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Duden / Off. Brf. an Bibliogr. I. u.d. Dudenred
 

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Offener Brief

an das Bibliographische Institut & F. A. Brockhaus AG und die Dudenredaktion 68167 Mannheim

 

Der Duden - die Instanz für die deutsche Sprache, auch für Schwammdeutsch?  

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ende des vergangenen Jahres (2000) erhielt ich eine Pressemappe mit Mitteilungen und Informationen zum Erscheinen der 22. Auflage des neuen Duden, als Standardwerk "Die deutsche Rechtschreibung" bezeichnet. Einige sprachliche Unebenheiten in den übersandten Schriften geben mir Anlaß, das Verhalten des Dudens in seiner Rolle als selbsternannter Sachverwalter der deutschen Sprache kritisch zu beurteilen. Über 40 Jahre lang übte ich einen Beruf aus, in dem ich die Sprache neben meinem Fachkenntnissen als wichtiges Werkzeug benutzen mußte, um die Grundlage für klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Während dieser Zeit habe ich eine Institution vermißt, die nicht nur, wie der Duden, dem "Volk aufs Maul schaut", um die Sprache zu dokumentieren, sondern die auch intensiv Sprachaufklärung und -pflege betreibt. Im Duden konnte ich trotz seiner zahlreichen Veröffentlichungen zur deutschen Sprache und seiner Eigenwerbung als Sachverwalter der deutschen Sprache auf häufig wiederkehrende spezielle Fragen keine befriedigenden Antworten finden.

Die in der Pressemitteilung herausgestellte Selbsteinschätzung

"In Sachen deutsche Sprache gilt der Duden als Instanz."

kann allenfalls für das Dokumentieren der Sprache gelten. In Fragen der Sprachpflege und -aufklärung erweckt der Duden zwar den Anschein, ebenfalls kompetent zu sein. Die vom Duden eingesetzte Sprachberatungsstelle bestärkt diese verbreitet falsche Meinung. Aber gerade diese Einrichtung des Dudens räumte mir gegenüber ein, nicht die Richtigkeit einer Wortbildung sei maßgebend für den Eintrag in einem Wörterbuch, sondern der Sprachgebrauch. Deshalb seien "manche Wörterbuchartikel widersprüchlich, ungenau "umgangssprachlich" formuliert". Folglich enthält diese Formulierungsart in den Wörterbüchern un- und widersinnige Begriffe, die wiederum in anderen Handbüchern (Grammatik, Richtiges und gutes Deutsch etc.) aufgeführten Darlegungen widersprechen. Die Passivität des Duden gegenüber den ständig zunehmenden Veränderungen der Sprache durch nichtssagende Floskeln und unklare Wort- und Begriffskonstruktionen sowie durch Anglizismen, fördert die Tendenz, die deutsche Sprache zu verhunzen. Für den hierbei erzeugten Sprachmüll wurde schon eine Sprachhülsen-Verpackungsverordnung gefordert. Ich halte für diese teilweise vom Duden mitgetragene und mitverursachte Ausdrucksweise den Begriff Schwamm- und Blasendeutsch für passend.

Eine Erläuterung und eine nicht vollständige und regelmäßig zu erweiternde Liste mit Schwamm- und Hunzelwörtern, nichtssagenden Floskeln und Redewendungen ist unter der markierten Adresse abrufbar. Hier einige Beispiele, im Anhang ausführlich erläutert, um meinen Vorwurf zu belegen:

 Obwohl der Duden vor ca. 35 Jahren erkannt und dokumentiert hat, daß es zwei Arten von unbestimmten Zahlwörtern gibt, das

"Vervielfältigungszahlwort" (mehrfach) und das "Wiederholungszahlwort" (mehrmals),

Wörter, die sich in ihrer Bedeutung wesentlich voneinander unterscheiden, hält der Duden gleichzeitig auch seine immer noch geltende (falsche) Meinung aufrecht, diese beiden Wörter seien Synonyme. Etwa 95 % der Deutschsprechenden wissen daher nicht zwischen zeitgleichen und zeitversetzten Ereignissen oder Handlungen zu unterscheiden.

