

Redaktion Gesundheitsgespräch

Lob und Kritik

Sehr geehrte Damen und Herren,

meine Frau und ich (Jhrg. 25 und 27) hören das Gesundheitsgespräch fast regelmäßig. Wir schätzen die von Frau Koch und Herrn Buchberger sachkundig und sympathisch vermittelten Informationen, obwohl wir (noch) keine erste Krankheiten haben, abgesehen von den altergemäßen Verschleißerscheinungen. Wir glauben, daß wir nicht genug Bescheid wissen können, auch für den Fall, selbst einmal davon betroffen zu sein, worüber die Anrufer klagen und fragen. Uns wird auch jedes Mal wieder bewußt glücklich sein zu müssen, weil wir vergleichsweise gesund sind.

Auch für das Thema Musik der Sendung am vergangenen Samstag habe besonders ich mich interessiert und mein Wissen aus der Hirnforschung bestätigt erhalten, wie wichtig mein Üben auf der Orgel (ich begann mit 50 von null) für die mentale Leistungsfähigkeit ist. Die gelegentliche Qual wird dadurch gemildert.

Herr Buchberger forderte hin und wieder die Hörer zur Stellungnahme auf („Wir sind hoch interessiert an ihren Reaktionen“). Er wird damit sicher nicht nur positive Meinungen, wie ich sie eben mitgeteilt habe, gemeint haben.

Zunächst ein protokollarischer Hinweis: Obwohl bereits vor einiger Zeit persönlich darauf hingewiesen, daß akademische Grade kein Bestandteil des Namens sind, betreibt Herr Buchberger nach wie vor die fast schon als penetrant zu bezeichnende Tituliererei. Er wendet sie sogar bei politischen Amtsbezeichnungen an. Kürzlich wurde Frau Müller nur als Frau Staatssekretärin angeredet. Besonders Frau Koch gegenüber pflegt Herr Buchberger eine längst überholte Sitte. Ein Anspruch auf die Anrede mit dem Doktorgrad besteht ohnehin nicht. Fast jeder Hörer weiß mindestens nach der Eingangsmoderation, daß Frau Koch promovierte Ärztin ist. Offenbar glaubt Herr Buchberger weiterhin, Frau Kochs Sachkenntnis durch den ständigen Zusatz „Doktor“ vor dem Namen belegen zu müssen. Hat er denn so wenig Vertrauen in die Erkenntnisfähigkeit der Hörer, aus den Darlegungen von Frau Koch auf ihr umfangreiches Fachwissen schließen zu können?

Aus Höflichkeit? Dann wären wohl die meisten Moderatoren, Journalisten und Autoren unhöflich, wenn sie in Talkshows, Interviews und Artikeln den Doktorgrad weglassen und ihn allenfalls bei der Vorstellung nennen. Liest Herr Buchberger keine Zeitungen, sieht er nicht fern? Weder der Bundespräsident, noch Politiker (Stoiber, Beckstein usw.), Nobelpreisträger, Forscher werden, von Ausnahmen abgesehen, bedoktert. Auch im Bericht seines Senders (BR) konnte Herr Buchberger einen Bericht über die Ordensverleihung in München an Helmut Kohl lesen, wie Doktorgrade höflich verschwiegen werden. Und wie drückt Herr Buchberger seine Höflichkeit gegenüber einem nichtpromovierten Arzt aus?

Warum läßt Frau Koch eigentlich Herrn Buchberger gewähren und fordert ihn nicht auf, sie schlicht (nur) mit dem Namen anzusprechen?

Es ist eine wichtige Eigenheit einer Sprechsendung, daß sie fast ausschließlich durch die Sprache vermittelt wird. Sprachliche Gewohnheiten werden daher von den Hörern, vor allem den Stammhörern, gerade dann meist unbewußt übernommen, wenn Repräsentanten des Rundfunks sympathisch und sachkundig auftreten, wie im Falle von Frau Koch und Herrn Buchberger. Hier einige Beispiele für sprachliche Unebenheiten und Floskeln, die kein Allgemeingut der deutschen Sprache werden sollten:

Frau Koch beginnt häufig ihre Antworten mit der Feststellung zu denken („Ich denke“). Unser Gehirn „denkt“ ununterbrochen, auch während des Schlafs. Wie das Denken abläuft, wissen sogar Hirnforscher noch nicht. Wir ahnen nur den Datenumsatz. Er wird z. Zt. auf einige MB geschätzt, beim Sprechen sind es dagegen (nur) ca. 30 KB. Treffender wäre die Feststellung “ich spreche“, die ebenso wie „ich denke“ ersichtlich überflüssig ist. Mein diesbezüglicher Hinweis vor ca. drei Jahren an Frau Koch blieb offensichtlich erfolglos. Sie hilft mit, daß immer mehr Leute vorgeben zu denken. Dieser Trend ist bereits auch im täglichen Tagesgespräch von BR2radio festzustellen.