Mit der Freigabe des Suffixes "fähig" auch für den passivischen Gebrauch, mit der ihm der Duden den weiteren Sinn "geeignet" für zubilligte, ermöglichte er dem Sprachvolk überall dort "Fähigkeiten" vorzutäuschen, wo keine sind. Seine Großzügigkeit ergab sich offenbar aus der hauseigenen Regel, wonach die vom Duden geführte sog. Sprachsünderkartei dazu diene, "Hinweise zu liefern, um die grammatikalischen Normen neu zu bestimmen". Er ging sogleich mit in Falschfarben leuchtenden Beispiel voran und empfahl im Bedeutungswörterbuch von 1985 Wortbildungen wie "ratefähige Bilder" und "beleidigungsfähige Katzen" sowie "ersatz"-, "bündnis"-, "vorladungs"-, "mehrheits"-, "recyclier"-, "kabarett"-, "kino"-, "endlager"-, "friedens"-, "lexikon"- "recyling"-, "steigerungs"-, "team"-, "urlaubs"- und "weltmarktfähig". Weitere Pseudofähigkeiten wurden von den fähigkeitesfähigen Sprachpanschern im Laufe der Zeit geschaffen wie z. B. "regierungsfähig", "abzugsfähig", "genußfähig", "schuldfähig", "waffenfähig", "versandfähig", "medikamentenfähig", "eurofähig", "BTX-fähig", "internetfähig", "PC-fähig" usw. Die klagende Frage des damaligen Dudenchefs Drosdowski im Jahre 1988 in seiner Broschüre "Ist die deutsche Sprache noch zu retten" kann nur mit NEIN beantwortet werden, jedenfalls solange der Duden nicht die Wörterzählungen durch semantische Überlegungen ergänzt und dabei keine Purzelbäume schlägt.
 
Das sprachübliche Vermischen von substantiviertem Infinitiv und Verbalsubstantiv in der Umgangssprache läßt den Duden unberührt. Er erläutert die Wortbildungen widersprüchlich und ignoriert ihren Bedeutungsunterschied in den Pressemitteilungen. Das meistens bevorzugte Verbalsubstantiv, auffällig bei Wörtern mit der Endung "ung", läßt meist nicht erkennen, ob eine Handlung oder das Handlungsergebnis, auch das Handlungsziel gemeint ist.

Die weltweit einmalige deutsche Selbstbedankung (sich bedanken) setzt er unkommentiert den klassischen Dankesbezeigungen ("vielen Dank", "ich danke ihnen") und sogar der Wendung "ich bedanke sie" gleich, obwohl diese Floskel (sich bedanken) der Regel für reflexive Verben widerspricht.

Die Angaben gradueller Unterschiede beim Vergleichen von Eigenschaften sind teils falsch, teils unvollständig. In der Sprachpraxis ergeben die diesbezüglichen Wortbildungen bei mit einem Faktor multiplizierten komparativischen Gradadverbien ("dreimal mehr", - "schneller", - "länger" etc.) fehlerhafte und im Widerspruch zum Kontext stehende Aussagen; im Falle einer Verminderung, also der Negation ("dreimal weniger", - "langsamer", - "kürzer") ist es Unsinn. Es mag der Eindruck entstehen, die wenigen Beispiele stünden nur für Einzelfälle und Ausnahmen. Sie sind eine Auswahl der wichtigsten Sprachschlampereien, die wegen ihrer Häufigkeit im Gebrauch einen deutlichen Einfluß auf das Sprachgeschehen ausüben. Es scheint auch berechtigt zu sein anzunehmen, daß die diversen Wörterbücher weitere Fälle von Regelverstößen und Widersprüchen enthalten. Der Duden ignoriert die auffällige und ständig beklagte Tatsache, daß die deutsche Sprache nicht nur mit Anglizismen übermäßig befrachtet, sondern auch mit deutschsprachlichen - von der Schreibung unabhängigen - Wortschöpfungen verschandelt wird.