Wörter wie „wahnsinnig (wichtig)“, „entsetzlich“ und „irrsinnig“, meistens anstelle von „sehr“ und „überaus“ passen wenig in einen  nicht-gehirnpathologischen Zusammenhang (heute: „ich würde wahnsinnig gerne erklären ...“). 

Das Wort „absolut“ (= vollkommen, nicht mehr steigerbar) statt „ja“, „richtig“ etc. erscheint mir zu hochgestochen und wird meistens definitionswidrig benutzt.

Frau Koch benutzt sehr häufig den Ausdruck „das heißt“, um eine Aussage zu verdeutlichen. Doch meistens folgt keine Erklärung im eigentlichen Sinn, also die gleiche Aussage mit anderen Worten, sondern der Ausdruck steht als Bindeglied wie „und“ zwischen den Sätzen der Erklärung. Beispiel: „Der Körper will das, d. h. es wird eine Gewohnheit daraus“ – statt bspw. „Der Körper will das, und so kann eine Gewohnheit daraus werden“.  Das Eine bedingt nicht das Andere.

Der Ausdruck „von daher“ ist analog zu „in etwa“ wieder eine neue Sprachschöpfung ohne grammatikalische Grundlage. Entwerder heißt es „daher“, „deswegen“ (Grund) oder „von da (dort) her“ als Ortsangabe.

Die Aussage „die ganzen Kinder (Menschen, Maßnahmen etc.)“ ist zwar üblich, wirft jedoch die Frage nach den geteilten Objekten (halbe Maßnahmen) auf.

Der häufige Satzbeginn mit „aber“ ist psychologisch ungünstig, weil er schlagartig einen Widerspruch (Gegensatz) signalisiert und den Zuhörer mehr oder weniger bedrückt. Gegensätzliche Meinungen lassen sich themenabhängig verbindlicher, und zwar ohne dieses ABER ausdrücken.

Die Füllwörter „wirklich“, „echt“, „ja“ als vorweggenommene Bestätigung der folgenden (eigenen) Aussage und die Floskeln „Ich weiß nicht was alles ....“, „sag ich mal“, „sozusagen“, „an und für sich“ blähen nur die Sprache auf und sind daher überflüssig.

Ich würde (sagen, meinen, vermuten, (mal denken (Buchberger)) sind ein indikativer Mißbrauch des Konjunktivs. Die „Würde“-Seuche breitet sich ständig aus, auch mit Hilfe der Moderatoren im Rundfunk. 

Scheinbar (=zum Schein) wird mit anscheinend (= vermutlich) verwechselt.

Die neudeutsche Standardfloskel „davon ausgehen“ statt „annehmen“, „vermuten“, „glauben“ usw. verbreitet ihren Reiz auch in BR2. Es wird nur noch ausgegangen in Deutschland, ohne Ziel (Angabe der Folgerungen).

Die Redewendung „sich bedanken“ wird ohne Rücksicht auf ihren Sinn benutzt. Warum dankt Herr Buchberger immer sich, statt den Hörern? Sie ist nichts weiter als eine widersinnige Selbstbedankung, von Therapeuten als sprachliche Selbstbefriedigung (Onanie) bezeichnet.

Sehr geehrte Damen und Herren, es handelt sich bei den genannten Beispielen nicht um einmalige Versehen, sondern um immer wieder auftretende Sprachgewohnheiten von Frau Koch und Herrn Buchberger. Vielleicht gelingt es Ihnen, den beiden Gesundheitsspezialisten meine kritischen Darlegungen schonend beizubringen. Über die Verlinkungen zu meiner Homepage lassen sich ausführliche Erläuterungen zu den jeweils angeführten Beispielen aufrufen. Nach den Mißerfolgen mit meinen bereits übermittelten Briefen kann ich nur positiv überrascht werden. Ist es vermessen von mir zu erwarten, daß Frau Koch und Herr Buchberger nicht nur die gesundheitliche Aufklärung im Sinn haben, sondern im Hinblick auf ihre weitreichende Hörerschaft und ihren Einfluß auf sie auch eine gewisse Verantwortung für die deutsche Sprache zu tragen bereit sind? Meine umfangreiche Website zur deutschen Sprache belegt, wie ernst es mir ist, für die Klarheit und die Differenzierungsmöglichkeiten der deutschen Sprache zu werben.

Mit freundlichen Grüßen und dem unerschütterlichen Glauben an die Einsichtsfähigkeit der Menschen

Ihr Ulrich Werner

 



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