Der lasche Umgang mit der Sprache zwingt Menschen mit Sprachgefühl, dem Bedürfnis, sich klar auszudrücken und Mißverständnisse zu vermeiden, beim Lesen und Zuhören in die Rolle eines Sinndeuters oder Rätselraters, während der Duden Wörter zählt. Nicht nur für Sprachliebhaber ein deprimierender Zustand. Die zahlreichen Publikationen des Duden umfassen auch die mehr oder weniger komplizierten Regeln der deutschen Sprache. Regeln haben nach allgemeinem Verständnis den Zweck, einen Anhalt für klares und unmißverständliches Verhalten zu geben. Doch für den Duden scheinen manche seiner Regeln, wenn er sie überhaupt beachtet, nur solange zu gelten, wie sie vom Sprachgebrauch bestätigt werden. Andernfalls werden sie so ausgelegt oder sogar ergänzt, daß sie mit dem Wandel der Sprache übereinstimmen. Dabei spielt es offensichtlich keine Rolle, daß die Veränderungen den mitzuteilenden Sinn verschleiern. Der Versuch, den Duden in zwei besonders krassen und häufig falsch verwendeten Wortbildungen zu sachgerechten Angaben im Wörterbuch zu bewegen, war erfolglos. Auch die wenig bekannte, bei Kritik jedoch immer vorgeschobene beschränkte Zielsetzung seiner Tätigkeit und die dokumentierten sprachlichen und semantischen Fehlleistungen lassen nicht erwarten, daß die Dudenredaktion das umgangssprachliche Verhunzen der deutschen Sprache beanstanden wird und selbst Vorbild für klares Deutsch gibt, um die Ausdruckskraft und die Differenzierungsmöglichkeit der Sprache zu erhalten. Deutschlernende, Dolmetscher, Übersetzer und Entwickler von Übersetzungsprogrammen, besonders alle, die die deutsche Sprache lieben, sprechen und schreiben, wären für eine sachgerechte Aufklärung und Sprachpflege sehr dankbar.

Auf dem Hauptgebiet seiner Tätigkeit, der Rechtschreibung, hat sich der Duden keine besonderen Verdienste erworben, besonders bei seiner Mitwirkung an der Rechtschreibreform. Wie Theodor Ickler in der F.A.Z. zum neuherausgekommenen Rechtschreibduden schrieb, "machten sich die mißhandelten Grundregeln der Sprache unerbittlich bemerkbar. Es sei nichts Vernünftiges herausgekommen, denn das Ergebnis ist von so horrender Willkür, daß niemand behaupten kann, die Rechtschreibung sei in irgend einem Sinne leichter geworden." Und zur obligatorischen Getrenntschreibung: "Sie gehört zu den ungezählten Barbarismen, zu denen diese Reformer in ihrem Feldzug gegen eine hochentwickelte Sprachkultur sich hinreißen ließen."

Mit freundlichen Grüßen
gez. Ulrich Werner
München, im August 2001

Anlage zum offenen Brief: Beispiele

Siehe auch: Der Auftrag des Duden 
                    Der Bluff des Duden
                    Die Rolle des Duden
                    "Die Instanz" 

Wolf Schneider zum Duden

“Vorsicht vor dem Duden!

Wenn wir einen Fehler oft genug gemacht haben, wird er sich im Duden wiederfinden – als das Übliche eben.“
 
Möge sich niemand mehr auf den Duden verlassen - Interview mit Helmut Glück in den VDS Sprachnachrichten. Die Fragen stellte Max Behland VDS Sprachnachrichten Nr. 37/März 2008, S. 3,4

Bei Kerner - Wolf Schneider zum Duden: eine widerliche Veranstaltung - ARD am 25.3.2008



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